Backnanger Plaisirschule: Wo Kinder die Welt begreifen

16 Jahre lang hat Annedore Bauer-Lachenmaier die Backnanger Plaisirschule geleitet. Nun geht sie in den Ruhestand. Die Pädagogin ist davon überzeugt, dass Lernen am besten mit allen Sinnen funktioniert.

An der Plaisirschule gibt es bald Mais aus eigenem Anbau. Dass die Kinder im Schulalltag die Natur entdecken und dabei Zusammenhänge verstehen, war Schulleiterin Annedore Bauer-Lachenmaier wichtig. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

An der Plaisirschule gibt es bald Mais aus eigenem Anbau. Dass die Kinder im Schulalltag die Natur entdecken und dabei Zusammenhänge verstehen, war Schulleiterin Annedore Bauer-Lachenmaier wichtig. Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Das Sprichwort vom Beruf, der einem in die Wiege gelegt wurde, passt wohl auf wenige Menschen so gut wie auf Annedore Bauer-Lachenmaier. Nicht nur ihr Großvater und beide Elternteile waren Lehrer, die ersten neun Jahre ihres Lebens hat sie sogar in einem Schulhaus gewohnt. Die kleine Dorfschule von Finsterlohr im Hohenlohischen hatte nur zwei Klassenzimmer: Im einen unterrichtete die Mutter die erste bis vierte Klasse, im anderen der Vater die Klassen fünf bis acht, im Erdgeschoss war die Wohnung der Familie. Für die kleine Annedore und ihre beiden Geschwister war folglich die eigene Mutter auch die erste Lehrerin. „Sie hat einen tollen Unterricht gemacht. Das hat mich geprägt“, sagt sie noch heute.

Als Jahre später die Berufswahl anstand – die Familie war mittlerweile nach Allmersbach im Tal gezogen – hatte Annedore Bauer-Lachenmaier trotzdem erst mal andere Ideen. Journalistin wollte sie werden, vielleicht auch Psychologin. Warum sie sich am Ende dann doch fürs Lehramt entschieden hat, weiß sie heute gar nicht mehr so genau. Aber wenn sie morgen als Leiterin der Plaisirschule verabschiedet wird, dann ist sie sich in einem Punkt ganz sicher: Es war die richtige Entscheidung.

Zu sehen, wie Kinder neugierig die Welt entdecken, Zusammenhänge verstehen und sich über ihre Lernerfolge freuen – das begeistert die 65-Jährige noch immer. „Kinder wollen lernen und diese natürliche Neugier müssen wir so lange wie möglich erhalten“, sagt die Pädagogin. Das setzt allerdings voraus, dass die Schule möglichst individuell auf die Stärken und Schwächen der Schülerinnen und Schüler eingeht, denn Überforderung ist für die Motivation ebenso Gift wie Unterforderung.

Die zertifizierte Naturpark- und Ackerschule

Seit sie 2006 Schulleiterin wurde, hat Annedore Bauer-Lachenmaier versucht, diese Erkenntnis an der Plaisirschule umzusetzen. „Indi-Zeit“ heißen die fünf Wochenstunden, in denen die Schülerinnen und Schüler in Mathematik und Deutsch individuelle Aufgaben bekommen, passend zu ihrem jeweiligen Leistungsstand. Außerdem ist die scheidende Schulleiterin davon überzeugt, dass das Verb „begreifen“ durchaus wörtlich zu verstehen ist. „Lernen tut man am besten, wenn man selber an einer Sache mitarbeitet und nicht, indem man 170 Arbeitsblätter ausfüllt.“

Deshalb gehört praktisches Arbeiten an der Grundschule im Backnanger Norden ganz selbstverständlich dazu. An der zertifizierten Naturpark- und Ackerschule bauen die Kinder Mais, Kartoffeln und Gemüse an und versorgen jeden Tag die elf Schulhühner. Wenn sie später einmal an ihre Grundschulzeit zurückdenken, wird das den meisten wohl mehr in Erinnerung bleiben als Dreisatz oder Kommaregeln.

„Alles Lernen ist nicht einen Heller wert, wenn Mut und Freude dabei verloren gehen“, zitiert Annedore Bauer-Lachenmaier den Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi. Mit ihm und seiner Lehre hat sie sich in jungen Jahren intensiv beschäftigt. Nach Lehramtsstudium und Referendariat hat sie noch Pädagogik an der Ludwig-Maximilian-Universität in München studiert und eine Doktorarbeit über den schwäbischen Pestalozzi-Schüler Karl-August Zeller geschrieben. Dabei war es weniger Karrierestreben als der Wunsch, noch einmal etwas anderes zu machen und zu sehen, der sie nach dem Referendariat in Lorch in die bayerische Landeshauptstadt führte. „Ich dachte, woanders pulsiert das Leben und ich hocke hier im Ostalbkreis“, erinnert sie sich.

Der Umgang mit Menschen liegt ihr

Die Zeit an der Universität und das wissenschaftliche Arbeiten in Bibliotheken und Archiven haben ihr gefallen, doch als sie die Promotion in der Tasche hatte, wollte Annedore Bauer-Lachenmaier wieder zurück an die Schule. „Ich denke, der Umgang mit Menschen gehört zu meinen Stärken“, sagt sie. So ging es wieder in die Heimat: Die Grundschule Auenwald war ihre erste Station, es folgten sieben Jahre an der Backnanger Mörikeschule und schließlich ein Jahr als Konrektorin in Unterweissach.

Als sie 2006 dann das Angebot bekam, die Plaisirschule zu leiten, musste sie nicht lange überlegen. Die Schule kannte sie bereits von einem Praktikum während ihrer Studienzeit. Der Wechsel von der Lehrerin zur Schulleiterin bedeutete aber eine Umstellung: „Das war im Grunde ein Berufswechsel“, erinnert sich die leidenschaftliche Pädagogin. Das tägliche Unterrichten fiel nun weg, dafür hatte sie mehr Gestaltungsmöglichkeiten, um ihre Ideen von einer modernen Pädagogik umzusetzen.

Die Nachfolgerin kommt aus den eigenen Reihen

Dazu gehört für Annedore Bauer-Lachenmaier auch das Thema Inklusion. Aktuell werden an der Plaisirschule etwa zehn Kinder mit Lernschwäche in Regelklassen unterrichtet. Die Schulleiterin ist überzeugt, dass davon alle profitieren: „Es ist wichtig, dass wir unsere Kinder nicht in einem Elfenbeinturm erziehen, sondern dass sie die Vielfalt der Welt kennenlernen“, sagt sie. Allein die personelle Ausstattung sei dafür eigentlich viel zu schlecht. Dass die Inklusion an der Plaisirschule trotzdem funktioniert, ebenso wie die vielen anderen Projekte, sei vor allem ihrem engagierten Kollegium zu verdanken, sagt die scheidende Schulleiterin stolz. Zuletzt seien auch immer wieder junge Lehrkräfte hinzugekommen, die sich ganz bewusst für die Plaisirschule entschieden hätten.

Mit knapp 66 Jahren kann Annedore Bauer-Lachenmaier den Stab deshalb guten Gewissens an die bisherige Konrektorin Christine Nagel weitergeben. Und auch wenn sie ihren Beruf immer gerne ausgeübt hat, ist Bauer-Lachenmaier nun auch ganz froh, dass sie nicht noch einen Coronawinter an der Schule managen muss. „Die letzten zwei Jahre waren wirklich die schlimmste Zeit“, sagt die Rektorin, die kurz vor Ende ihres Berufslebens auch noch selbst vom Virus erwischt wurde.

Annedore Bauer-Lachenmaier freut sich nun auf neue Aufgaben. Sie singt im Backnanger Kammerchor, engagiert sich im Vorstand der Bürgerbühne und würde auch gerne selbst wieder Theater spielen. Außerdem freut sie sich auf mehr Zeit zum Lesen und auf ihren Garten. Auch ein ehrenamtliches Engagement kann sie sich vorstellen. Nur eines will sie nicht mehr: Kinder unterrichten. „Wenn, dann möchte ich etwas Neues machen und nicht noch einmal das Alte.“

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Erstellt:
26. Juli 2022, 06:00 Uhr

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