Klimawandel im Hochgebirge
Auch die Anden-Gletscher schmelzen dahin
Viele Gletscher der Anden haben sich besonders stark zurückgezogen. Auch Gletscher auf der Nordhalbkugel könnten folgen.
Von Stefan Parsch (dpa)/Markus Brauer
Mehrere Gletscher in den südamerikanischen Anden haben eine so geringe Ausdehnung wie noch nie in den vergangenen 11 700 Jahren. Das schließt eine internationale Wissenschaftlergruppe aus der Untersuchung von Gesteinsproben knapp unterhalb der Gletscher in der heutigen Ausdehnung.
Demnach geht der aktuelle Eisrückgang über die natürlichen Schwankungen bei der Größe der Gletscher hinaus. Das Team um Andrew Gorin von der University of California in Berkeley (US-Bundesstaat Kalifornien) beschreibt seine Erkenntnisse in der Fachzeitschrift „Science“.
Vor fast 12 000 Jahren waren Anden-Gletscher größer als heute
Als vor etwa 11 700 Jahren das gegenwärtige Zeitalter Holozän durch eine Erwärmung der Erde begann, schmolzen zahlreiche Gletscher und Eisschilde, die sich im Norden auch bis nach Mitteleuropa erstreckten. Im frühen bis mittleren Holozän war das Klima dann so warm, dass viele Gletscher stark zurückgingen.
„Zumindest an den meisten Orten der Nordhalbkugel sind die Gletscher derzeit noch größer als ihre Minimalausdehnung im Holozän“, schreiben die Autoren. Auch die Quelccaya-Eiskappe im Süden Perus, mit rund 40 Quadratkilometern die größte tropische Eisfläche der Welt, war einer Studie von 2023 zufolge während des Holozäns schon mal kleiner.
Sonderfall Quelccaya-Eiskappe
Doch das gilt nicht zwangsläufig für alle Gletscher in den Anden. So halten Gorin und Kollegen die Quelccaya-Eiskappe wegen ihrer großen Masse für einen schlechten Indikator für die Gletscher in dem Gebirge.
„Viele kleinere tropische Gletscher reagieren möglicherweise schneller auf den modernen Klimawandel als die Quelccaya-Eiskappe und haben sich infolgedessen möglicherweise um einen größeren Teil ihrer Gesamtlänge zurückgezogen.“
Untersuchung von Gesteinsproben
Um dieser Vermutung nachzugehen, nahmen sie Proben von Gesteinen unterhalb der jeweiligen Gletscherzunge, die bis vor wenigen Jahren oder Jahrzehnten unter Gletschereis gelegen haben. Die Gletscher liegen in Kolumbien, Peru und Bolivien.
Im Gestein untersuchten sie die Menge der radioaktiven Isotope Beryllium-10 und Kohlenstoff-14. Beide Isotope entstehen durch die Einwirkung kosmischer Strahlung, sie finden sich deshalb an der Oberfläche von Gestein, das der kosmischen Strahlung direkt ausgesetzt ist.
Bei den meisten der 20 Proben war die Menge der Isotope sehr gering, sodass sie noch nicht lange kosmischer Strahlung ausgesetzt gewesen sein können und zuvor unter Eis gelegen haben müssen.
Schicksal der Anden-Gletscher droht auch anderen Regionen
Die Wissenschaftler kalkulierten auch die Erosion des Gesteins ein, durch die die Isotope womöglich aus dem Gestein entfernt worden waren. Doch die übliche Erosionsrate in dieser Region konnte die geringe Anzahl der Isotope nur zu einem sehr kleinen Teil erklären.
„Unsere Daten deuten darauf hin, dass viele Gletscher in den Tropen wahrscheinlich jetzt kleiner sind als in den letzten 11 700 Jahren, was die Tropen zur ersten großen Region macht, in der dieser Meilenstein dokumentiert wurde“, schreiben die Forscher. Sie verstehen ihre Arbeit auch als Mahnung darüber, was in Zukunft mit den Gletschern in anderen Weltregionen geschehen könnte.