Kreuzfahrtschiffe

Arbeiten, wo andere Urlaub machen

Die Kulturwissenschaftlerin Katharina Bothe untersucht den Alltag der Crews an Bord der riesigen Kreuzfahrtschiffe. Sie will auch dazu beitragen, dass sich die Bedingungen für die Besatzungsmitglieder verbessern.

Die Kulturwissenschaftlerin Katharina Bothe vor einem Kreuzfahrtschiff in Bremerhaven. Es ist nicht das Schiff, auf dem sie geforscht hat.

© Phillipp Steiner

Die Kulturwissenschaftlerin Katharina Bothe vor einem Kreuzfahrtschiff in Bremerhaven. Es ist nicht das Schiff, auf dem sie geforscht hat.

Von Phillipp Steiner

Während dem Telefonat ist Katharina Bothe auf hoher See auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs. Dabei gehört sie weder zu den Urlaubern noch zur Besatzung. Bothe ist Forscherin. Am Telefon aus ihrer fensterlosen Kabine auf Deck 5 erklärt sie: „Ich möchte rausfinden, wie der Arbeits- und Lebensalltag der Crew-Mitarbeiter an Bord sind. Und auch, wie sie das selbst wahrnehmen.“

Bothe will letztlich dazu beitragen, dass sich die Bedingungen für Besatzungen bessern, betont die promovierte Kulturwissenschaftlerin, die am Deutschen Schifffahrtsmuseum Leibniz-Institut für Maritime Geschichte (DSM) in Bremerhaven beschäftigt ist. Doch in dieser Phase ihres Forschungsprojektes, als wir im Frühjahr des vergangenen Jahres zum ersten Mal miteinander telefonieren, will sie erst einmal auf eigene Faust Informationen und Eindrücke sammeln. „Wir befinden uns gerade mitten auf dem Ozean“, erzählt sie. Auf dem Schiff gibt es viele Orte, an denen sie sozusagen auf die Pirsch gehen kann: Etwa in den Restaurants, dem Schönheitssalon, im Casino und auf dem Sonnendeck.

Die Forscherin achtet auf Mimik und Gestik

„Ich sitze meistens ganz normal als Passagier am Tisch um zu beobachten“, schildert Bothe. Wenn sie irgendwo entlanggehe und „mir das auffällt, dass jemand zusammensteht und sich unterhält, dann bleibe ich manchmal einfach stehen“. Dann lauscht sie. Achtet auf die Mimik und Gestik der Menschen. Alles von Interesse trägt sie in ein türkisblaues Notizbuch ein. „Sobald mir irgendwas auffällt, dann schreibe ich das auf, auch wenn mir gerade der Wolfsbarsch geliefert wurde.“

Bothe spricht auch Crewmitglieder an, erläutert sie am Telefon vom Schiff aus sowie Monate später bei einem Treffen am Kreuzfahrtterminal in Bremerhaven. Die Forscherin stellt sich nicht als Wissenschaftlerin vor, sondern geht die Gespräche im Gewand des Small-Talks an. Allgemeine Fragen seien es meistens, etwa „Wie gefällt es Ihnen an Bord?“ Die Angaben zu den Gesprächspartnern würden später anonymisiert veröffentlicht.

Crewmitglieder haben lange Arbeitszeiten

Ein Besatzungsmitglied habe ihr seine ganze Karriere aufgezählt – vom Gläser- und Tellerwäscher bis hin zum Offizier im Hotelbereich. Insgesamt 19 Jahre auf wechselnden Schiffen der Reederei. Mit einem Neun-Monats-Vertrag habe er begonnen und sei heilfroh, dass er inzwischen einen Vier-Monats-Vertrag habe. „Weil eben die Bedingungen so hart sind, man ist so lang von seiner Familie getrennt“, erklärt Bothe.

Teils kann die DSM-Mitarbeiterin solche Urteile nachvollziehen, wenn sie ihre eigenen Eindrücke aus der Innenkabine heranzieht. Man habe keine frische Luft, könne nicht einfach das Fenster aufmachen. Und: „Es ist nie wirklich ruhig.“ Auch mit dem Wellengang müsse man umgehen und generell mit dem begrenzten Raum.

Crewmitglieder haben, so hörte und schlussfolgerte Bothe, lange Arbeitszeiten. Bei einem Steward, den sie öfter sah und sprach, schätzt sie die Arbeitszeit auf rund 14 Stunden, abzüglich Pausen.

In der Branche sind Zeitverträge üblich

Die Löhne in der Kreuzfahrtbranche lägen zwar über den Löhnen in den Herkunftsländern vieler Crewmitglieder der unteren Ränge wie den Philippinen. Aber Bothe gewann bei den Gesprächen den Eindruck, dass das Geld häufig nur reiche, die Existenz zu sichern. Ältere hätten ihr berichtet: „Ich möchte aufhören.“

Üblich seien in der Branche Zeitverträge, so Bothe. Nach Ablauf gingen die Leute in ihre Heimat und nach der unbezahlten Pause mit neuem Vertrag an Bord. Auf ihrer Reise habe sie erfahren, dass je niedriger die Position, desto länger dauere der einzelne Zeitvertrag – das erklärt sie sich mit der hohen Arbeitsbelastung. Selbst sehen konnte Bothe Teile der Mannschaftsbereiche bei einem geführten Rundgang. In der Crew-Messe fielen ihr die kleinen Bullaugen auf, die sie mit den „großen pompösen“ Fenstern im Passagierbereich vergleicht.

Eine Welt für die Gäste – eine andere für die Crew

Hin und wieder linste die Forscherin auch hinein, wenn sich die Türen mit Aufschriften wie „Servicepersonal“ öffneten. Teppichboden und Tapete im Passagierbereich gegenüber grauem Boden und schlicht geweißten Wänden für die Crew. „Es gibt auf so einem Schiff eine Welt für die Crew und eine Welt für die Passagiere.“ Als schlecht beschreibt Bothe den Standard im Crewbereich aber nicht: „Es war alles sehr gepflegt und sauber, es war nur ein deutlicher Unterschied zu dem der Passagiere.“

Einen Unterschied machte Bothe zwischen älteren und jüngeren Besatzungsmitgliedern aus. Während Ältere oft nicht mehr wollten, hätten solche, die zum ersten Mal an Bord waren, Elan und Euphorie gezeigt. „Junge Leute nutzen das, um die Welt kennenzulernen, um Menschen kennenzulernen, um ihren Ort mal zu verlassen.“

Am Ende möchte Bothe etwas bewirken, indem sie Handlungsempfehlungen für die Praxis auf Kreuzfahrtschiffen formuliert. Die will sie mit Vertretern von Reedereien, Gewerkschaften und aus der Politik diskutieren. Ein Schwarz-Weiß-Bild, bei dem Gäste im Luxus schwelgen und die Crew im Elend malocht, entwirft Bothe ausdrücklich nicht. Ihre Reise hat ihr verdeutlicht, dass die Verhältnisse auf einem Kreuzfahrtschiff komplex sind – und ein spannendes Feld für neugierige Forscherinnen und Forscher.

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Erstellt:
13. Februar 2025, 15:26 Uhr

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