Aspacher Firma lockt mit Vier-Tage-Woche
Seit Januar haben die Beschäftigten von Komfortbau Hunger immer freitags frei. Der Handwerksbetrieb will dadurch attraktiver für Fachkräfte werden. Die Rechnung geht auf: Die Firmenchefs bekommen jetzt täglich mehrere Bewerbungen.
Von Kornelius Fritz
Aspach. Sebastian Hunger muss sich nicht vorwerfen, dass er nicht alles probiert hätte. Er hat Anzeigen in der Zeitung und bei den großen Online-Stellenportalen geschaltet, er war auf Jobmessen und hat sogar einen Radiospot produzieren lassen. Das alles hat ihn viel Geld gekostet, aber keine neuen Mitarbeiter gebracht. Doch die braucht die Firma Komfortbau Hunger ganz dringend. Denn obwohl der Handwerksbetrieb aus Allmersbach am Weinberg seit Jahren selbst ausbildet, fehlt es ihm an qualifiziertem Personal. „Ich könnte ohne Probleme zehn neue Leute einstellen“, sagt der Geschäftsführer, der das Unternehmen zusammen mit seinem Bruder Danilo leitet. Die Firma, die sich innerhalb von 20 Jahren vom kleinen Malerbetrieb zum gewerkübergreifenden Sanierungsspezialisten mit 55 Beschäftigten gemausert hat, ist schon jetzt bis in den Herbst hinein ausgebucht.
Im Kroatien-Urlaub im vergangenen Sommer fasste der Firmenchef deshalb einen Entschluss: „Wir müssen irgendwas grundlegend anders machen, das uns von anderen Betrieben abhebt. Es hilft ja nichts, über den Personalmangel zu jammern, aber nichts dagegen zu tun.“
Im Internet stieß er auf Artikel über Betriebe, die für ihre Beschäftigten die Vier-Tage-Woche eingeführt haben. Hunger nahm Kontakt zu diesen Firmen auf und ließ sich ihre Erfahrungen schildern. Er staunte nicht schlecht, was er da hörte: So erzählte ihm zum Beispiel eine Malermeisterin aus Norddeutschland, sie habe inzwischen eine Warteliste mit 30 Personen, die bei ihr arbeiten wollen.
Nicht zu wenig Arbeit, sondern zu viel
Andererseits klang die Idee, die Arbeitszeit zu reduzieren, zunächst einmal widersinnig. Denn Komfortbau Hunger hatte ja nicht zu wenig Arbeit, sondern zu viel. Und außerdem: Wollen die Beschäftigten das überhaupt? Schließlich werden Handwerker pro Stunde bezahlt. Eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit wäre daher auch mit finanziellen Einbußen verbunden.
Der Geschäftsführer überlegte sich ein Modell, das für seine Firma funktionieren könnte. Im November lud er seine Vorarbeiterinnen und Vorarbeiter zum Rostbraten ein und präsentierte ihnen seine Idee: Von Montag bis Donnerstag wird künftig neun statt acht Stunden gearbeitet. Zusätzlich erhalten die Beschäftigten für jeden Arbeitstag eine steuerfreie Verpflegungspauschale von zehn Euro. Jeden Freitag ist frei – zumindest für diejenigen, die das wollen. Wer freiwillig kommen möchte, bekommt 50 Euro Bonus.
Bei den Beschäftigten kam der Vorschlag sehr gut an: „Ich war natürlich überrascht, aber dann habe ich gedacht: Das ist eigentlich cool“, erinnert sich Selina Diem. Jede Woche einen freien Tag mehr, das klang für die 22-Jährige verlockend. Auch ihr Kollege Alexander Trentzsch fand die Idee super, zumal die finanziellen Einbußen dank der steuerfreien Zulage überschaubar sind: „Das kommt am Ende fast aufs Gleiche raus“, erzählt der 29-Jährige.
Bis Dienstag müssen die Beschäftigten sich entscheiden
Seit Anfang Januar ist die Vier-Tage-Woche bei Komfortbau Hunger nun die Regel. Bis Dienstag müssen die Beschäftigten ihrem Chef sagen, ob sie am Freitag kommen wollen oder nicht. Das neue Arbeitszeitmodell gilt zunächst einmal testweise für ein halbes Jahr und auch nicht für die Bürokräfte. Aber Sebastian Hunger kann sich kaum vorstellen, dass er zurückrudern muss. Denn der Erfolg ist schon jetzt durchschlagend: Die Einführung der Vier-Tage-Woche bringt dem Aspacher Handwerksbetrieb nicht nur große Aufmerksamkeit in den Medien, sondern auch jede Menge neue Bewerber. „Ich bekomme etwa zehn Anfragen am Tag. Das ist wirklich phänomenal“, schwärmt Hunger. Einen Stuckateurmeister und einen Trockenbaumonteur hat er bereits eingestellt und in den nächsten Tagen stehen weitere Vorstellungsgespräche an. „Selbst Leute, die 30 Jahre bei ihrer Firma sind, bewerben sich jetzt bei uns“, staunt Hunger.
Und wie reagieren die Kunden, wenn sich der Bautrupp bereits am Donnerstagabend ins Wochenende verabschiedet? Bisher habe es noch keine negativen Reaktionen gegeben, versichert Sebastian Hunger. Und er rechnet auch nicht mit Problemen, solange seine Firma die vereinbarten Deadlines einhält. „Wir müssen unsere Teams eben an den anderen Tagen verstärken, um das zu kompensieren.“ Sollte es einmal ganz eng werden, könnten die Chefs auch Freitags- oder Samstagsarbeit anordnen. Bis jetzt war das allerdings nicht nötig und Sebastian Hunger rechnet schon deshalb nicht damit, weil es erfahrungsgemäß immer genügend Freiwillige gebe, die dank der Zulage gerne am Freitag arbeiten.
Im Normalfall genießen die Mitarbeiter ihr verlängertes Wochenende
Auch Selina Diem und Alexander Trentzsch waren im Januar schon mal freitags im Einsatz. „Wenn wir auf einer Baustelle noch etwas fertigmachen müssen, ist es ja sinnvoller, das am Freitag zu erledigen, als montags noch mal hinzufahren“, sagt die 22-Jährige. Im Normalfall genießen sie und ihre Kollegen aber ihr verlängertes Wochenende. Gerade für Erledigungen sei der freie Tag ideal: „Ich gehe lieber am Freitagmorgen zum Friseur als am Dienstagabend um 19 Uhr“, sagt Selina Diem. Die Auszubildende Chiara Meurers glaubt, dass sich die Vier-Tage-Woche auch positiv auf die Arbeitsleistung auswirkt: „Man ist fitter und motivierter“, sagt die 20-Jährige. Die zusätzliche Stunde an den Arbeitstagen nehmen sie hingegen kaum wahr.
Mit seinem neuen Arbeitszeitmodell hat Komfortbau Hunger offensichtlich den Nerv der Zeit getroffen. „Work-Life-Balance wird heute immer wichtiger“, weiß Sebastian Hunger. Deshalb sei zusätzliche Freizeit für viele auch ein größerer Anreiz als ein paar Euro mehr auf dem Konto. Hunger selbst kommt allerdings nicht in den Genuss des neuen Arbeitszeitmodells: Er will auch weiterhin sechs Tage pro Woche arbeiten.
Von Kornelius Fritz
Der Wind hat sich gedreht: Waren es früher die Arbeitnehmer, die sich auf der Suche nach einem Job den Firmen anpreisen mussten, ist es heute umgekehrt. Gut ausgebildete Leute können sich ihren Job aussuchen und die Unternehmen müssen um sie werben. Das hat allerdings noch nicht jeder Firmenchef begriffen. Manche begnügen sich immer noch damit, freie Stellen öffentlich auszuschreiben oder an die Arbeitsagentur zu melden, und wundern sich dann über die geringe Resonanz.
Wer künftig gutes Personal gewinnen will, der muss seinen Beschäftigten etwas bieten. Das gilt erst recht für kleinere Unternehmen, etwa aus dem Handwerk. Geld spielt dabei gar nicht immer die wichtigste Rolle. Arbeitgeber können auch mit flexibler Zeiteinteilung, Homeoffice oder eigenverantwortlichem Arbeiten punkten. Oder eben mit einer Vier-Tage-Woche, wie sie nun die Firma Komfortbau Hunger aus Aspach einführt. Das Beispiel dürfte Schule machen, denn der Fachkräftemangel wird sich wegen des demografischen Wandels in den nächsten Jahren noch verschärfen. Firmen, die da nicht kreativ sind, werden keine neuen Leute mehr finden.
k.fritz@bkz.de
Firmengeschichte Als Einmannbetrieb hat Danilo Hunger, der aus dem Erzgebirge stammt, 2003 die Firma Komfortbau Hunger gegründet, sein Bruder Sebastian stieg drei Jahre später ein. Das Unternehmen hat sich auf Gebäudesanierungen spezialisiert. Etwa 60 Prozent der Aufträge kommen von öffentlichen Bauherrn, 15 Prozent der Kunden sind gewerblich, der Rest privat.
Pläne Durch das schnelle Wachstum wurde es in dem alten Bauernhaus in Allmersbach am Weinberg zu eng. Deshalb musste der Betrieb zusätzliche Lagerflächen anmieten. Nun plant Komfortbau Hunger einen Umzug ins interkommunale Gewerbegebiet Lerchenäcker. Dort hat die Firma ein 3500 Quadratmeter großes Grundstück gekauft.