Bahnunternehmen Abellio wird saniert: Zugverkehr geht weiter
dpa/lsw Berlin/Stuttgart. Im Fernverkehr ist die Deutsche Bahn der Platzhirsch, im Regionalverkehr hat sie hingegen nennenswerte Wettbewerber. Einer von ihnen, Abellio, hat Probleme - und springt nun unter einen gerichtlichen Schutzschirm.
Das Bahnunternehmen Abellio Deutschland muss saniert werden. Die vor allem in Baden-Württemberg, Ostdeutschland und Nordrhein-Westfalen tätige Firma teilte am Mittwochabend mit, dass sie ein sogenanntes Schutzschirmverfahren beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg beantragt habe. Das ist ein Sanierungsverfahren im Rahmen des Insolvenzrechts, bei dem das Managment an Bord bleibt und durch gerichtlich bestellte Juristen unterstützt wird. Die Löhne und Gehälter zahlt drei Monate lang die Bundesagentur für Arbeit, danach soll die Firma dies wieder übernehmen.
„Der Schritt unter den Schutzschirm ist nach über anderthalb Jahren intensiver Verhandlungen mit den regionalen Aufgabenträgern die beste Option, den Unternehmenserfolg langfristig zu sichern“, sagte Abellio-Deutschland-Chef Michiel Noy. Der Bahnbetrieb gehe unvermindert weiter. „Wir sind weiterhin für unsere Kunden da.“
Ein Sprecher des Stuttgarter Verkehrsministeriums sagte: „Wir und die anderen Länder befinden uns mit Abellio in permanentem Austausch. Wir suchen gemeinsam nach Lösungen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten.“ Für das Land sei klar, dass ein dauerhafter und ununterbrochener Betrieb im Interesse der Mitarbeiter und der Fahrgäste sichergestellt bleibe. „Die Voraussetzungen dafür sind gegeben, darauf werden wir auch bestehen. Im Moment haben wir bei Abellio nach den Anlaufschwierigkeiten ein sehr gutes Niveau an Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit erreicht, da wollen wir sichern“, erklärte der Sprecher.
Die Abellio GmbH ist schon seit langem unter Druck und verbucht Verluste. Das Unternehmen begründet die angespannte finanzielle Situation mit „massiven Kostenentwicklungen, die nicht ausreichend von den einzelnen Verkehrsverträgen gedeckt sind“. Dabei verweist die Firma unter anderem auf höhere Personalkosten und Baustellen-Folgekosten - damit gemeint sind Schienenersatzverkehre und Strafzahlungen wegen Zugausfällen oder nicht erreichter Pünktlichkeitsvorgaben. Solche Mehrkosten seien nicht vorhersehbar gewesen, als Abellio die Verkehrsverträge unterschrieben habe, argumentiert das Unternehmen.
In den Verhandlungen mit den regionalen Aufgabenträgern - also den Verkehrsverbünden - versuchte Abellio, die Lage für sich zu verbessern und forderte von mehreren Bundesländern Nachzahlungen für den weiteren Betrieb. Doch die Verhandlungen führten für die Firma nicht zum gewünschten Ergebnis, daher entschied sie sich zum Gang vor das Amtsgericht.
Abellio hat nach eigenen Angaben rund 3100 Beschäftigte in Deutschland, seine 52 Zuglinien fahren vor allem in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Pro Jahr kommen die Züge auf 53,2 Millionen Kilometer. Es gehört zur niederländischen Eisenbahn (Nederlandse Spoorwegen).
In der Mitteilung heißt es, die übergeordnete Abellio-Holding, die wiederum Nederlandse Spoorwegen gehört, habe die Verluste vergangener Jahre zwar ausgeglichen. „Eine dauerhafte Kompensation der Defizite in den langjährig laufenden Verkehrsverträgen durch den Abellio-Mutterkonzern ist jedoch nicht tragbar.“ Nederlandse Spoorwegen unterstütze daher „die Bestrebungen, langfristig wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die einzelnen Netze zu vereinbaren“.
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