Autofahrer beleidigt zwei Polizistinnen bei Kontrolle

Der 58-jährige Angeklagte muss eine Strafe bezahlen und trägt die Kosten des Verfahrens, entscheidet das Amtsgericht Backnang.

Der Angeklagte war nicht zum ersten Mal im Amtsgericht Backnang. Archivfoto: Edgar Layher

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Der Angeklagte war nicht zum ersten Mal im Amtsgericht Backnang. Archivfoto: Edgar Layher

Von Jutta Rieger-Ehrmann

Backnang. Ein 58-jähriger Angeklagter ist nur knapp einer Freiheitsstrafe entgangen, weil er zwei Polizistinnen beleidigt hat. Bei der Verhandlung am Amtsgericht Backnang ging es um einen Einspruch gegen einen Strafbefehl. Der Angeklagte hat bereits eine lange Liste von Vorstrafen – auch Haftstrafen –, unter anderem wegen Urkundenfälschung, Betrug und Körperverletzung. Zuletzt stand er im Oktober 2022 vor dem Amtsgericht. Nichtsdestoweniger lautete das Urteil: 90 Tagessätze à zehn Euro und die Übernahme der Kosten des Verfahrens.

Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, bei einer Verkehrskontrolle im Januar dieses Jahres in einer Backnanger Umlandgemeinde zwei Polizeibeamtinnen derb angesprochen zu haben. Konkret ging es um das sogenannte Götz-Zitat („Leck mich am...“)

Wie kam es dazu? Er sei an dem Tag mit dem Auto auf der Ortsdurchfahrt in einer längeren Fahrzeugkolonne unterwegs gewesen, dann aber von einem Polizeibus mit Blaulicht und Sirene gestoppt worden, erläuterte der 58-Jährige. Man beschuldigte ihn, mit einem weißen (so steht es im Polizeibericht) Handy telefoniert zu haben – eine Ordnungswidrigkeit. Auf seine Beteuerung, dass er kein Handy dabei gehabt habe und es sich um einen weißen Taschenkalender gehandelt habe, sowie sein Angebot, ihn und sein Auto zu durchsuchen, sei nicht eingegangen worden.

Da er keine Fahrzeugpapiere mit sich führte, wurde eine Datenbankabfrage durchgeführt. Anschließend habe sich der Ton der Polizeibeamtinnen deutlich verschärft. Man ließ ihn nicht aussteigen, er sollte die Hände ans Steuer legen, wurde er angewiesen. Zwei Kollegen der Polizistinnen sicherten derweil das Fahrzeug.

Zeitweise wähnte man sich in einer Sitzung des Mundartvereins

Aufgrund der aus seiner Sicht hilflosen Lage habe er vor sich hin und zu sich selbst gesagt: „Leck mich am..., wie soll ich mich jetzt noch wehren?“, führte der Angeklagte aus. Danach ging er auf den Gebrauch dieses Ausdrucks im schwäbischen Dialekt ein. Zeitweise wähnte man sich in einer Sitzung des Mundartvereins oder der Gesellschaft für deutsche Sprache. Doch bei einem Beleidigungsvorwurf kommt es nun mal auf jedes Wort an. Im Wesentlichen ging es um die Fragen: Ist die Redensart im Schwäbischen derart verbreitet und wird auch als Ausdruck der Überraschung gebraucht? Hat der Angeklagte zu sich selbst gesprochen oder das Wort an die Beamtinnen gerichtet?

Letzteres sagten die beiden Polizistinnen im Zeugenstand aus. Der Angeklagte sei von Anfang an unkooperativ gewesen, so die Beamtinnen, habe keine Papiere bei sich gehabt und dann auch noch die Beleidigung ausgesprochen. Die Unterschrift unter das entsprechende Formular habe er verweigert. An den genauen Ablauf konnten die zwei Polizistinnen sich nicht mehr erinnern.

Bilder von den Örtlichkeiten, die der Angeklagte aufgenommen hatte, wurden in Augenschein genommen. Warum die Polizistinnen keine Durchsuchung durchgeführt hatten, wurde nicht ganz klar. Sie dürften das bei einer Ordnungswidrigkeit gar nicht, sagten sie. Dem widersprach der Anwalt des Angeklagten – wenn dies von einem Beschuldigten angeboten werde, sei dies durchaus möglich und angezeigt.

Der Staatsanwalt forderte eine viermonatige Freiheitsstrafe ohne Bewährung

Der 58-Jährige reagierte recht emotional auf die Zeugenaussagen und sprach von „destruktiver Sauerei“ und „provozierter Sch...“. Ungewöhnlich war, dass Anwalt und Angeklagter häufig flüsterten und sich teilweise amüsiert zeigten. Zu seinen persönlichen Verhältnissen machte Letzterer nur wenige Angaben, diese seien dem Gericht ja auch bekannt, sagte er. Nach vielen Jahren in Heimen war er adoptiert worden. Die Folgen zweier schwerer Motorradunfälle zwangen ihn dazu, mehrfach den Beruf zu wechseln. Inzwischen ist er arbeitsunfähig. Er ist geschieden und hat eine Tochter.

In seinem Plädoyer forderte der Staatsanwalt eine viermonatige Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Gegen den Angeklagten sprächen die zahlreichen Vorstrafen. Auch könne er keine positive Prognose erkennen. Die Vorgeschichte im Zusammenhang mit der Ordnungswidrigkeit spiele keine Rolle, die Beleidigungen seien erwiesen. Es sei „kein salopper Ausspruch“ gewesen und man könne mit Folklore nicht alles erklären und kleinreden. Wenig überraschend war, dass der Rechtsbeistand des 58-Jährigen eine andere Sicht der Dinge hatte. Eine Einspruchsrücknahme käme nicht in Frage. Aufgrund der offenen Fragen, etwa im Hinblick auf die nicht stattgefundene Durchsuchung, forderte er den Freispruch für seinen Mandanten. „Das hätte mir genauso passieren können“, so der Anwalt. Der Angeklagte schloss sich dessen Ausführungen an.

Nach einer kurzen Unterbrechung sprach der Richter das Urteil: 90 Tagessätze à zehn Euro. Es sei augenscheinlich zu den Beleidigungen gekommen. Ungeklärt blieb die Frage, ob der Angeklagte am Steuer telefoniert hatte oder einen Taschenkalender in der Hand hielt. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gegen das Urteil können Rechtsmittel eingelegt werden.

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Erstellt:
11. Juli 2023, 06:00 Uhr

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