Ausbau der Radinfrastruktur im Südwesten stockt noch
dpa/lsw Stuttgart. Deutlich mehr Menschen sollen in den kommenden Jahren in Baden-Württemberg regelmäßig mit dem Rad unterwegs sein. In der Frage, was es dazu braucht, sind sich die Akteure im Land einig. In diesem Jahr ging es trotzdem noch nicht so richtig voran.
Der Ausbau des Radverkehrs steht bei den Kommunen im Südwesten weit oben auf der Liste - und doch hat sich in diesem Jahr weniger getan als von Radverbänden und Regierung erhofft.
Die Richtung stimme, die Weichen seien gestellt, doch die Kommunen müssten beim Ausbau schneller werden, zeigte sich Gudrun Zühlke, Landesvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), überzeugt. Zudem sei es nun wichtig, Lücken im Radwegenetz zu schließen und eine nachhaltige finanzielle Förderung sicherzustellen. Das Ziel des Landes, den Anteil des Radverkehrs bis 2030 auf 20 Prozent zu erhöhen, hält Zühlke dennoch weiter für realistisch.
Wie groß das Interesse der Kommunen am Ausbau der Radinfrastruktur ist, zeigt sich beim Blick auf die nachgefragten Fördermittel. Diese haben sich in den vergangenen drei Jahren verdoppelt und betragen für die Jahre 2021 bis 2025 rund 500 Millionen Euro, wie ein Sprecher des Verkehrsministeriums mitteilte.
Doch auch im Ministerium zeigt man sich selbstkritisch. „Gemessen an den Zielen des Landes stehen wir erst am Anfang.“ Es seien deutlich steigende Anstrengungen aller Ebenen und hohe Investitionen in die Radinfrastruktur nötig, heißt es. Bei den meisten Kommunen ist der Ausbau der Radnetze laut Ministerium inzwischen ins Bewusstsein gerückt. Doch vielfach mangele es noch an der Umsetzung.
Auch aus Sicht des Städtetags ist die Lage in den Städten im Land noch sehr unterschiedlich, wie Verkehrsdezernentin Susanne Nusser sagte. Hervorzuheben seien etwa Heidelberg, aber auch Karlsruhe und Konstanz, die alle stark in den Ausbau ihrer Radnetze investiert hätten. Die Mittel zum Ausbau seien grundsätzlich da, sagte Nusser. Doch die Corona-Krise habe den Bau von Radwegen teurer gemacht und zugleich den Haushalt vieler Kommunen unter Druck gesetzt. Eine Lösung könnte aus Sicht des Städtetags deshalb sein, den vorgeschriebenen Eigenanteil der Kommunen bei der Förderung des Landes von bislang 50 Prozent herabzusetzen.
Bei einer Entwicklung sind sich die Akteure in Sachen Radpolitik aber einig: Der Anteil der Radler mit E-Bikes habe weiter zugenommen. Radfahrerinnen und Radfahrer mit Motorunterstützung fahren laut Städtetag längere Strecken und scheuen auch seltener Höhenunterschiede. Die Radschnellwege gewinnen dadurch an Bedeutung und auch die Kommunen hätten bei ihren Planungen bereits reagiert, sagte Verkehrsdezernentin Nusser.
Denn Gudrun Zühlke vom ADFC mahnt an, dass die Planer in den Kommunen künftig mit einer größeren Radinfrastruktur planen müssten. Diese sei heute oftmals zu klein und werde etwa Lastenrädern oder der schieren Anzahl an Radlern auf kleinen Verkehrsinseln nicht mehr gerecht. Beim Städtetag sieht man auch Nachholbedarf, was sichere Abstellmöglichkeiten etwa an Bahnhöfen anbelangt. Für viele komme das Rad nur für einen Teil des Weges zum Einsatz, man müsse deshalb stärker an die Anschlüsse zu anderen Verkehrswegen denken, sagte Städtetags-Dezernentin Nusser.
Die Liste der Aufgaben ist also noch lang - und das ist dem Land nach Angaben des Verkehrsministeriums durchaus bewusst. Es bedürfe in den kommenden Jahren eines noch größeren Engagements beim Ausbau der Radinfrastruktur, sagte ein Sprecher. So zeige etwa der ADFC-Fahrradindex bislang keine signifikante Verbesserung bei den Radverkehrsbedingungen. „Es gibt noch viel zu tun.“
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