BaWü-Check

Baden-Württemberger ziehen höhere Verschuldung dem Sparen vor

Woher holt der Staat in der Dauerkrise das Geld? Sparmaßnahmen stehen im BaWü-Check der baden-württembergischen Tageszeitungen nicht an oberster Stelle. Bei einer Berufsgruppe wird freilich Kürzungsbedarf gesehen: den Beamten.

Auf der persönlichen Sparliste der Bürgerinnen und Bürger stehen Restaurantbesuche ganz oben.

© Jens Kalaene/dpa

Auf der persönlichen Sparliste der Bürgerinnen und Bürger stehen Restaurantbesuche ganz oben.

Von Matthias Schiermeyer

Die dichte Folge von Krisen, die innen- und außenpolitischen Verwerfungen, die Tristesse der Wirtschaft – all das hinterlässt tiefe Spuren im Bewusstsein der baden-württembergischen Bevölkerung. Allgemeine Befürchtungen nehmen drastisch zu, die Hoffnungen auf eine Rückkehr zu guten Zeiten schmelzen dahin.

Somit wächst die Skepsis bezüglich der Leistungsfähigkeit der Republik. Denn immer mehr Menschen glauben, dass diese insgesamt ihre besten Jahre hinter sich hat. 43 Prozent der für den neuen BaWü-Check Befragten meinen, dass Deutschland seinen Zenit überschritten habe – eine Minderheit von 38 Prozent widerspricht, wie das Institut für Demoskopie Allensbach feststellt.

Eine Mehrheit hält den Verzicht auf Neuverschuldung für nicht zeitgemäß

Auch die finanzielle Lage des Landes Baden-Württembergs wird weitaus negativer eingeschätzt als noch vor wenigen Jahren. Nur noch jeder Dritte glaubt, dass das Land finanziell in einer komfortablen Situation ist, während 54 Prozent das Verhältnis von Einnahmen und Schulden kritisch sehen.

Wie raus aus der Geldnot? Im Bund zeichnet sich ein gigantisch hohes Sondervermögen für Infrastrukturausgaben ab. Diskutiert wird aber auch über die Reform der Schuldenbremse zugunsten des Verteidigungsetats – weniger bisher über Sparpotenziale. Diese Debatte könnte bald verstärkt auf die baden-württembergische Ebene hinüberschwappen. Im BaWü-Check setzt sich nur gut jeder Dritte dafür ein, dass das Land am Ziel festhalten sollte, keine neuen Schulden aufzunehmen. 50 Prozent meinen trotz der Belastung künftiger Generationen, dass die Schuldenbremse den Herausforderungen nicht gerecht wird und die Neuverschuldung in bestimmten Bereichen erhöht werden könne.

Investieren ist demnach das Gebot der Stunde. Die große Mehrheit benennt zahlreiche Bereiche mit großem Bedarf, aber nur wenige, wo Einsparungen für möglich gehalten werden – die Neigung, das knapper werdende Geld zusammenzuhalten, ist gering ausgeprägt. Demnach sollten Land und Kommunen vor allem in Gesundheitseinrichtungen (das befürworten 93 Prozent), die Ausstattung von Schulen (91), Kindertagesstätten (86), die Ausstattung der Polizei sowie den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur (je 81) und den Wohnungsbau (76) investieren.

In lediglich drei (kleineren) Bereichen befürwortet die Mehrheit der Befragten Einsparungen: in lokalen Klimaprojekten wie dem Ausbau von Radwegen, der Unterstützung von Sportvereinen und der Förderung von Theater und Museen. Die Bereitschaft, bei Kultureinrichtungen Abstriche zu machen, entspricht einem größeren Trend.

In den Kommunen ist die Schuldenlast insbesondere durch neue und vom Bund beschlossene Aufgaben angewachsen. Zugleich haben die Bürger wenig Vertrauen in die Sparpolitik der Städte und Gemeinden. Lediglich 28 Prozent trauen den Kommunalpolitikern zu, über geeignete Sparmaßnahmen zu entscheiden; 42 Prozent haben auf diesem Feld nur ein begrenztes Vertrauen, 17 Prozent kaum oder gar kein Vertrauen.

Sparmaßnahmen vor Ort hält die Mehrheit nicht für hinnehmbar

Diese Skepsis hat damit zu tun, dass es kaum Sparmaßnahmen auf kommunaler Ebene gibt, die in der Bevölkerung breite Unterstützung finden. Noch am ehesten hält sie es für akzeptabel, wenn in ihrer Region Großveranstaltungen wie Stadtfeste abgesagt werden (35 Prozent), Ämter und Behörden ihre Öffnungszeiten einschränken (33) und Theater geschlossen werden (25). Jeder Fünfte hält es für vertretbar, Fördermittel für Vereine und soziale Projekte zu streichen. Es sind aber immer nur kleinere Bevölkerungsanteile, die derlei Kürzungen im wohnortnahen Bereich als sinnvoll erachten. Und mehr als jeder Vierte hält keine der vorgeschlagenen Kürzungsmöglichkeiten für akzeptabel.

Viel Brisanz birgt die Idee, bei den Staatsdienern zu kürzen, denn deren Besserstellung in mancherlei Hinsicht ist in der Bevölkerung ein heißes Eisen. Konkret gefragt wurde: „Beamte haben gegenüber Angestellten bestimmte Privilegien, zum Beispiel bezahlen sie keine Renten- oder Arbeitslosenbeiträge und erhalten eine staatliche Pension, die in der Regel höher ausfällt als die gesetzliche Rente. Wie stehen Sie dazu?“

Beamtenprivilegien sind der Mehrheit der Befragten ein Dorn im Auge

Die Privilegien für Beamte abzuschaffen, weil es „nicht gerechtfertigt und nicht mehr zeitgemäß“ sei, dass Beamte gegenüber Angestellten bessergestellt sind, findet bei einer deutlichen Mehrheit von 66 Prozent Rückhalt – während 23 Prozent es befürworten, Beamte besser zu stellen, weil der Staat „darauf angewiesen ist, gut ausgebildete Leute zu bekommen und als Arbeitgeber attraktiv zu sein“. Die Bewertung ist sehr altersabhängig: Je älter die Befragten, desto stärker ist der Wunsch, bei den Staatsdienern Abstriche vorzunehmen. Bei den unter 30-Jährigen halten sich die Befürworter und Gegner der Privilegien die Waage.

Die Bereitschaft, sich selbst einzuschränken, ist bei den Befragten bedingt vorhanden: So halten sich 60 Prozent insbesondere bei Restaurantbesuchen zurück, was mit einem Rückgang der Umsätze in der Gastronomie korrespondiert. Seit 2022 haben die die Selbstbeschränkungen in dem Bereich zugenommen. Jeder Zweite spart bei den Ausgaben für Urlaub und Reisen, wenngleich die Tourismusbranche für das vorige Jahr neue Höchststände vermeldet und mit Zuversicht auf das Jahr 2025 schaut.

Fast jeder Zweite (jeweils 47 Prozent) hält sich beim Kauf von Kleidung sowie beim Besuch von Veranstaltungen und Freizeitaktivitäten zurück. Jeweils 42 Prozent berichten von Einschränkungen des Heizungs- und Stromverbrauchs; 36 Prozent versuchen, Spritkosten zu senken – deutlich weniger als noch vor drei Jahren. Ebenso 36 Prozent sparen bei Lebensmitteln, 37 Prozent bei Genussmitteln wie Alkohol, Zigaretten und Süßigkeiten – nur 27 Prozent bei ihren Hobbys.

Insgesamt, so resümieren die Meinungsforscher vom Bodensee, zeigt sich das Konsumklima verhalten; es sei offen, ob sich in der Gemengelage von Krisen, Risiken und Transformationsprozessen in absehbarer Zeit eine echte Verbesserung ergeben wird.

Mehr als 40 Prozent sehen ihre eigene wirtschaftliche Lage ziemlich positiv

Bemerkenswert ist – womit der BaWü-Check andere Erhebungen bestätigt –, dass die Menschen ihre eigene wirtschaftliche Lage noch als relativ günstig erachten: Immerhin 41 Prozent bewerten diese als (sehr) gut. 39 Prozent halten ihre wirtschaftliche Lage noch für erträglich. Und nur jeder Fünfte sieht sich in einer schlechten Situation.

Das persönliche Empfinden ist offenkundig besser als die auch von Politik und Medien geschürte Negativstimmung. Wenn sich also insgesamt der Wind dreht, dann könnte auch die persönliche Zuversicht rasch wieder zum Tragen kommen.

BaWü-Check

BasisDer BaWü-Check ist eine Umfrage von Tageszeitungen im Südwesten, die das Institut für Demoskopie Allensbach durchführt. Insgesamt beteiligen sich 45 Zeitungsverlage.

ZeitraumVom 5. bis 14. Februar 2025 wurden in Baden-Württemberg 1022 Menschen in einem repräsentativen Querschnitt der baden-württembergischen Bevölkerung ab 18 Jahren befragt. Die Befragten sind Mitglieder eines Online-Panels, die Stichprobe wurde durch eine nach Geschlecht, Alter, Schulabschluss und Regierungsbezirk geschichtete Zufallsauswahl gezogen. Die Stichprobe wurde gewichtet, dabei orientierte man sich am Mikrozensus 2023.

Fragebogen Die für die Befragung ausgewählten Personen bekamen per E-Mail eine Einladung zur Teilnahme und füllten einen Online-Fragebogen mit 15 Fragen aus.

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Erstellt:
5. März 2025, 06:12 Uhr
Aktualisiert:
5. März 2025, 16:53 Uhr

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