Backnanger greift Mutter an: Vor Messerangriff hört er Gottesbefehl

Beim abendlichen Teekochen hat ein 23-jähriger Backnanger ein Küchenmesser aus dem Messerblock gezogen und seine Mutter verletzt.

Ein Backnanger muss sich vor dem Landgericht verantworten. Er hatte seine Mutter mit einem Messer angegriffen. Symbolfoto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Ein Backnanger muss sich vor dem Landgericht verantworten. Er hatte seine Mutter mit einem Messer angegriffen. Symbolfoto: Alexander Becher

Von Heike Rommel

Backnang. Der 23-jährige Mann, der seine Mutter in Backnang mit einem Küchenmesser am Hals verletzt hat (wir berichteten), hat am zweiten Verhandlungstag vor dem Stuttgarter Landgericht auf sein Recht zu schweigen verzichtet. Er wollte sprechen über das, was im Elternhaus passiert ist, und öffnete sich auch gegenüber Udo Frank, einem forensischen Facharzt aus dem Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Südwürttemberg, wo er vorübergehend untergebracht ist.

Wie konnte es im Haus der Backnanger Familie so weit kommen, dass der 23-jährige Sohn, welcher sich am 3. März dieses Jahres gegen 22.30 Uhr noch Tee kochen wollte, seine 48-jährige Mutter mit einem der Küchenmesser am Hals verletzte?

Seit er im ZfP Südwürttemberg sei, ginge es ihm besser, zeigte sich der Angeklagte mithilfe seines Verteidigers, Daniel Grau aus Waiblingen, am zweiten Prozesstag zu Angaben bereit. Seinen Zustand zur Tatzeit schilderte er als depressiv, aufgrund seines schon länger andauernden Cannabiskonsums. „Ich habe Stimmen gehört, aber es war keiner da“, schilderte er auf Befragung des Vorsitzenden Richters, Volker Peterke, wie es ihm vor der Tat ging. Anfangs hätten bekannte Stimmen immer nur über ihn geschimpft, so nach dem Motto, er sei zu nichts zu gebrauchen und würde nichts auf die Reihe bekommen. Schließlich sei es eine fremde Stimme gewesen, die ihm befohlen habe, „für Gott meine Mutter zu verletzen, ansonsten würde ich qualvoll sterben“.

Seine Eltern, die ihn zuvor schon einer Psychologin vorgestellt hatten, hätten nicht wissen können, dass er seine Medikamente abgesetzt hat. „Ich sah keinen anderen Ausweg mehr“, beschrieb der Angeklagte die Situation in der Küche am Tatabend. „Ich bin zu meiner Mutter hin und habe ihr einen Schnitt verpasst“, schilderte der 23-Jährige, wie er darauf reagiert hat, dass ihm die Mutter in die Küche hinterherkam und fragte, warum er noch nicht im Bett sei.

Der Vater hat seinen Sohnin sein Zimmer eingesperrt

Danach kam der Vater und habe ihn in sein Zimmer eingesperrt, berichtete der 23-Jährige. Plötzlich sei die Polizei vor dem Haus gewesen und habe gerufen, er solle das Messer aus seinem Zimmer im ersten Stock rauswerfen. „Was meine Eltern dann gemacht haben, weiß ich nicht“, erinnerte sich der Beschuldigte daran, wie er von Polizisten abtransportiert wurde.

Allzu schlimm sei es nicht gewesen, so meinte die Mutter im Zeugenstand zur angeklagten gefährlichen Körperverletzung an ihr. „Ein Kratzer eben“ und sie hätte nach einer ambulanten Behandlung in einem Krankenhaus, wo die Wunde genäht wurde, gleich wieder nach Hause gehen dürfen. Sie erzählte, wie sie die Tat erlebt hat: „Er machte die Tür meines Schlafzimmers auf und fragte, ob ich schon eingeschlafen bin“, erzählte sie. Sie habe das Gefühl gehabt, ihr Sohn habe Angst vor ihr, und einfach gesagt, er solle ins Bett gehen. „Warum bist du nicht schlafen gegangen?“, habe sie gefragt und sei ihrem Sohn in die Küche gefolgt. Der Sohn habe dort ohne Licht Wasser gekocht. Dann habe dieser „so ein Ding mit dem Messer“ gemacht. Das Tatmesser habe die Polizei später unter dem Kopfkissen im Zimmer des Sohnes gefunden und mitgenommen. Von den Polizeibeamten habe sie hinterher erfahren, dass ihr Sohn sie als Satan angesehen haben soll und vor der Tat Stimmen gehört sowie Ohrgeräusche wegen einer Tinnituserkrankung gehabt habe.

Die Eltern sagen aus

„Alles wieder gut jetzt?“, fragte der Richter Volker Peterke die Mutter im Gerichtssaal. „Mir würde es besser gehen, wenn mein Sohn wieder nach Hause käme“, antwortete ihm diese.

Von einem „Ding“ mit einem Küchenmesser sprach auch der 52-jährige Vater des Angeklagten im Zeugenstand, während sein Sohn auf dem Anklagestuhl weinte. Im Gegensatz zu den Angaben seiner Ehefrau sah er durchaus Licht in der Küche, als seine Frau schrie: „Komm raus.“ „Was hast du deiner Mutter angetan?“, habe er gerufen und den Sohn in dessen Zimmer eingeschlossen. „Er stand da, als ob er mich nicht kennen würde“, sagte der Vater vor Gericht über seinen Sohn. „Er war nicht bei sich und wirkte wie ein Geist.“

Bemühungen, den Sohn stationär in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, hatten die Eltern nach Angaben der Mutter bereits vor der Tat angestellt, nachdem er ihnen strafrechtlich relevanten Ärger gemacht hatte. Im September letzten Jahres schlug er seinem Arbeitgeber den Brandmelder ein und rief damit einen Feuerwehreinsatz auf den Plan, weil er gekündigt werden wollte. Hintergrund war, dass er kein Arbeitslosengeld, sondern nur noch Krankengeld bekommen sollte. Ein Gewerbe wollte der berufslose Angeklagte im Alter von 16 Jahren auch einmal anmelden, weil er Vater und damit unterhaltspflichtig geworden war. Das hatte damals eine seiner beiden älteren Schwestern verhindert.

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Erstellt:
20. September 2023, 06:00 Uhr

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