Patientinnen missbraucht? Arzt weist Vorwürfe zurück
dpa/lsw Baden-Baden. War es ein üblicher Handgriff im Zuge der Behandlung oder hat der Arzt seine Patientinnen unsittlich berührt? Und ist er gar in einem Fall noch weiter gegangen? Das Landgericht Baden-Baden muss einen Fall klären, der viele Facetten haben könnte.
Ein Arzt hat vor dem Landgericht Baden-Baden bestritten, zwei Patientinnen sexuell missbraucht zu haben. „Diese Vorwürfe sind vollkommen falsch“, sagte der 56-Jährige beim Prozessauftakt am Mittwoch. Er habe keine sexuellen Absichten gehabt und niemanden gezwungen, sich auszuziehen. Der Fall könnte weitere Verflechtungen haben, wie sich am ersten Verhandlungstag andeutete.
Die Staatsanwältin warf dem Mann unter anderem vor, im Rahmen osteopathischer Behandlungen in seiner Praxis in der Kurstadt einer Patientin 2015 mehrfach mit der Hand über die Brustwarzen gestrichen zu haben. Eine andere Patientin soll er 2019 geküsst, seinen Finger in die Scheide geführt und diese mit der Zunge berührt haben. Dabei sei er extra schnell vorgegangen, um keine Gegenwehr zu ermöglichen. Angeklagt hat die Behörde den Mediziner unter anderem wegen Vergewaltigung und dringt auf ein Berufsverbot in Bezug auf Frauen.
Der Arzt verteidigte sich in einem ausführlichen Vortrag über Osteopathie. Bei dieser Behandlungsmethode mit bloßen Händen sei es üblich, dass Patienten nur Unterwäsche tragen, Frauen oft keinen BH. Viele anerkannte Griffe könnten sexualisiert werden, erklärte der Mann und zeigte dem Gericht Bilder aus einem Fachbuch.
Zudem stellte er allgemein in den Raum, dass er mit rassistischen Vorurteilen zu kämpfen habe. Für die Vorwürfe sehe er keine andere Erklärung als seinen ausländisch klingenden Namen. Der Mann wurde im Ausland geboren und hat inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit. Die zur Rede stehenden Sexpraktiken passten auch nicht zu seinem Kulturkreis, argumentierte der Familienvater weiter. „Diese draufgängerische Form der Sexualität ist mir fremd.“
Den Darstellungen zufolge gab es sechs weitere Anzeigen gegen den Mediziner. Vier habe die Staatsanwaltschaft zu den Akten gelegt, weil an den Vorwürfen nichts dran gewesen sei. Acht Anzeigen seien zu viel, räumte der Mann ein - aber bei mehr als 20.000 Patienten und Patientinnen, die er schon behandelt habe, eine kleine Zahl. Auf der anderen Seite kämen Prominente aus der ganzen Welt zu ihm, betonte er. Diese Klientel habe hohe Ansprüche, denen er gerecht werde. Ferner kam in der Verhandlung die Frage auf, ob eine der Patientinnen Gefühle für den Arzt entwickelt hatte.
Immer mal wieder wird Medizinern vorgeworfen, sich an Patientinnen und Patienten vergangen zu haben. Wie oft Ärzten wegen derartiger Vergehen die Approbation entzogen wird, konnten weder Bundes- noch Landesärztekammer sagen. Auch die für Baden-Württemberg zuständige Approbationsbehörde des Landesgesundheitsamtes führt dazu nach Angaben des Regierungspräsidiums Stuttgart keine Statistik. Aus datenschutzrechtlichen Gründen äußert sie sich nicht zu Einzelfällen.
Das Landgericht Baden-Baden hat bislang sieben Fortsetzungstermine geplant. Demnach könnte es im Dezember ein Urteil sprechen.
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