Kretschmanns Sohn bald im Bundestag?

Aus dem Ländle nach Berlin – „Da muss ich meinen Vater nicht um Rat fragen“

Johannes Kretschmann, Sohn von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, will für wenige Wochen in den Bundestag nachrücken. Der Tod seiner Parteikollegin trübt die Freude über den kurzen Ausflug von Sigmaringen nach Berlin.

Johannes Kretschmann (rechts) mit seinen Eltern, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und dessen Frau Gerlinde

© dpa/Felix Kästle

Johannes Kretschmann (rechts) mit seinen Eltern, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und dessen Frau Gerlinde

Von Florian Dürr

Dass Kandidaten von der Landesliste in den Bundestag nachrücken, ist eigentlich keine große Sache, das passiert in einer Legislaturperiode immer wieder. Doch heißt der Nachrücker Kretschmann, sieht das anders aus: Johannes Kretschmann, der Sohn von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (beide Grüne), will nun über eben jene Liste – kurz vor den vorgezogenen Wahlen am 23. Februar – noch den Sprung in den Bundestag schaffen. Nach eigenen Angaben übernimmt der 46-jährige Kommunalpolitiker den Platz der Bundestagsabgeordneten Stephanie Aeffner, die vor wenigen Tagen im Alter von 48 Jahren gestorben war.

Offiziell bestätigt ist das zwar noch nicht, doch die eigentlich vorgesehene Nachrückerin Margit Stumpp (Wahlkreis Aalen-Heidenheim) hat unserer Zeitung mitgeteilt, dass sie auf ihr Mandat verzichten wird. Einen Listenplatz hinter der Grünen-Politikerin folgt dann Johannes Kretschmann (Wahlkreis Zollernalb – Sigmaringen).

Herr Kretschmann, Sie wollen für wenige Wochen bis zur konstituierenden Sitzung Ende März in den Bundestag nachrücken. Die eigentlich vorgesehene Nachrückerin verzichtet auf das Mandat. Warum wagen Sie den Schritt – trotz der kurzen Dauer im Parlament?

Nach dem Amtsantritt des US-Präsidenten Donald Trump muss man damit rechnen, dass in der Ukraine Dinge passieren, die zu Verwerfungen führen. Es kann sein, dass Deutschland als wichtigster Geldgeber in Europa tätig werden muss. Und weil nach dem Bruch der Ampel-Koalition Mehrheiten im Bundestag fehlen, könnte es auf jede einzelne Stimme ankommen. Ich habe auch überlegt, ob ich das mache, aber ich bin zur Ansicht gelangt, dass es einen Wert hat. Da ich Freiberufler bin, kann ich meine Aufträge einfach nach hinten schieben. Wenn ich es nicht mache, macht es jemand anderes. Dass es jetzt auf den letzten Metern noch klappt, damit habe ich nicht gerechnet.

Der Platz in der Grünen-Fraktion im Bundestag wird frei, weil die Abgeordnete Stephanie Aeffner vor wenigen Tagen plötzlich gestorben ist. Kann unter diesen Umständen überhaupt so etwas wie Vorfreude aufkommen?

Das ist leider ein trauriger und schrecklicher Anlass – und wird deshalb auch in der Fraktion nicht als normaler Wechsel wahrgenommen. Meist ist das eher mit Freude verbunden, wie damals, als Danyal Bayaz Finanzminister in Baden-Württemberg wurde. Aber dieses Mal ist der Wechsel von Trauer und Verlust geprägt. Stephanie Aeffners Tod hat auch mich betroffen gemacht, sie ist viel zu früh gestorben. Sie hinterlässt eine Lücke, die ich nicht füllen kann. Ich habe sie zuletzt vor wenigen Wochen auf der Landesdelegiertenkonferenz gesehen, da war sie voller Kampfesmut, eine leidenschaftliche Politikerin.

Haben Sie auch Ihren Vater Winfried Kretschmann um Rat gefragt?

Nein, das kann ich ehrlich sagen: Mein Vater hat damit nichts zu tun, ihn brauche ich nicht fragen, ob ich in den Bundestag nachrücken sollte. Ich brauche für diese Entscheidung keinen Berater und musste auch nicht 1000 Gespräche führen.

Wie sieht jetzt der weitere Zeitplan aus?

Noch ist nicht der offizielle Ruf erklungen, aber am 27. Januar startet die Sitzungswoche mit Präsenzpflicht. Ich gehe davon aus, dass ich bis dahin Abgeordneter bin. Dann muss ich möglichst schnell innerhalb von wenigen Tagen arbeitsfähig werden. Normalerweise dauert die Einarbeitung viel länger, ich muss da jetzt im Schweinsgalopp durch. Aber ich habe schon einmal im Bundestag als Sachbearbeiter für eine neue Abgeordnete gearbeitet und kenne mich dort aus. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass ich da schnell reinwachsen kann. Aber natürlich werde ich auf Unterstützung angewiesen sein.

Nach dem kurzen Ausflug von Sigmaringen nach Berlin wird Ihre Zeit im Bundestag vorbei sein, bei der Wahl am 23. Februar kandidieren Sie nicht. Ziehen Sie sich dann aus der Politik zurück?

Wenn ich gewusst hätte, dass es so wie jetzt läuft, hätte ich die Entscheidung vermutlich anders getroffen. Aber ich habe keinen Sinn darin gesehen, dieses Mal zu kandidieren. Der Wahlkampf für die Bundestagswahl 2021 war wegen meines Nachnamens stark überhitzt mit großen Erwartungen und unverhältnismäßiger Aufmerksamkeit. Da konnte und wollte ich nicht dran anknüpfen. Aber ich ziehe mich nicht zurück, ich bleibe Kommunalpolitiker, bin Fraktionsvorsitzender im Kreistag und als Delegierter regelmäßig bei Parteitagen.

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Erstellt:
23. Januar 2025, 10:34 Uhr

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