Auf dem Traktor durch den Wengert
Ein Jahr im Weinberg (4): Redakteurin Silke Latzel darf Trecker fahren und hilft beim Humusverteilen und Stämmleputzen
Für Redakteurin Silke Latzel steht ein besonderer Einsatz im Weinberg an: Sie „muss“ beziehungsweise darf schwere Maschinen bedienen und Traktoren fahren – zwei verschiedene, einen großen mit Frontlader und einen kleinen mit Anhänger. Denn es wird Zeit, den Weinstöcken etwas Gutes zu tun: Mit Humus. Und der muss verteilt werden.
Von Silke Latzel
ASPACH. „Bist du schon mal Traktor gefahren?“ Günther Ferber, Vorsitzender der Weingärtnergenossenschaft Aspach, ist am Telefon. „Nein, noch nie“, antworte ich und spüre in dem Moment genau, dass ich diesen Satz bald nicht mehr sagen werde. Und genau so kommt es auch: Ferber lädt mich zum Traktorfahren ein. Ich brauche mir keine Sorgen machen, er werde mir alles erklären und die ganze Zeit neben mir sitzen. Na, ein Glück, denke ich und überlege trotzdem kurz, ob ich im Internet nach Tipps zum Traktorfahren suchen soll. Dann entschließe ich mich aber, alles einfach auf mich zukommen zu lassen, so schwer wird es schon nicht sein. „Du kannst doch auch Auto fahren“, sagt Ferber, „das ist eigentlich nicht wirklich etwas anderes.“
Die Kollegen, meine Freunde und mein Mann sind neidisch auf mich. Sie alle würden „auch gerne mal Trecker fahren“. Nur ich – das Dorfkind ohne landwirtschaftliche Erfahrung, weil aus einer Familie mit überwiegend Beamten und Bankangestellten – fühle mich etwas mulmig in der Magengrube.
Im Schildkrötenmodus den Weinberg hinunter
Das Gefühl geht auch nicht weg, als ich mich dann mit Ferber in den Weinbergen treffe. Der kleine Traktor mit Anhänger sieht irgendwie niedlich aus, der große schon etwas, naja...größer. „In dem großen kann dir nichts passieren“, sagt Ferber. „Aber bei dem kleinen muss man aufpassen, der kann umkippen.“ Er lacht, als er mein erschrockenes Gesicht sieht. Zuerst nehme ich auf dem Fahrersitz des großen Traktors Platz. Mit ihm wird der Humus auf den Anhänger des kleinen Traktors geladen. Nach kurzer Einweisung lege ich los: Frontlader nach unten, langsam anfahren, weiter nach vorne, weiter, weiter, weiter...bis er sich in die Masse aus zersetztem Blattwerk und Gehölz sowie Pferdemist vertieft hat und voll genug ist. Dann: Rückwärtsgang einlegen, zurückfahren, Schaufel nach oben, lenken und langsam zum kleinen Trecker fahren. Jetzt mit Vorsicht und Präzision die Schaufel genau über den Anhänger bringen und nach vorne kippen – geschafft! Ich bin schon ein bisschen stolz, dass ich in dem Gewirr aus Hebeln und Pedalen nicht sofort und vollkommen den Überblick verloren habe – obwohl mein Beifahrer geholfen hat. Trotzdem bin ich zufrieden.
Wir steigen aus, klopfen den Humus mit Schaufeln fest, damit er bei der Fahrt durch die Weinberge nicht sofort runterfällt. Ich nehme auf dem Fahrersitz des kleinen Traktors Platz, Ferber stellt sich neben mich. Und schon geht es los. Ich würde mich selbst eigentlich schon grundsätzlich als gute Autofahrerin bezeichnen, Freunde und Kollegen nennen meine Fahrweise manchmal „recht sportlich“, aber irgendwie habe ich Hemmungen, schneller als Schrittgeschwindigkeit zu fahren, das Lenken ist eben doch ein ganzes Stück weit anders als im Auto und ich will nicht riskieren, dass wir am Ende umkippen. Doch Ferber gibt mir ein Signal, das Gaspedal mal richtig durchzudrücken. Und plötzlich platzt der Knoten – wir sausen durch die Weinberge. Angekommen rangiert der Profi den Trecker in die Reihe, stellt alles ein und lässt mich im Schildkrötenmodus – auf dem Schalter ist wirklich eine Schildkröte abgebildet – den Berg hinunterfahren, der Humus wird automatisch vom Anhänger auf den Boden gelassen – und ich muss nichts weiter machen, als die Spur zu halten.
Die Natur hilft beim Verteilen
Alle zwei Jahre verteilt Ferber 200 Kubikmeter Humus in seinen Weinbergen, 800 Kilogramm passen in den Anhänger. „Das ist schon sehr aufwendig, dauert etwa zwei Wochen, bis alles verteilt ist“, erklärt er mir. Der Humus wird zwischen die Weinstöcke verteilt, aufs frisch abgemähte Gras. Dann hilft die Natur beim Verteilen: „Wenn der Humus auf den kurzen Grashalmen liegt und diese dann wieder wachsen, drücken sie nach oben und schieben den Humus nach links und rechts, also genau dahin, wo ich ihn haben will: direkt an die Weinstöcke“, so die Erklärung. Der Humus fungiert dabei nicht nur als natürlicher Rohstofflieferant für die Pflanzen, sondern dient quasi auch als Schwamm: Wenn es regnet, fließt das Wasser nicht direkt ab, sondern wird gespeichert. So werden die Stöcke über längere Zeit mit Feuchtigkeit versorgt und können davon zehren.
Der Anhänger ist leer, doch der Feierabend nicht in Sicht. Wir ziehen Arbeitshandschuhe an, denn jetzt heißt es „Stämmle putzen und Doppelaugen entfernen“. Manche Rebsorten neigen dazu, dass aus einer Knospe mehrere Triebe wachsen. Für eine gute Durchlüftung und damit die ausgebildeten Blätter später nicht eine zu dichte Laubwand bilden, die dann anfälliger für Pilzkrankheiten ist, muss der Wengerter die überflüssigen Triebe ausbrechen. Während Ferber die Doppelaugen auf den ersten Blick sieht, muss ich ganz genau hinschauen – und übersehe sie trotzdem manchmal. Viel eher liegt mir da schon das „Stämmleputzen“ – deswegen tragen wir auch die Handschuhe. Denn es ist durchaus wörtlich zu nehmen: Wir fahren mit der Hand am Stamm des Weinstocks hinunter, um alle Triebe, die sich dort gebildet haben, zu entfernen und „putzen“ sie so ab. Diese Arbeit, ebenso wie das Entfernen der Doppelaugen, sollte nicht zu früh, aber auch nicht zu spät erfolgen. Denn wenn etwa die Doppelaugen zu früh entfernt werden und es Frost gibt, verliert man am Ende womöglich doppelt, weil der übrig gebliebene Trieb erfriert. Und wenn man zu spät die Stämme „putzen“ will, sind die Triebe zu groß und man kann sie nicht mehr mit der Hand entfernen, sondern braucht eine Schere.
Natürlich hat Ferber dafür gesorgt, dass wir zeitlich richtig dran sind. Und so klingt mein vierter Einsatz im Weinberg bei wunderschönem Wetter aus – noch bevor der lang erwartete Regen fällt.