Barrierefreie Anlaufstellen für Geflüchtete in Backnang
BKZ-Leser helfen Die Spendenaktion unserer Zeitung unterstützt in diesem Jahr das Projekt „IN2LIFE“ der Zukunftswerkstatt Rückenwind. Hier soll Geflüchteten mit Behinderung geholfen werden – mit der oft herausfordernden Bürokratie, aber auch mit Ansprache im Alltag.
Von Kristin Doberer
Backnang. Wenn Menschen nach Deutschland flüchten, stehen sie zahlreichen Herausforderungen gegenüber: Sprachbarriere, Kulturschock, Bürokratie ohne Ende, asyl- und ausländerrechtliche Fragen, die Suche nach Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen und vieles mehr. Noch schwieriger ist das alles aber für Menschen mit Behinderung und deren Familien. Sich mit Krankenkassen herumschlagen, eine behindertengerechte Wohnung finden, Pflege- und Behindertengrade verstehen, die richtigen Formulare ausfüllen und überhaupt erst mal eine Diagnose bekommen – das sind große Hindernisse, wenn man gerade erst in einem fremden Land ankommt. „Ohne Hilfe bekommt man das nicht hin“, sagt Olha Khursenko. Ihre Familie ist vor etwa zwei Monaten aus der Ukraine geflohen, darunter auch ihr zwölfjähriger Sohn Mischa, der eine Behinderung hat und aktuell die Bodelschwinghschule in Murrhardt besucht. „Es ist so viel Bürokratie, und so viele Briefe“, sagt die Ukrainerin, die das aus ihrem Heimatland, wo auch die Kommunikation mit Ämtern und Kassen komplett digital läuft, gar nicht kennt. Die bürokratische Hürde sei hier besonders hoch.
Neues Projekt der Zukunftswerkstatt Rückenwind soll Lücke schließen
Dass es vielen Betroffenen so geht, ist auch den Helfern des Backnanger Vereins Zukunftswerkstatt Rückenwind (ZWR) aufgefallen. „Wir haben gemerkt, dass es so vielen Menschen mit Fluchthintergrund geht, die eine Behinderung haben oder ein Familienmitglied mit Behinderung. Sie haben keine Anlaufstelle“, sagt Jana Reichert, Leiterin des Projekts „IN2LIFE“. Seit August werden hier Menschen mit Fluchterfahrung und Behinderung sowie deren Angehörige niederschwellig beraten. Denn für Geflüchtete mit Behinderung sei es besonders schwer, sich in den deutschen Hilfesystemen zurechtzufinden.
Dabei gehe es um ganz grundsätzliche Fragen: Was ist ein Pflegegrad? Wann und woher bekommt man einen Schwerbehindertenausweis? Wann und wie erhält man welche Leistungen? Und welcher Träger ist überhaupt für wen zuständig? Zum Teil sei es ja schon für Deutsche schwer, sich in diesem komplexen System zurechtzufinden, noch viel schwieriger sei es für Menschen, die gerade erst hier Fuß fassen, so Reichert.
Geflüchtete können einander helfen
Seit Augst gibt es nun das Projekt „IN2LIFE“, das für mindestens drei Jahre laufen soll. Neben den Einzelberatungen wird aktuell auch ein Netzwerk aufgebaut, bei dem Geflüchtete mit und ohne Behinderung anderen Geflüchteten mit Behinderung helfen können, sich in den bestehenden Angebotsstrukturen besser zurechtzufinden. „Darüber hinaus möchten wir Menschen mit Behinderung und ohne Fluchterfahrung ein offenes Ohr schenken und sie ermutigen, ihre Expertise in dieses Projekt einzubringen. Daher planen wir für das kommende Jahr verschiedene Gruppenangebote, sodass sie unbeschwert zusammenkommen können“, sagt Hannah Nothstein von der Zukunftswerkstatt Rückenwind. Ideen gibt es schon, zum Beispiel eine Art Leserunde, gemeinsame Kochabende oder auch Schulungen für betroffene Angehörige. „Aber das Themenfeld ist riesig. Betroffene brauchen ganz unterschiedliche Angebote, wir wollen, dass sie auch selbst mitbestimmen, welche Angebote wir schaffen“, sagt Hannah Nothstein. Gerade bei Fortbildungen und Freizeitaktivitäten solle die Zielgruppe eigene Themen einbringen und Angebote selbst planen können. Dafür benötige man aber finanzielle Unterstützung. Zum einen für Kleinigkeiten wie Nahrungsmittel bei Kochabenden, Bücher oder sonstige Materialien. Je nach Angebot fallen auch Kosten für Verpflegung, Bastel- oder Moderationsmaterial an.
Diese Gruppen sollen sich in den neuen Räumen des Vereins in der Schillerstraße treffen. Diese werden aktuell nämlich extra noch barrierefrei umgebaut. Zwar gebe es auch zu den bestehenden Räumlichkeiten einen Fahrstuhl, doch die Küche sei zum Beispiel für Rollstuhlfahrer viel zu klein, eine barrierefreie Toilette gab es bisher gar nicht. „Wir mussten die betroffenen Klienten bisher immer ins Rathaus schicken. Das war natürlich nicht optimal“, erzählt Jana Reichert.
Regelmäßige Schulungen für die Ehrenamtlichen
Besonders aber fallen auch Fahrtkosten finanziell ins Gewicht. Zum Teil müssten Menschen zu spezialisierten Ärzten, die eine weite Anfahrt erfordern. „Manche müssen dafür nach Mannheim oder weiter weg fahren. Das geht nicht immer mit den Öffentlichen“, sagt Hannah Nothstein. Ehrenamtliche fahren die Betroffenen dann zum Beispiel mit einem rollstuhlgerechten Fahrzeug.
Neben der Beratung und den Gruppenangeboten soll es aber als Highlight einige Ausflüge für Menschen mit Behinderung inklusive Begleitperson geben. Hierfür benötige man ebenfalls finanzielle Unterstützung für Eintrittsgelder und Fahrtkosten.
Damit die Ehrenamtlichen aber auch auf den Einsatz vorbereitet sind, werden diese regelmäßig geschult. Auch dafür werde das Geld von BKZ-Leser helfen eingesetzt. Weiterbildungen gibt es zum Beispiel im Umgang mit Epilepsie und anderen Behinderungsformen, im Umgang mit Trauer und Verlust. „Außerdem verlangen wir von allen Ehrenamtlichen einen Erste-Hilfe-Kurs, damit sie sich auf kritische Situationen gut vorbereitet fühlen“, berichten die Projektleiterinnen.
Barrieren auch in den Köpfen der Angehörigen überwinden
Neben den bürokratischen Hürden soll in dem Projekt aber auch bei den Betroffenen selbst aufgeklärt werden. Denn in einigen Herkunftsländern sei die rechtliche und soziale Situation von Menschen mit Behinderung ganz anders als in Deutschland. „Hier werden Kinder mit Behinderung nicht diskriminiert oder ausgeschlossen“, sagt Olha Khursenko über ihre bisherige Erfahrung in Deutschland. Auch wenn die aktuelle Situation ihrer Familie und der Krieg, der sie zur Flucht gezwungen hat, sie belasten, ist sie froh, dass ihr Sohn in Deutschland bessere Chancen für Inklusion hat. „Als Familie haben wir uns als Ziel gesetzt, dass Mischa mal voll integriert ist und ein eigenes Leben hat.“ Dass er tagsüber nun in die Schule gehen kann, das freue die Mutter. Besonders das Kochen in der Schule oder Schulausflüge, zum Beispiel in das Murrhardter Kino, machen ihrem Sohn besonders Spaß, in ihrem Heimatland wäre das aber undenkbar.
Zum Teil, so berichtet Jana Reichert, wollen Eltern aber auch gar nicht wahrhaben, dass ihr Kind möglicherweise eine Behinderung haben könnte. Hier soll das neue Projekt auch viel Aufklärungsarbeit leisten. „Die Eltern merken das meist ja schon, aber manche wollen auf keinen Fall eine schriftliche Diagnose sehen“, sagt sie. Je nach Herkunftsland sei eine Behinderung auch mit großer Scham verbunden, Menschen mit Behinderung werden zum Teil in der Öffentlichkeit versteckt, eine staatliche Unterstützung gibt es oft nicht.
Lore und Helmut Scheub, Sulzbach an der Murr; Monika Heinrich; Stefanie Balmer, Weissach im Tal; Manfred Bauer; Marlies Haffner, Backnang; Martina Schwarzer; Karin und Ulrich Belz; Heiderose Nickel; Heide und Helmut Körner; Doris und Klaus Wolf, BK-Steinbach; Renate und Wolfgang Gier; Waltraud und Franz Ahmann; Ulrike und Stefan Huebl; Elvira Cornelsen, Aspach; Gisela und Dieter Epple; Renate Grüninger; Kordula und Götz Kemmler; Gerda Schulz; Ursula und Bernd Keppert; Christel und Peter Korb, Backnang; E. Wiesenmaier; Hannelore und Joachim Schmitz, Oppenweiler; Bernd Fischer; Wilhelm Layher, Kirchberg an der Murr; Konrad Ehing; Ilona und Waldemar Flügge, Allmersbach; Verena und Fritz Hüttner; Karin Ruess, Backnang-Maubach; Gudrun und Herbert Zaepf; Monika Janko; Hugo Werner; Elsbeth Mayer; Anita und Reinhold Locherer; Beate und Lothar Nickerl; Christa Ganter; Helga und Günther Knoll; E. Holderle, Backnang-Waldrems; Sigrid und Georg Igl; Irma und Georg Baumhakl; Helm Eckart Hink; Jutta und Roland Herb; Maria Bernhardt; Gerda Baumann, Allmersbach im Tal; Ingrid und Egon Hass; Monika und Rüdiger Nossol, Sulzbach an der Murr; Manuela und Wolfgang Holzwarth; Carmen und Gerhard Kachler; Ursula und Edgar Handel; Anne und Dieter Bertsch; Edith Kirschner, Spiegelberg; Sonja Jung; Ulrike Bauer; Herbert Jungwirth; Barbara und Klaus-Peter Reichert; Gabriele Taxis, Spiegelberg; Carsten Garnica, Backnang; Birgit Ceskutti, Backnang; Heide und Dr. Walter Amann, Backnang; Gabriele Bley-Honal und Wolfgang Honal; Irene Kiesecker-Haller und Hermann-Georg Haller; Vesta Trillitsch; Kurt Mögel; Ellen und Michael Fuchs, Auenwald-Ebersberg; Jörg Burgel; Jürgen Fey, Steinheim an der Murr; Dieter Axtmann; Marianne Karp; Michaela und Hans Peter Giesser; Rosemarie und Horst Kronmüller; Ulrike Tuxhorn-Kleiss und Joachim Kleiss, Allmersbach im Tal; L. M. Ander, Auenwald; Ingeborg Schiefer; Monika und Horst Stahl; Erhard Link; Walter Holdenried, Nelly Schuster; Gisela und John Portillo; Petra Blessing-Ludwig und Alexander Ludwig; Siegfried Schwarz; Ellen und Rudolf Scholz, Auenwald; Anna Stopp; Gudrun und Jürgen Typke; Franziska Seck; Ute und Herbert Bartosch; Lore Kriening; Manfred Paulus, Sulzbach an der Murr; Christa Wolke; M. Volwassen, Aspach; Dr. med. Udo Rühle; Sonja und Manfred Mayer; H. und M. Kirchner, Weissach im Tal; Angelika Sanzenbacher; Sybille und Rolf Bauer; Petra und Thomas Wurst; Hildegard Kress; Jürgen Senk; Perdita Stoiber; Eveline Dreiseitl; Dr. Hans-Georg Eckstein, Backnang; Bärbel und Werner Rättig; Ingrid und Dr. Dieter Ammer; Marga und Erich Noller; Brigitte und Günther Maurer, Kleinaspach; Dorothea Strasser; Gabi und Eberhard Mosner; Brigitta und Klaus Buder, Backnang; Silke und Theodor Batzel, Backnang; Erika und Peter Heinisch; Heike und Peter Friese; Andrea und Michael Vogel, Großerlach; Arno Papke; Gisela und Oskar Wildermuth; Arnold Zierot. Allen Spendern gilt ein herzliches Dankeschön.