Apps und Webanwendungen auf Rezept

Einige Apps können von Ärzten verschrieben und von den Kassen gezahlt werden. Über den Nutzen ist man sich aber trotzdem uneinig.

Digitale Gesundheitsanwendungen können zum Teil als App direkt auf dem Smartphone verwendet werden. Symbolfoto: NordWood Themes/Unsplash

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Digitale Gesundheitsanwendungen können zum Teil als App direkt auf dem Smartphone verwendet werden. Symbolfoto: NordWood Themes/Unsplash

Von Kristin Doberer

Rems-Murr. Smartphones begleiten den Alltag mittlerweile fast durchgehend, auch in der Gesundheitsversorgung können sie immer häufiger zum Einsatz kommen. Seit dem Inkrafttreten des Digitale-Versorgung-Gesetzes Ende 2019 können Ärzte digitale Gesundheitsanwendungen (Digas), also zum Beispiel Apps oder Browseranwendungen, verschreiben. Aktuell gibt es im Diga-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 46 Apps zu den verschiedensten Bereichen. Manche sollen bei chronischen Lungenkrankheiten helfen, andere bei Rückenschmerzen, bei Diabetes oder Adipositas. Auch bei Reizdarmsyndrom, Tinnitus, Schlafstörungen und Multipler Sklerose wird man in dem Verzeichnis fündig. Die meisten Anwendungen gibt es im Bereich Psyche. Sowohl bei Depressionen, als auch bei Sucht sollen die Apps die Patientinnen und Patienten unterstützen.

Behandlungen unterstützen und Wartezeiten überbrücken

„Dabei geht es nicht darum, Ärzte zu ersetzen“, betont Armin Pscherer von der Koordinierungsstelle Telemedizin Baden-Württemberg (KTBW). Gerade bei psychischen Erkrankungen gehe es vielmehr um zusätzliche Angebote zur Therapie oder um eine Überbrückung. Die Wartezeiten für einen Facharzt könnten mittlerweile mehrere Monate andauern, „für diese Zeit kann ein Hausarzt als erste Hilfe zum Beispiel eine App verschreiben“, meint Pscherer. Viele Patienten, berichtet er, wüssten aber noch gar nichts von den Angeboten. Ein Grund sei wohl, dass Ärzte beim Thema Diga noch etwas skeptisch seien. „Man hat sie zu spät mitgenommen und zu wenig informiert.“

Gezahlt werden die Digas von den Krankenkassen, sobald sie in des Verzeichnis aufgenommen worden sind. Dafür müssen die Hersteller die Wirksamkeit ihrer Anwendung wissenschaftlich geprüft nachweisen. Dies und Angaben zu Sicherheit, Leistung, Datenschutz und medizinischer Qualität wird dann nochmals vom BfArM geprüft. Trotzdem sind die Krankenkassen nicht restlos überzeugt von den Anwendungen.

Die AOK zum Beispiel hat bei einer Umfrage festgestellt, dass 58 Prozent die genutzte Diga als sinnvolle Ergänzung ihrer jeweiligen Therapie ansehen, vor allem die zeitliche Flexibilität wurde gelobt. 40 Prozent der Befragten glauben auch, dass die Anwendung ihnen dabei geholfen habe, ihre Erkrankung besser in den Griff zu bekommen. „Diese erlebte Autarkie steht aber im Widerspruch zu dem Umstand, dass nur 38 Prozent die genutzte Diga weiterempfehlen würden sowie knapp die Hälfte der Nutzenden auf die Diga verzichten könnten“, berichtet eine Pressesprecherin der AOK Ludwigsburg-Rems-Murr. Außerdem seien die Digas nur selten zur Überbrückung von Wartezeiten bis zum Beginn einer Therapie genutzt worden (15 Prozent). „Nur bei Digas zur Behandlung psychischer Erkrankungen war das etwas häufiger der Fall (21 Prozent)“, meint die Sprecherin weiter.

Willkürliche Preise werden von den Kassen kritisiert

Das Resümee der AOK: „Insgesamt können Digas neue und sinnvolle Versorgungslösungen darstellen, sofern der Nutzen und die Kosten in einem adäquaten Verhältnis stehen.“ Digas seien aber nur sinnvoll, wenn sie individuell zu den Bedürfnissen der Versicherten passen und in die ärztliche Behandlung integriert werden. „Beispielsweise passten für 15 Prozent der befragten Versicherten die Inhalte nicht zu ihrer individuellen Krankheitssituation. Herkömmliche Therapien vor Ort wie beispielsweise die Physiotherapie bei Rückenbeschwerden sind in vielen Fällen die bessere Wahl – und verursachen für die Beitragszahlenden weniger Kosten.“

Denn die digitalen Anwendungen kosten die Kassen einiges. Der durchschnittliche Preis je Diga betrage etwa 500 Euro für eine 90-tägige Nutzung. Die Kosten können je nach Anwendung laut einer Sprecherin der Krankenkasse Barmer aber bis zu 2077 Euro für 90 Tage erreichen. „Die Hersteller können im ersten Jahr einen beliebigen Preis für ihre Diga aufrufen. Auch für Anwendungen, die das BfArM nur zur Erprobung zugelassen hat und deren Wirksamkeit sich am Ende vielleicht nicht bestätigt“, betont Marion Busacker von der Barmer. Denn noch nicht alle Anwendungen, die bereits verschrieben werden können, haben auch schon ihre Wirksamkeit nachgewiesen. Das BfArM hat eine ganze Reihe von Anwendungen zur Erprobung zugelassen. „Insgesamt aber sehen wir das willkürliche Festlegen des Preises kritisch. Ebenso, dass die Kosten von den Krankenkassen erstattet werden müssen, sobald der Code zum Freischalten eingegeben wird. Dabei ist es völlig unerheblich, ob die Patienten die Anwendung auch nutzen“, sagt Busacker. Auch bei der Barmer hat man sich mit der Wirksamkeit beschäftigt. „Der Nutzen einer Diga hängt unter anderem von der regelmäßigen und korrekten Anwendung ab“, meint eine Pressesprecherin. Die Patienten sollten motiviert und diszipliniert sein. Auch sei es wichtig, dass der Markt nicht überflutet wird. „Jede Diga muss vor ihrer Zulassung auf Herz und Nieren geprüft werden.“

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Erstellt:
6. Februar 2023, 06:00 Uhr

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