Ausnahmezustand im Wieslauftal: Wasser spült Autos davon
Nie gemessene Pegelstände an der Wieslauf kosten zwei Menschen in Miedelsbach das Leben. Das Starkregenereignis von Sonntagnacht führt zu einem Hochwasser mit Jahrhundertdimension.
Von Andreas Ziegele
Rems-Murr. Das Schlimmste schien am Sonntagabend bereits überstanden. Doch in der Nacht auf Montag kam es dann zu einer Zuspitzung der Lage, die so niemand erwartet hatte. Zuvor hatte es am Abend eine Unwetterwarnung gegeben. Gewarnt wurde vor schweren Gewittern mit Starkregen, die dann den Welzheimer Wald und vor allem das Wieslauftal trafen.
Um Mitternacht erreichte die Wieslauf einen Pegelstand von 3,57 Meter und war damit in Rekordgeschwindigkeit gestiegen. Denn um 21 Uhr hatte der Pegelstand noch 1,20 Meter betragen. Der an dieser Messstelle bereits überschrittene HW100-Wert, der ein Hochwasser beschreibt, das statistisch gesehen nur einmal in hundert Jahren vorkommt, liegt bei 3,16 Meter. Die Folge waren schwimmende Autos, das Wasser machte aus den Straßen in Rudersberg, Oberndorf und Michelau reißende Sturzbäche. Zum Teil waren Hilfesuchende nur mit Booten zu erreichen. Um kurz nach 3 Uhr morgens sollte die Wieslauf ihren Höchststand erreichen mit schockierenden 5,03 Metern. Das hatte dann auch Konsequenzen für das Remstal. Der Flusspegel an der Messstelle in Schorndorf stieg gegen 5 Uhr morgens bis auf 5,64 Meter und damit weit über die historischen Höchststände aus den Jahren 1947 und 2011.
Zwei Tote aus Keller geborgen
Die heftigen Überschwemmungen haben in Miedelsbach zwei Todesopfer gefordert, die von der Feuerwehr geborgen wurden. Das wurde am Nachmittag auf einer Pressekonferenz in Rudersberg bekannt gegeben. Beim Abpumpen eines vollgelaufenen Kellers in der Mühlstraße fanden Feuerwehrleute zwei Tote. „Bei den Verstorbenen handelt es sich um eine Frau (84) und ihren 58-jährigen Sohn“, teilte die Polizei mit.
Der Ortsvorsteher von Miedelsbach, Thomas Rösch, zeigte sich schockiert: „Es ist verheerend“, fasst er das Ausmaß dieser Nacht zusammen. Weiter wurde auf der Pressekonferenz berichtet, dass in der Nacht drei Feuerwehrfahrzeuge verschwunden waren. Alle sieben Abteilungen der Feuerwehr waren ausgerückt, aber nur ein Fahrzeug sei angekommen, alle anderen seien auf dem Weg in den Wassermassen stecken geblieben. „Im wahrsten Sinne des Wortes sind sie abgesoffen“, sagte Schorndorfs OB Bernd Hornikel. Die Einsatzkräfte hätten sich auf das Fahrzeugdach flüchten müssen, um von dort gerettet zu werden. „Das Gemeine daran ist“, so Hornikel, „dass man zunächst entspannt in den Abend gegangen ist, die Lage dann aber innerhalb von Minuten eskaliert ist.“ Zur Unterstützung schickte die Stadt Schorndorf etliche Hilfsfahrzeuge nach Rudersberg.
Brauner Schlamm auf den Straßen
Auf den Straßen wurde am gestrigen Montag nach der Schreckensnacht links und rechts geschaufelt. In den Ortsdurchfahrten der Gemeinden, dort wo nicht gesperrt ist, geht es langsam voran. Die Durchgangsstraßen sind mit einer braunen Schlammschicht bedeckt und es liegt ein unangenehmer Geruch in der Luft. Überall sind Anwohner zu sehen, die ihre Häuser von Unrat aller Art befreien und am Straßenrand stapeln. Noch immer stehen Autos am Straßenrand, die in der Nacht vom Wasser davongetragen wurden.
Am Nachmittag gab es dann vom Rudersberger Bürgermeister Raimon Ahrens im Rahmen einer Pressekonferenz ein Statement. „Es liegt eine düstere Nacht hinter unserer Gemeinde, die wir so noch nie erlebt haben“, so Ahrens, dem man ansieht, dass er selbst in dieser Nacht nicht zur Ruhe gekommen ist. Ahrens war ab 21 Uhr am Hochwasserdamm in Oberndorf. „Die Wassermassen kamen in einer Geschwindigkeit, dass relativ schnell klar war, dass es darum ging, das Schlimmste zu verhindern“, so der Bürgermeister weiter. Ahrens meinte hier das Einbrechen des Dammes, was noch schlimmere Folgen gehabt hätte. Landrat Richard Sigel war zur Pressekonferenz ebenfalls vor Ort.
Trinkwasser muss abgekocht werden
Aufgrund der enormen Wassermassen kam es unter anderem zu Beschädigungen von Trinkwasserleitungen in der Gesamtgemeinde Rudersberg. Alle Bürger wurden zum Sparen von Leitungswasser aufgefordert und die Gemeinde hat ein Abkochgebot für Trinkwasser erlassen.
Das Ausmaß der materiellen Schäden ist derzeit noch nicht zu beziffern. Am heutigen Dienstag bleiben die Schulen und Kindergärten auch weiterhin geschlossen und die Aufräumarbeiten werden mit großer Intensität fortgesetzt.
Straßen Das Landratsamt Rems-Murr-Kreis hat am Montagnachmittag bekannt gegeben, welche Straßen noch gesperrt sind, meistens wegen Erdrutschungen. Aktuelle Infos gibt es unter www.rems-murr-kreis.de.
L1140 Schwaikheimer Straße
K1902 Murrhardt bis Grab
L1150 Kaisersbach bis Kirchenkirnberg
L1080 Kaisersbach bis Schadberg
L1140 Steinach bis Hößlinswart
K1916 Oppelsbohm bis Birkenweißbuch
K1873 Oppelsbohm bis Vorderweißbuch
K1876 Michelau bis Krehwinkel
L1080 Rettichkreisel bis Rudersberg
L1148 Rudersberg bis Schlechtbach
K1883 Oberndorf bis Lutzenberg
L1080 Oberndorf bis Klaffenbach
L1119 Althütte bis Klaffenbach
L1080 Klaffenbach bis Welzheim
Wieslaufbahn Das Landratsamt informiert außerdem darüber, dass die Wieslauftalbahn zwischen Schorndorf und Rudersberg vermutlich für einige Wochen ausfallen wird. Die Wagenhalle in Rudersberg stand rund anderthalb Meter unter Wasser, die Tore sind beschädigt und die Halle weist erhebliche Flutschäden auf. Die Gleisbette und zumindest eine Weiche sind unterspült worden. Schäden an den Fahrzeugen sind noch nicht absehbar. Ein Schienenersatzverkehr soll eingerichtet werden, das kann jedoch einige Tage dauern, da noch nicht klar ist, wann die Straßen im Raum Rudersberg wieder befahrbar sind und der Linienbusverkehr wieder aufgenommen werden kann. Fahrgäste können sich über die App oder Homepage des VVS informieren.