Auftakttraining in Backnang: Rauf aufs Lastenrad und los

In der Murr-Metropole können Interessierte das Projekt „Lara to go“ kennenlernen und mit den künftig ausleihbaren E-Rädern eine Testfahrt machen. Diese sollen eine Alternative zum Auto bieten, ob für Einkäufe, kleinere Transporte oder Fahrten bis hin zu Ausflügen beispielsweise mit Kindern.

Götz Kemmler macht sich nochmals zu einer Testrunde auf dem Lastenfahrrad auf. Andreas Fritz von der Energieagentur (vorne) zeigt, dass das schnittige Gefährt ideal zum Transport dient. Beim Auftakt sind Backnangs Erster Bürgermeister Stefan Setzer (rechts) und Jürgen Ehrmann von der ADFC-Ortsgruppe Backnanger Bucht (Zweiter von rechts) mit von der Partie. Fotos: Tobias Sellmaier

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Götz Kemmler macht sich nochmals zu einer Testrunde auf dem Lastenfahrrad auf. Andreas Fritz von der Energieagentur (vorne) zeigt, dass das schnittige Gefährt ideal zum Transport dient. Beim Auftakt sind Backnangs Erster Bürgermeister Stefan Setzer (rechts) und Jürgen Ehrmann von der ADFC-Ortsgruppe Backnanger Bucht (Zweiter von rechts) mit von der Partie. Fotos: Tobias Sellmaier

Von Christine Schick

Backnang. Götz Kemmler ist einer der Ersten, der sich am Samstagvormittag im Biegel in der Backnanger Innenstadt auf eines der Lastenräder, kurz Lara, schwingt und sich vom Projektteam das Handling erklären lässt. „Die Fahrt ist angenehm“, sagt der Backnanger später, wobei er auch die zusätzliche Unterstützung durch den Elektromotor meint. „Wir haben keine E-Bikes.“ Aber die Überlegung, sich ein E-Lastenrad für Einkäufe oder kleinere Transporte anzuschaffen, ist schon öfters aufgetaucht. „Wir wohnen etwas außerhalb, in Sachsenweiler, da wäre das ideal und wir könnten das Auto stehen lassen“, erläutert Kemmler.

Gabriele Wieland aus Oppenweiler ist ebenfalls gezielt zur Auftaktveranstaltung gekommen, um eine Probefahrt machen zu können. Sie und ihr Mann sind oft im Urlaub mit dem E-Bike unterwegs. „Ich wollte einfach testen, wie das Feeling auf so einem Lastenrad ist“, sagt sie. „Es hat richtig Spaß gemacht.“ Im Alltag wäre ein ausleihbares Lastenrad zwar nicht notwendig, da macht sie praktisch alles zu Fuß, aber Gabriele Wieland denkt schon ein bisschen weiter. Sollten sich möglicherweise Enkel ankündigen, wäre das für Ausflüge eine tolle und vergleichsweise sichere Alternative zum normalen Fahrrad. Sie erinnert sich noch gut an so manch kippelige Situation, als sie selbst als Mutter mit Knirps unterwegs war.

Die Kinder vor sich besser im Blick

Der Sicherheitsfaktor ist auch für einen Backnanger Vater ein Thema, der ohne Namen im Bericht auftauchen möchte. Er ist mit seinen beiden kleinen Kindern gekommen, die in der Lastenradbox Platz nehmen. Sohn und Tochter transportiert er im Alltag zurzeit im Anhänger hinter dem Rad. „Das muss man immer gut im Blick haben“, sagt er. Die Position im Lastenrad mit der Box vor dem Lenker ist da eine komfortablere. Bei der Testfahrt stellt er fest, dass das Gleichgewichtsgefühl ein wenig anders ist, „das ist aber sicher Gewohnheitssache“. Die Familie hat ihre beiden Autos bereits aus ökologischen Überlegungen verkauft, nutzt aber einen Kleinbus für größere beziehungsweise gewichtigere Fahrten. Insofern ist auch für sie ein Lastenrad als Alternative überlegenswert. Ob sie dann das Angebot, sich eines in Backnang auszuleihen, nutzen, hängt für den Familienvater vom Standort ab. Er findet es auf jeden Fall schon mal prima, dass es sich somit möglicherweise auch noch mal bei einer Fahrt austesten lässt.

Bis Ende März finden in allen teilnehmenden Kommunen Trainings wie in Backnang statt.

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Bis Ende März finden in allen teilnehmenden Kommunen Trainings wie in Backnang statt.

Die drei Beispiele passen ziemlich gut zu den zwei Zielgruppen des Projekts „Lara to go“, bei dem sich die Energieagentur Rems-Murr mit verschiedenen Kreiskommunen und dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) zusammengetan hat. „Zum einen haben wir Menschen im Blick, die ein Lastenrad ab und zu ausleihen möchten, um für kürzere Strecken eine Alternative zum Auto zu haben“, sagt Backnangs Erster Bürgermeister Stefan Setzer. Dann gibt es aber auch Kandidaten, die solch ein Lastenrad intensiver nutzen möchten und über den Verleih im Detail testen können, ob es sich bewährt. „Eine Anschaffung ist teuer und eine halbe Stunde Testfahrt reicht da nicht unbedingt aus. Insofern ist das Angebot auch in diesem Sinne ein Baustein für eine nachhaltige Mobilität.“ In Backnang dauert es noch eine gewisse Zeit, bis sich die drei E-Lastenräder ausleihen lassen – konkret bis zum 1. Juni. Die Stadt ist gerade dabei, die Standorte zu konkretisieren, erläutert Setzer. Auch vor dem Hintergrund der Vandalismusprobleme an Stationen und Rädern von Regiorad sowie den Reparatursäulen in der Stadt war klar, dass man sich da noch mal genau Gedanken machen wollte. Fest steht, dass die Lastenräder sicher und geschützt in Boxen untergebracht werden. Abzuwägen ist nun noch, an welchen Standorten sie möglichst durchgängig zugänglich sind, aber eben auch einem gewissen Schutz unterliegen, beispielsweise durch Frequenz des Publikumsverkehrs oder Präsenz im öffentlichen Raum.

Diese Überlegungen müssen die beteiligten Kommunen durchspielen, erläutert Anita Kaupert, Projektkoordinatorin bei der Energieagentur Rems-Murr. Denn auch wenn die Räder in Bezug auf Vandalismus und Diebstahl versichert sind, ist es wünschenswert, dass es gar nicht erst dazu kommt. Mit ihrem Kollegen Andreas Fritz erläutert sie beim Auftakt auch das Handling rund um den künftigen Verleih. „Lara to go“, wie es das Team griffig benamst hat, ist ein kreisweites Projekt. „Bei einer Umfrage, die am Anfang stand, haben sich junge Familien als zentrale Zielgruppe herausgestellt“, sagt Anita Kaupert. Die Räder werden in Backnang, Murrhardt, Allmersbach im Tal genauso wie in Welzheim, Waiblingen, Weinstadt und Kernen im Remstal verfügbar sein. Die Standorte sollen gut erreichbar und mit Blick auf den öffentlichen Nahverkehr möglichst eingebunden sein. Das ist für Jürgen Ehrmann von der ADFC-Ortsgruppe Backnanger Bucht ein wichtiger Punkt. Somit realisiert das Projekt Vor-Ort-Angebote im Sinne der sogenannten „letzten Meile“, sprich besagter kürzerer Strecken, die so umweltfreundlich zurückgelegt werden können. „Man kann die Kinder von der Kita abholen oder den Bierkasten ohne Probleme transportieren“, sagt er. Ungefähr 40 Prozent aller Autofahrten im ländlichen Raum sind unter fünf Kilometer lang und die Engagierten des ADFC im Kreis wie auch die Projektpartner hoffen, dass sich ein E-Lastenfahrrad in vielen Fällen als ökologische Alternative zum Zweitwagen (rund 25 Prozent der Haushalte in Baden-Württemberg), vielleicht sogar zum Erstwagen mausert. Für Ehrmann ist „Lara to go“ ein wichtiger Baustein, hinzu kommt, die Rahmenbedingungen fürs Fahrradfahren kontinuierlich zu verbessern, beispielsweise durchgehende und sichere Radwege zu schaffen. Ein Thema, an dem auch die Stadt Backnang dranbleiben wird, so Stefan Setzer.

Die E-Lastenräder lassen sich per Handy-App buchen

Projektpartner Das Lastenradprojekt läuft unter der Regie der Energieagentur Rems-Murr gemeinsam mit Kommunen im Rems-Murr-Kreis. Der Verleih der Räder verbindet eine nachhaltige Mobilität mit dem Ausbau der Fotovoltaik vor Ort. Der ADFC-Kreisverband Rems-Murr unterstützt bei den Auftaktveranstaltungen und bietet Trainings- und Testfahrten an wie bei der Premiere in Backnang. Dort stehen ab 1. Juni drei E-Lastenfahrräder zum Verleih bereit. Als weitere Kommunen mit von der Partie sind Allmersbach im Tal mit einem Lastenfahrrad (Anzahl in Klammer), Murrhardt (2), Welzheim (2), Waiblingen (5), Weinstadt (1) und Kernen im Remstal (2). „Lara to go“ wird vom Land Baden-Württemberg und der Europäischen Union gefördert. Von den Gesamtkosten von rund 264000 Euro werden etwa 220000 Euro übernommen. Die Einrichtung beziehungsweise der Betrieb der Standorte ist Part der Kommunen.

Zugang Das Leihen ist per Handy-App möglich. Links zum Programm (Moqo) finden sich unter www.laratogo.de. Nach der Registrierung lässt sich das Rad digital entriegeln und wieder verschließen, zusätzlich gibt es auch ein manuelles Schloss. Zwei Akkus à 500 Wattstunden sorgen dafür, dass auch bei mehreren Ausleihen nacheinander noch Puffer vorhanden ist. „Lara“ lässt sich für 1,20 Euro die Stunde oder für neun Euro pro Tag buchen.

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Erstellt:
27. Februar 2023, 06:00 Uhr

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