Aufgerüttelt
Der aufgedeckte Datenklau ist eine medienpädagogische Lehrstunde
Der „Anschlag auf die Demokratie“ kam aus dem Kinderzimmer – in Szene gesetzt von einem 20-jährigen Schüler, der nach Angaben der Sicherheitsbehörden noch bei seinen Eltern wohnt und unter das Jugendstrafrecht fällt. Von einem jungen Mann, der sich seine Hacker-Kenntnisse selbst beigebracht hat und nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes „kein dominantes politisches Motiv“ gehabt haben soll. War die massenhafte Veröffentlichung privater Daten von Politikern und Prominenten es also wirklich wert, als „Anschlag auf die Demokratie“ auf die politische Tagesordnung gesetzt zu werden? Wohl eher nicht. Es geht auch eine Nummer kleiner.
Nachher ist man klüger. Natürlich war die eher oberflächliche Attacke eines computeraffinen Jünglings, der wegen fehlender Haftgründe schon wieder auf freiem Fuß ist, kurz nach ihrer Entdeckung nicht gleich als relativ harmlos einzustufen. Viele kriminelle Eingriffe tief in hochsensible Privat- und Geschäftstiefen sind in jedem neuen aufgedeckten Fall allemal Grund genug, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln einzugreifen. Und bei Sicherheitslücken technisch und strafend nachzubessern.
Der Vorgang könnte dennoch nachhaltige Wirkung zeigen, sollte all jene aufrütteln, die sich lustvoll wie sorglos in Internetforen tummeln und dabei ihr Innerstes nach außen wenden, um im Hacker-Fall darüber zu klagen, dass sie niemand vor ihren ureigenen Fehlern, ihrer eigenen Dummheit geschützt habe. Was in den vergangenen Tagen passiert ist, war deshalb weniger ein „Angriff auf die Demokratie“ als vielmehr eine schmerzhafte Lehrstunde in Sachen Medienpädagogik. Und der Nachweis, dass risikobewusstes Handeln auch und gerade im Internet bei jedem Einzelnen anfängt.
wolfgang.molitor@stuttgarter-nachrichten.de