Ausgespähte Patientendaten
Computer in Krankenhäusern sind oft nur unzureichend gegen Angriffe gesichert
München /DPA - Patientendaten, Diagnosen, Medikation – all das wird in Krankenhäusern schon lange nicht mehr per Hand in Papierakten geschrieben. Doch das ist längst nicht der einzige Bereich, in dem IT-Lösungen eine wichtige, wenn nicht gar entscheidende Rolle in einer Klinik spielen. So führen Chirurgen heute per Steuerkonsole die Bewegungen von OP-Robotern, Experten werden per Video zugeschaltet, Daten von Herzschrittmachern und Insulinpumpen per WLAN übertragen. Die Gefahr: Jedes IT-System ist angreifbar. Gerade im Krankenhaus kann dies fatale Folgen haben.
„Die Frage ist nie, ob bestimmte Ziele mal angegriffen werden, sondern wann“, sagt Wolfgang Hommel, Professor für IT-Sicherheit an der Universität der Bundeswehr München. „Wenn der Angreifer dadurch an Ressourcen kommt, die er verwenden kann, etwa um Lösegeld zu erpressen oder die befallenen Maschinen für andere Angriffe zu verwenden, wird er es machen.“ Letztlich geraten in Kliniken dadurch Menschenleben in Gefahr. Hommel koordiniert deshalb ein vom bayerischen Gesundheitsministerium gefördertes Projekt, das Musterlösungen für Krankenhäuser erarbeiten soll.
Denn was in vielen Unternehmen an Sicherheitsmaßnahmen selbstverständlich ist, geht im hektischen Klinikalltag oft genug unter: Passwörter kleben an Bildschirmen. Ärzte sperren den Computer nicht, wenn sie das Behandlungszimmer wechseln. Schwestern lassen Tablets auf ihren Wagen im Gang liegen, während sie im Zimmer einem Patienten helfen. Die Patienten wiederum bringen USB-Sticks mit Röntgenbildern mit, die ohne Zögern ausgelesen werden. Software-Updates? Später, aber nicht jetzt.
Dabei hatte eine schon 2017 veröffentlichte Studie der Unternehmensberatung Roland Berger ergeben, dass zwei Drittel aller Häuser Opfer eines Angriffs geworden waren. Mit teils gravierenden Folgen: geschlossene Notaufnahmen, verschobene Operationen, Botengänge statt Mausklicks.
Generell lassen sich die Auswirkungen eines Cyberangriffs in drei Kategorien unterteilen. Die Verfügbarkeit ist betroffen, wenn Systeme nicht mehr funktionieren. Aktuell ist das meist durch sogenannte Ransomware der Fall. Die Schadprogramme, die in der Regel über infizierte Mails verbreitet werden, können Rechner in einem Netzwerk verschlüsseln. Die Täter verlangen dann ein Lösegeld, um sie wieder zu entschlüsseln. Doch selbst wenn Lösegeld gezahlt wird, bleiben die Daten oft unbrauchbar.
Die Vertraulichkeit wird beschädigt, wenn Daten geklaut werden. Da geht es zum einen um Interna wie Gehaltsabrechnungen. Zum anderen geht es in Kliniken auch um hochsensible Patientendaten. „Diese Daten sind wertvoll, weil sie verkauft werden können. Für Versicherungen oder die Gesundheitsindustrie ist es interessant, viele Daten über Krankheitsfälle zu sammeln und sie zu analysieren“, erläutert Nabil Alsabah vom IT-Dachverband Bitkom. Zudem könne es nicht nur für Promis, sondern auch für Privatpersonen unangenehm werden, wenn die Krankengeschichte publik werde.
Die dritte Dimension ist die Integrität: Informationen können nicht nur ausgespäht, sondern auch manipuliert werden. Die Experten befürchten, dass Angreifer in die Systeme eingreifen und zum Beispiel die in der Patientenakte gespeicherte Medikation verändern könnten – „mit einem Schaden bis hin zum indirekten Mord, weil man etwas hinzufügt, was der Betroffene nicht verträgt“, wie Hommel schildert.
Bislang scheinen Krankenhäuser stets zufällig Opfer von Hackern geworden zu sein. Noch sei kein einziger Fall bekannt, bei dem Kliniken gezielt angegriffen worden seien, berichtet Thorsten Schütz, Vorstandsmitglied im Bundesverband der Krankenhaus-IT-Leiterinnen/Leiter. Doch es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sie es versuchen.