Potenzial von sieben Millionen Stimmen

Auch AfD umwirbt gezielt Migranten

Im Wahlkampf wirbt die AfD gezielt um Wähler mit Migrationshintergrund, obwohl sie Stimmung gegen Migranten. Es klingt paradox, doch die Partei findet durchaus Anklang.

Maximilian Krah (AfD) bei einer Sitzung des Europäischen Parlaments. Die Partei wirbt gezielt auch um Stimmen von Migranten (Archivfoto).

© dpa/Jean-Francois Badias

Maximilian Krah (AfD) bei einer Sitzung des Europäischen Parlaments. Die Partei wirbt gezielt auch um Stimmen von Migranten (Archivfoto).

Von red/AFP

Die AfD macht im Wahlkampf Stimmung gegen Migranten, der Verfassungsschutz attestiert ihr ein völkisches Weltbild - und doch wirbt die Partei im Wahlkampf gezielt um Wähler mit Migrationshintergrund. Es scheint paradox, aber sie findet durchaus Anklang. „Leider gibt es auch unter türkeistämmigen Menschen welche, die mit der AfD sympathisieren“, sagt die Ko-Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschland (TGD), Aslihan Yesilkaya-Yurtbay, der Nachrichtenagentur AFP.

„Die AfD greift Ängste und Enttäuschungen auf und macht damit Politik - auch Ängste und Enttäuschungen von türkeistämmigen Menschen“, sagt Yesilkaya-Yurtbay. Die AfD sei „die einzige Partei, die gezielt Wahlkampf auf Türkisch macht und insbesondere junge Menschen auf Tiktok anspricht. Da müssen alle demokratischen Parteien noch kräftig aufholen.“

Knapp 20 Prozent der Menschen mit Wurzeln in der Türkei, im Nahen Osten und in Afrika können sich eine Stimmabgabe für die AfD vorstellen: Das ergab eine im Januar veröffentlichte Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM).

Gastarbeitergeneration hatte lange vor allem die SPD gewählt

Laut Statistischem Bundesamt gibt es rund sieben Millionen Wahlberechtigte mit Migrationshintergrund in Deutschland. Schätzungsweise 2,5 bis drei Millionen Menschen in Deutschland haben Wurzeln in der Türkei. Bei insgesamt 59,2 Millionen Wahlberechtigten ist das eine große Gruppe - und ihr Anteil an der Gesamtwählerschaft nimmt von Wahl zu Wahl zu.

Traditionell haben Menschen der Gastarbeitergeneration aus Ländern wie der Türkei in Deutschland lange vor allem die SPD gewählt, auch wegen der politischen Sozialisation über die Gewerkschaften. Die Bindekraft der alten Parteien lässt aber auch in dieser Gruppe - wie in der Gesamtbevölkerung - nach. Eine Studie des Wirtschaftsinstituts DIW zeigte 2021, dass besonders die SPD an Zuspruch unter Menschen mit Einwanderungsgeschichte verliert.

Ganz massiv manifestierten sich diese Verschiebungen in der Wählergunst bei der Europawahl im vergangenen Jahr. Der Mediendienst Integration ermittelte nach der Abstimmung das Wahlverhalten muslimischer Wählerinnen und Wähler. Das Ergebnis: Am besten schnitten mit 17 Prozent das BSW sowie die damals neu gegründete Migrantenpartei Dava ab. Die Union kam auf 15 Prozent, die SPD nur noch auf 13, die AfD nur auf drei Prozent.

Maximilian Krah spricht gezielt türkeistämmige Erdogan-Anhänger an

Die AfD sieht hier großes Potenzial. Der AfD-Kandidat Maximilian Krah etwa spricht ausdrücklich türkeistämmige Erdogan-Anhänger an, veröffentlichte auf TikTok ein Video vom Besuch bei seinem Barbier und wirbt mit einem traditionellen Familienbild - mit patriarchal geprägter Rollenverteilung von Mann und Frau und allgemeiner Genderkritik.

Aslihan Yesilkaya-Yurtbay, die Ko-Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, verweist auf andere Themen, mit denen die Parteien in Konkurrenz zur AfD Anklang bei migrantischen Wählern finden könnten. Menschen mit Migrationsgeschichte hätten „deutlich größere wirtschaftliche Sorgen als Menschen ohne Migrationsgeschichte“, sagt sie. „Man kann sie politisch also besonders gut mit wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit abholen: Rente, Wohnen, und so weiter.“

Die Fachleute vom Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung weisen darauf hin, dass die Parteien ein großes Interesse haben müssten, um Zustimmung von migrantischen Wählern zu werben. „Aufgrund der letzten Reform des Staatsangehörigkeitsrechts sowie des Nachwachsens von Jahrgängen mit hohem Migrantenanteil ist davon auszugehen, dass in Zukunft noch mehr Menschen mit Migrationshintergrund wahlberechtigt werden“, schreiben sie in ihrer aktuellen Studie. „Parteien sollten ein langfristiges Interesse daran haben, diesen Teil der Wählerschaft mit zu berücksichtigen.“

Zum Artikel

Erstellt:
14. Februar 2025, 09:56 Uhr
Aktualisiert:
14. Februar 2025, 11:16 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen