Bäume schützen die Stadt vor der Hitze
Fensterläden oder Rollos? Mehr Bäume oder mehr Brunnen? Zwei Stuttgarter Klimaprofis zeigen bei einem Spaziergang, wie man die Stadt am besten abkühlt.
Von Rebecca Stahlberg
Stuttgart - Es sieht toll aus, steht an Stuttgarts bekanntestem Platz, wurde 2021 zum Museum des Jahres gewählt – doch aus klimatischer Sicht ist der „Cube“ am Schlossplatz, also das Kunstmuseum, eine Katastrophe. „Ohne aktive Klimatisierung hätte es innendrin im Sommer 50 Grad“, sagt Matthias Rudolph. Er spricht von einem „gebauten Gewächshaus“. Generell sei die Verschattung von Gebäuden wie auch des Außenraums die wirksamste passive kühlende Maßnahme. Er empfiehlt unter anderem kühlende Wände aus Stampflehm bei Gebäuden und Bushaltestellen – und viel mehr verschattete Sitzgelegenheiten für draußen.
Matthias Rudolph ist Professor für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Entwerfen in der Fachgruppe Architektur an der Kunstakademie (ABK). Zudem arbeitet er als Projektleiter bei der Stuttgarter Firma Transsolar. Er forscht dazu, wie man Hitze in Quartieren und Gebäuden erträglicher machen kann. Bei einem Klima-Spaziergang zeigen er und seine Transsolar-Kollegin Christine von Raven, was in Stuttgart gut gemacht wird, um urbane Hitzeinseln zu vermeiden. Und woran es noch hapert.
Los geht es am Wilhelmsplatz in Bad Cannstatt. Den Ort haben die beiden als Negativbeispiel ausgewählt. Es gibt kaum Schatten, nur zwei große Bäume, der Brunnen bringt keine Abkühlung – zumal er an jenem Tag ausgeschaltet ist. An den Pflanzen sehe man gut, welches Klima am Wilhelmsplatz herrsche, sagt Christine von Raven: Zwischen Schienen und Straße wachsen einige gelb-hellgrüne Gewächse, die rein optisch auch in der Wüste stehen könnten.
Vorbildlich sei Stuttgart beim Freihalten der Kaltluftschneisen am Rande des Stuttgarter Kessels, lobt Matthias Rudolph. Unter anderem die Streuobstwiesen in Möhringen speisen zusammen mit Kaltental, Dachswald und dem Elsental mit ihrer kühlen Luft das Nesenbachtal. Auch positiv findet er, mit wie viel Grün inzwischen bei Neubauten geplant werde. Wobei er einschränkt: Ein begrüntes Dach bringe dem überhitzten Straßenraum mit Fußgängern leider wenig.
Auch die Begrünung an der Calwer Passage sehen die beiden eher kritisch. „Das ist nicht die große Lösung für alle Gebäude“, sagt Christine von Raven. Dafür sei das Ganze viel zu pflegeintensiv. Und teils sei bei solchen stark begrünten Gebäuden auch mehr Stahlbeton nötig, damit die vielen Pflanzen sicher befestigt werden könnten. „Toll an solchen Projekten wie der Calwer Passage ist aber, dass die Menschen merken, wie schön mehr Grün in der Stadt ist“, sagt sie.
Abkühlung durch Wasser – sei es in Form von Brunnen, Wasserspielen oder Nebelduschen – komme aus ihrer Sicht in Frage, wenn es nicht möglich sei, Bäume zu pflanzen. Das ist in Stuttgart teils der Fall, weil unterirdisch Leitungen verlaufen oder Bunker liegen. Das Problem bei Abkühlung durch künstliche Wasserelemente sei, dass dies oft wartungsintensiv sei, sagt von Raven.
In den vergangenen Monaten wurden bereits einige Projekte umgesetzt, um mehr Schatten zu generieren. So wurden an sieben Plätzen in Stuttgart Sonnenschirme aufgestellt, der Südheimer Platz soll bald sogar ein 120 Quadratmeter großes Sonnensegel bekommen. „Es ist wichtig, solche Dinge nicht nur in den Bezirken Süd und West umzusetzen“, betont Matthias Rudolph. Denn dort wohnten oftmals Menschen, die einen Garten oder Balkon haben – oder genügend Geld, um an einem heißen Tag ein Freibadticket zu bezahlen.
„Gerade in Vierteln mit geringem Einkommen gibt es Bedarf an verschatteten öffentlichen Orten mit hoher Aufenthaltsqualität, an denen man ohne Konsum Zeit verbringen kann.“ Abschauen könne man sich dies in südlichen Ländern, wo der Außenraum als Einladung gestaltet sei und Menschen oftmals draußen vor ihrer Tür sitzen. „Das passiert hier nur bedingt“, bedauert er.
Inzwischen sind die beiden an einer Straße angelangt, an der die Sonne nur so hinunter brutzelt. „Ein Buchsbaum wirft kaum Schatten“, sagt Matthias Rudolph und zeigt auf einen kleinen Garten. Besser seien große, weniger zurecht gestutzte Bäume. Dann kommen die beiden an einem älteren Haus vorbei, bei dem die Fensterläden geschlossen sind. „Fensterläden sind perfekt, um Gebäude zu kühlen“, sagt Christine von Raven. Tagsüber könne man diese schließen, um die Hitze auszusperren, es komme aber trotzdem Licht und Luft durch.
Begeistert sind die beiden auch von der Altstadt in Bad Cannstatt. Dort sind einige Gassen so eng gebaut, dass durch die nah beieinander stehenden Häuser ganz automatisch Schatten entsteht. Allerdings: Diese Straßen wurden gebaut, als es noch keine Autos gab.
Bei der Vermeidung von Hitzeinseln sei eine „smarte Verkehrsplanung“ entscheidend, sagt Christine von Raven. Ein Netzwerk von begrünten Wegen sei besser als ein einziger, großer Park. Und sie hält es für entscheidend, mehr über Lösungen gegen Hitze statt über Probleme zu sprechen. „Die Lösungen wurden bereits erforscht, nun müssen wir diese ausprobieren.“