„Anfassen erlaubt“: Schau für Museumsbesucher kommt gut an
dpa/lsw Karlsruhe. Bloß nicht fallenlassen: In den meisten Museen hört niemand diese Warnung, weil Kunstwerke hinter Glas verborgen sind oder Betrachter gebührenden Abstand halten müssen. Am Badischen Landesmuseum ist das anders: Hier dürfen Besucher antike Relikte in Hand nehmen.
Ein Schwert aus der Bronzezeit, Jahrtausende alte Vasen oder Öllämpchen: Im Badischen Landesmuseum können Besucher und Besucherinnen seit gut zwei Jahren Objekte in die Hand nehmen. Mit Gummihandschuhen und über einer weichen Ablage. Dennoch dürfte so mancher ehrfurchtsvoll denken: Bloß nicht fallenlassen!
Wo sonst Kunstwerke und Museumsobjekte in Vitrinen verschwinden, bietet die Ausstellung „Archäologie in Baden - Expothek¹“ im Karlsruher Schloss seit Sommer 2019 völlig neue Möglichkeiten. Und das komme gut an, sagte Museumsdirektor Eckart Köhne: „Die ersten haben schon einen zweiten Termin gebucht.“ Zumal coronabedingt der erste Anlauf abrupt abgebrochen werden musste.
Die Schau gliedert sich in drei Bereiche: Im ersten Raum bekommt das Publikum eine kleine Auswahl archäologischer Funde aus Baden zu sehen. Texttafeln fehlen. Mit Chipkarten kann man sich Infos anzeigen lassen - auf Deutsch, Englisch oder in kindgerechter Aufbereitung.
Im zweiten Raum können Interessierte sich mit speziellen Smartphones Informationen über Ausstellungsobjekte wie Keramik oder Pfeilspitzen links und rechts in Regalen und Schubladen anzeigen lassen. Ähnliches geht auch über interaktive Medientische. 1500 Objekte sind mit einem 3D-Scanner erfasst, man kann sie heranzoomen, drehen und wenden. Jeder Fitzel Korrosion am Schwert wird erkennbar. Auch Spiele wie Schnitzeljagden, Puzzle oder ein Quiz sind hier möglich.
Der Clou ist aber wohl die Möglichkeit, die Jahrtausende alten Fundstücke selbst in die Hand zu nehmen. Dafür müssen Gäste des Museums einen Termin buchen. Man kann ein bestimmtes Objekt nennen oder lässt sich von den sogenannten Explainern, Fachleute aus dem Museum, etwas vorbereiten. Besucher und Besucherinnen könnten so zu Forschern und Forscherinnen, Nutzern und Nutzerinnen werden, sagte Chef-Explainer Alexander Wolny über die Ziele des Projekts.
Im dritten Raum dann steht der 3D-Scanner, mit dem Objekte etwa auch für Forschende anderer Institute erfasst werden. Das spare Anfahrtswege, ermögliche Ausstellungen ein und desselben Objekts an mehreren Orten gleichzeitig und man wisse für den Fall, das mal etwas kaputt geht, wie es vorher ausgesehen hat, sagte Wolny.
Als Direktor Köhne die Idee das erste Mal anbrachte, habe das nicht nur bei den Restauratoren im Haus für Schnappatmung gesorgt, verriet Sprecherin Katrin Lorbeer. Auch das Land habe zunächst skeptisch reagiert. Nun aber ist das Museum Vorreiter mit dieser Art von Schau.
Gerade der Kontrast aus antiken Ausstellungsobjekten einerseits und der modernen Technik andererseits macht den Reiz aus. Für die Museumsarbeit ist die Digitalisierung ein wichtiger Schritt, wie Köhne sagte. Künstliche Intelligenz solle etwa auch beim Übersetzen helfen, um das Wissen einem breiten Publikum zur Verfügung zu stellen. Ein Übersetzer koste im Vergleich zur Technik viel Geld angesichts der schieren Menge von Hunderttausenden Objekten. Und er sei im Zweifel bei kunsthistorischen Vokabeln kein Experte.
Zudem arbeite das Museum an einer künstlichen Intelligenz (KI), gedacht etwa für Apps auf dem Smartphone, die Museumsobjekte zum Beispiel mit ähnlichen Funden aus dem Internet vergleichen soll. „Wir wollen mit KI versuchen, dass Nutzer Wissen selbst generieren“, sagte Köhne und sprach von „demokratisieren“. Die Entwicklung könnte schnell vorangehen: Das Projekt ist auf nur drei Jahre angelegt.
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