B-14-Anwohner fordern Verbot für Motorräder

An einem Wochenendtag können sie nur selten in Ruhe entspannen: In Großerlach und Spiegelberg sind die Anwohner die lärmenden und riskanten Motorradfahrer leid. Sie wünschen sich Fahrverbote am Wochenende, intensivere Polizeikontrollen und eine Halterhaftung.

Am Wochenende sind die Motorradfahrer zuhauf auf der B14 zwischen Sulzbach und Großerlach, auf der L1066 zwischen Sulzbach und Spiegelberg sowie auf der L1150 südlich von Welzheim unterwegs. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Am Wochenende sind die Motorradfahrer zuhauf auf der B14 zwischen Sulzbach und Großerlach, auf der L1066 zwischen Sulzbach und Spiegelberg sowie auf der L1150 südlich von Welzheim unterwegs. Foto: Tobias Sellmaier

Von Anja La Roche

Großerlach/Spiegelberg. Es ist ruhig im Garten der Familie in Großerlach. Angenehm ruhig, um an einem sonnigen Samstag im Garten zu entspannen. Schnell kristallisiert sich heraus: Der heutige Tag ist denkbar schlecht, um sich einmal vor Ort anzuhören, welchem Lärm die Anwohner normalerweise ausgesetzt sind. An der Aral-Tankstelle in Sulzbach an der Murr wird klar, warum das so ist. Von einer Polizeikontrolle in Zivil berichtet ein 26-jähriger Motorradfahrer, der gerade Pause macht. Der Stuttgarter ist wie so viele bei dem perfekten Wetter hier rausgefahren, um die schönen, kurvigen Strecken durch die Wälder zu genießen.

Mit ihm findet sich zeitweise mehr als ein Dutzend weiterer Biker an der Tankstelle ein, die meisten aus der Ecke Heilbronn. Es ist also wieder ordentlich was los. Aber eine Polizeikontrolle, die spricht sich in den sozialen Netzwerken schnell herum. Die Motorradfahrer umfahren dann einfach die betroffene Strecke. Die Polizei gibt später bekannt, dass sie am Samstag und Sonntag an der Sulzbacher Steige insgesamt 22 Motorradfahrer erwischt hat, die zu schnell gefahren sind – einer davon mit 215 Stundenkilometern.

Angst vor Unfällen und Lärm

Für die Großerlacher ist das ruhige Wochenende zwar ein Segen, aber das Problem bleibt. „Wenn wir Besuch haben, können wir nicht draußen sitzen“, beschwert sich eine ältere Anwohnerin über den Lärm. „Wir trauen uns kaum, am Wochenende nach Sulzbach zu fahren“, sagt ihr Ehemann. Die vielen Raser, die mit ihren Zweirädern rauf- und runterheizen, sich tief in die Kurven legen und bei durchgezogener Mittellinie überholen, machen besonders den älteren Bewohnern Angst. Sie haben Angst davor, mit ihrem Auto nach Sulzbach zu fahren, um dort beispielsweise einkaufen zu gehen. Eine weitere Nachbarin sagt: „Wenn wir alle fünf abends da sind, sind wir froh.“ Dabei seien nicht alle Motorradfahrer problematisch, sondern insbesondere die Gruppen, die 20-mal hintereinander auf der Sulzbacher Steige hin- und herfahren und die Bushaltestelle als Wendeplattform nutzen; viele Fahrer modifizieren ihre Maschinen zudem so, dass sie extra laut sind.

Ihren Namen nennen wollen die Anwohner in dem Ort nicht, denn eine Bikergruppe habe sie sogar schon einmal bedroht. Und noch etwas stört sie. Wenn vor ihrem Haus Motorradfahrer verunglücken, ist es an ihnen, Ersthilfe zu leisten – eine Situation, der sich mit Sicherheit keiner freiwillig aussetzen möchte.

In Vorderbüchelberg (Gemeinde Spiegelberg) ist immerhin Tempo 30 auf der Ortsdurchfahrt vorgegeben, doch daran halten sich nicht alle und auch dort ist der Lärm ein Dauerproblem. Es seien immer die gleichen auffälligen Fahrer, „die jungen Wilden“, nennt sie Cora Ritter. Manche würden absichtlich Fehlzündungen provozieren. „Ich weiß von vielen älteren Leuten, dass die sich am Wochenende nicht mehr trauen, zu fahren“, berichtet auch Ritter.

Bereits 2007 berichtete die Backnanger Kreiszeitung von dem Problem mit den Motorradtouristen auf der Sulzbacher Steige oder rund um den Ebnisee: „Viele Unfälle dokumentieren an jedem Wochenende gefährlich-riskantes und belästigendes Rennfahren“, heißt es in einem Bericht. Anwohner seien ob des Lärms verzweifelt, denn niemand nehme sich des Problems an, wurde Reinhard Muth, damaliger Kreisvorsitzender des BUND, zitiert.

Und trotz runder Tische mit den Verantwortlichen, trotz herabgesetzter Geschwindigkeitsbegrenzungen, trotz Schilder und Rüttelstreifen, trotz des Beitretens der Initiative gegen Lärm ist das Problem in den vergangenen Jahren nicht wirklich besser geworden. „Es ist überhaupt nichts passiert“, finden die versammelten Nachbarn. Noch besser: Die teuren Rüttelstreifen scheinen sogar den Fahrspaß der Biker zu fördern. „Für die Motorradfahrer ist das sogar sehr hilfreich“, erklärt ein Motorradfahrer, der auch an der Tankstelle in Sulzbach anzutreffen ist. Die Streifen würden eher dabei helfen, rechtzeitig vor der Biegung zu bremsen, um die Kurve möglichst schnell anzufahren.

Das fordern die Anwohner

Doch auf was hoffen die Anwohner? Mit dem Lärm und dem hohen Unfallrisiko vor ihrer Haustür abgefunden haben sich die Großerlacher und Spiegelberger jedenfalls nicht. „Ein Fahrverbot für Zweiräder am Wochenende wäre dringend notwendig“, fordern die Anwohner. Die Nachbarn in Großerlach sehen die Polizei zudem in der Pflicht, mehr zu tun. Mehr Kontrollen an ihrem Ortseingang, für den sich die Polizei kaum interessiere, verdeckte Laserkontrollen, Streckenradarmessungen. „Mehr kontrollieren, mehr Strafen“, fordert auch Carola Kugler aus Vorderbüchelberg.

Zudem wünschen sich die betroffenen Anwohner eine Halterhaftung für Motorradeigentümer. Das Aufschreiben von Nummernschildern bei Verstößen oder simple Radarkontrollen, ohne die Fahrer aus dem Verkehr zu ziehen, bringen nichts. Denn eine rechtlich gesicherte Identifikation der fahrenden Person kann bei Motorradfahrern aufgrund des Schutzhelms nicht gewährleistet werden. Die Besitzer der Motorräder können im Zweifel also immer behaupten, dass sie nicht selbst gefahren sind.

Auch Markierungsnägel auf dem Mittelstreifen oder Rollsplit auf den Straßen nennen die Anwohner als Maßnahmen, die sie sich vorstellen können, um gegen die lauten und riskanten Fahrer vorzugehen. Das Einsetzen von Markierungsnägeln fordern nun auch die Sulzbacher Bürgermeisterin und der Großerlacher Bürgermeister und Altbürgermeister in einem Schreiben an den Landrat.

Das sagt die Polizei

Das zuständige Polizeipräsidium Aalen jedenfalls sieht seine Kapazitäten hinsichtlich der Kontrollen ausgeschöpft. Seit 2018 setzt es ein neues Konzept vom Landesinnenministerium um, mit dem die Verkehrsunfallzahlen unter Beteiligung von Motorrädern reduziert werden sollen. „Selbst im Vergleich zu weiteren Schwerpunktstrecken ist die Kontrollhäufigkeit an der Sulzbacher Steige sehr hoch“, teilt der Pressesprecher Robert Kauer mit. Noch mehr Kontrollen seien nicht möglich, ohne andere Schwerpunktstrecken weniger zu beachten.

Weiter keine Streckenmessungen

Die Sache mit den Streckenradarmessungen, auch als Section Control bezeichnet, ist allerdings nicht so einfach. Die rechtlichen Voraussetzungen in Baden-Württemberg müssten erst vom Innenministerium geschaffen werden, damit die Polizei solche Durchschnittsgeschwindigkeitsmessungen über längere Strecken hinweg durchführen dürfte. Damit das passiert, haben sich im Februar die Kommunen Großerlach, Spiegelberg und Sulzbach an der Murr gemeinsam mit der Kreisverwaltung an den Innenminister Thomas Strobl gewandt. Im März erhielten sie die Antwort aus dem Ministerium.

„Bei der Section Control bestehen derzeit nicht nur technische, sondern auch rechtliche Problemstellungen, die einem Einsatz entgegenstehen“, teilt ein Sprecher aus dem Innenministerium mit. „In diesem Zusammenhang kommt erschwerend hinzu, dass nach unserem Kenntnisstand derzeit kein System auf dem Markt verfügbar ist, das für einen Einsatz in Deutschland infrage kommt, und auch kein Hersteller einem solchen Vorhaben nachgeht.“ Deshalb sei eine Anpassung der Rechtsgrundlage nicht geplant.

Fahrverbot schwierig umzusetzen

Einzelne Strecken für Motorradfahrer zu sperren, ist in Deutschland möglich, wenn andere, geringere Eingriffe erfolglos waren. Die rechtliche Grundlage dafür sei allerdings vor allem bei sehr hohen Unfallzahlen gegeben, erklärt Michael Wilczynski vom Bundesverband der Motorradfahrer. Aus Lärmgründen sei es hingegen schwierig, eine Straße für Krafträder zu verbieten. „Vom Lärm wird immer der Durchschnitt genommen“, erklärt er. Und der Durchschnitt der Lärmwerte, die über einen längeren Zeitraum gemessen werden, falle nun mal nicht so hoch aus, denn die Motorradfahrer sind meistens nur zu bestimmten Zeiten unterwegs, nämlich wenn das Wetter stimmt und Wochenende ist. „An der Sulzbacher Steige wird eine Streckensperrung rechtlich sehr schwierig sein“, sagt Wilczynski. Er könne das Anliegen der Anwohner aber durchaus verstehen. Im Rems-Murr-Kreis gibt es bislang noch kein Fahrverbot für Motorräder.

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Erstellt:
31. Mai 2024, 06:00 Uhr

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