Corona-Pandemie

BND hält seit 2020 Laborunfall als Auslöser für wahrscheinlich

Der Bundesnachrichtendienst führt die Corona-Pandemie laut Medienberichten auf einen Laborunfall in China zurück. Altkanzlerin Angela Merkel schweigt dazu.

Die Maske war während der Pandemie allgegenwärtig.  (Archivbild).

© dpa/Waltraud Grubitzsch

Die Maske war während der Pandemie allgegenwärtig. (Archivbild).

Von red/AFP/dpa

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hält es offenbar seit 2020 für wahrscheinlich, dass ein Laborunfall im chinesischen Wuhan die weltweite Corona-Pandemie ausgelöst hat. Das zeigen Informationen der  „Süddeutscher Zeitung“ und der „Zeit“. Grundlage der Bewertung des Auslandsgeheimdienstes waren neben einer Analyse öffentlicher Daten vor allem Material, das im Rahmen einer nachrichtendienstlichen Operation mit dem Codenamen „Saaremaa“ beschafft wurde, wie die beiden Medien am Mittwoch berichteten.

Dabei handelt es sich den Berichten zufolge unter anderem um wissenschaftliche Daten aus chinesischen Forschungseinrichtungen – darunter dem „Wuhan Institut für Virologie“, einer der führenden chinesischen Einrichtungen für Viren-Forschung. Neben Hinweisen auf riskante Experimente, bei denen in der Natur vorkommende Viren künstlich verändert wurden, soll das Material auch zahlreiche Verstöße gegen Vorschriften für die Labor-Sicherheit nachweisen. 

Kanzleramt unter Angela Merkel erteilte Auftrag

Den Auftrag, die Herkunft des neuartigen SARS-CoV-2-Virus zu untersuchen, hatte demnach das Kanzleramt erteilt. Noch in der Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unterrichtete BND-Präsident Bruno Kahl persönlich das Kanzleramt über die nachrichtendienstliche Operation und die Bewertung des Dienstes. 

Die Labor-These wurde mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 bis 95 Prozent bewertet, wie „Zeit“ und „SZ“ berichteten. Das Kanzleramt habe entschieden, die brisante Einschätzung unter Verschluss zu halten. Altkanzlerin Merkel wollte sich auf Anfrage der Medien nicht dazu äußern, ob sie von dem Vorgang Kenntnis erhielt. Der damalige Kanzleramtsminister Helge Braun und der für die Nachrichtendienste zuständige Staatssekretär, Johannes Geismann, wollten sich demnach ebenfalls nicht äußern. 

Nach Regierungswechsel: Kanzleramt informiert

Direkt nach dem Regierungswechsel von Merkel zu Olaf Scholz (SPD) habe BND-Chef Kahl das Kanzleramt erneut informiert. Das für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages sei hingegen nicht unterrichtet worden, ebenso wenig wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO). 

Ende vergangenen Jahres entschied die Bundesregierung dem Bericht zufolge, externe Experten mit der Überprüfung der BND-Erkenntnisse zu beauftragten. Seit dem vergangenen Dezember prüfen demnach im Auftrag des Kanzleramts hochrangige externe Wissenschaftler die Validität der BND-Erkenntnisse. Zu der Gruppe gehörten der Präsident des Robert-Koch-Institutes, Lars Schade und der Berliner Virologe Christian Drosten. Ein abschließendes Ergebnis liege noch nicht vor. 

Herkunft des Virus bis heute ein Rätsel

Auf einen detaillierten Fragenkatalog erklärte ein Regierungssprecher gegenüber den Medien: „Zu nachrichtendienstlichen Angelegenheiten nehmen wir grundsätzlich öffentlich nicht Stellung.“ Auch der BND äußert sich nicht. 

Die Frage der Herkunft des Virus ist bis heute ein Rätsel. Die Aufklärung wird erschwert, weil die chinesische Regierung Untersuchungen der WHO blockiert. Diese hat bereits vor Jahren alle Staaten aufgerufen, ihr zur Verfügung stehende Informationen zur Verfügung zu stellen.

Zwei Theorien – kein Beweis

Der Laborthese zufolge stammt das Sars-CoV-2-Virus aus einem chinesischen Biolabor, dem Wuhan Institute of Virology, an dem unter anderem an Coronaviren geforscht wird. Die zweite Theorie ist, dass das Virus wie auch schon das der Sars-Epidemie von 2002/2003 einen natürlichen Ursprung hatte.

Nicht alle an der BND-Runde beteiligten Forscher seien gleichermaßen überzeugt, dass das Virus eindeutig aus dem Labor kommt, hieß es bei der „Neuen Zürcher Zeitung“. Einige sähen die Wahrscheinlichkeit einer menschengemachten Pandemie aus dem Institut stetig wachsen, wollten sich aber bislang noch nicht festlegen. Eine Reaktion der Bundesregierung auf die Medienberichte gab es zunächst nicht.

Einschätzungen auch politisch motiviert

Der neue Direktor des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, John Ratcliffe, hatte im Januar als eine seiner ersten Amtshandlungen die Einschätzung seiner Behörde zum Ursprung des Coronavirus geändert. Ein forschungsbedingter Ursprung der Covid-19-Pandemie sei auf der Grundlage der verfügbaren Berichte wahrscheinlicher als ein natürlicher Ursprung, hieß es. Die Unsicherheiten bei dieser Einschätzung seien aber groß, an der Untersuchung des Ursprungs werde weiter gearbeitet.

Zuvor hatte die CIA die Position vertreten, dass es keine ausreichenden Informationen für eine Beurteilung dazu gibt, ob das Virus von einem Tier auf den Menschen übergesprungen ist oder auf eine Panne in einem chinesischen Labor zurückgeht. Ratcliffe hatte bereits in der Vergangenheit die Labortheorie vertreten und Peking vorgeworfen, den Ursprung des Virus zu verschleiern.

Viele Virologen halten den natürlichen Ursprung für wahrscheinlicher

Ein Argument von Befürwortern der Laborthese ist, dass China andernfalls längst wissenschaftliche Belege für den natürlichen Ursprung des Virus hätte liefern können und müssen. „Chinesische Wissenschaftler haben dafür alle technischen Möglichkeiten“, hatte der Virologe Christian Drosten im Januar der Zeitung „taz“ gesagt. Er habe solche Studien auch erwartet - gekommen seien sie aber nicht. Je mehr Zeit vergehe, desto skeptischer werde er. „Verbietet die Staatsräson, dass daran gearbeitet wird? Mag sein. Die andere Erklärung wäre aber, dass da gar kein natürliches Virus war.“

Derzeit hält Drosten aber einen natürlichen Ursprung von Sars-CoV-2 immer noch für wahrscheinlich - „und das nehmen auch fast alle Wissenschaftler an, die mit dem Thema befasst sind“. Aufgrund der aktuell zur Verfügung stehenden - wenn auch schwachen - Datenlage sei anzunehmen, dass die Übertragung auf den Menschen über Zwischenwirte zum Beispiel auf Tierfarmen stattgefunden habe, sagte Fabian Leendertz, Direktor des Helmholtz Institute for One Health in Greifswald, der Nachrichtenagentur dpa.

Letztlich fehle aber weiterhin ein Beweis, so Drosten, für den natürlichen Ursprung genauso wie für den Laborursprung.

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Erstellt:
12. März 2025, 14:14 Uhr
Aktualisiert:
12. März 2025, 14:19 Uhr

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