Regierung in Belgien
Bart de Wevers Wandlung vom Separatisten zum Staatsmann
Die neue Regierung in Belgien kündigt tiefgreifende Reformen an. Die Veränderungen in dem kleinen Land werden Auswirkungen bis auf die europäische Ebene haben.
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© dpa/Peng Ziyang
Dem neuen Premier Bart de Wever ist es in Belgien gelungen, eine Koalition aus fünf Parteien zu bilden.
Von Knut Krohn
Bart de Wever hat gezeigt, dass er ungewöhnlich hart sein kann – auch gegen sich selbst. Vor zehn Jahren nahm er durch eine Radikalkur 60 Kilo Körpergewicht ab. Einen ähnlichen Kraftakt hat er nun als neuer Premierminister dem belgischen Staat verordnet. Das Regierungsprogramm sieht einen rigiden Sparkurs für das hoch verschuldete Land vor.
Tiefe Einschnitte soll es etwa bei Renten und Arbeitslosengeld geben. Zum Entsetzen der Gewerkschaften tragen die Sozialdemokraten diesen Schritt mit, die konnten allerdings im Gegenzug die Einführung einer Kapitalertragsteuer verkünden. Auch die Verlängerung der Nutzung von Kernenergie steht im Regierungsprogramm, ebenso wie die Erhöhung der Verteidigungsausgaben.
Fünf Parteien bilden die neue Regierung
Die erste Hürde hat die neue Fünf-Parteien-Regierung nun genommen. Nach einer 40-stündigen, bisweilen äußerst hitzig geführten Diskussion sprach das Parlament am Freitag Bart de Wever das Vertrauen aus. Das klingt dramatisch, doch verfügt die Koalition mit 81 von 150 Sitzen über eine solide Mehrheit bei den Abgeordneten.
Keine Rolle spielt, dass in der Satzung von Bart de Wevers rechtskonservativer Partei Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA) ganz am Anfang die Forderung nach einer „unabhängigen Republik Flandern“ steht. Dieser Satz gilt allenfalls noch als Folklore einer ehemals separatistischen politischen Kraft. Der neue Premier beschränkt sich nun darauf, den undurchdringlichen Dschungel des belgischen Föderalismus lichten, von einer Abspaltung der Region ist keine Rede mehr.
Ein Vorbild für die deutsche CDU
Bart de Wever, der sich selbst als konservativen flämischen Nationalisten beschreibt, könnte durchaus als Vorbild für die deutsche CDU dienen. So hat der 54-Jährige sich etwa im Wahlkampf dazu entschieden, das Thema Migration kleinzuhalten. Er hat die Zustimmung der Belgier mit der Konzentration auf Wirtschaftsthemen und als Verteidiger konservativer Werte gewonnen. Mit dieser eher staatstragenden Taktik konnte er auch die Populisten der extrem-rechten Partei Vlaams Belang in Schach halten.
Der Sieg Bart de Wevers in Belgien und seine Wandlung vom hitzköpfigen Separatisten zum pragmatischen Rechtskonservativen, wird auch die politische Tektonik im Europaparlament beeinflussen. Manfred Weber (CSU) hat als Chef der christdemokratisch-konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) schon vor längerer Zeit seine Fühler ausgestreckt. Dass die Europaparlamentarier der N-VA auf einer Linie mit der EVP liegen, zeigt allein deren Abstimmungsverhalten. Bei allen wesentlichen Fragen haben sie mit den Konservativen die Hand.
Auswirkungen auf das Europaparlament
Im Moment sind sie aber noch im Lager der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), zusammen mit den Fratelli d’Italia von der postfaschistischen italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni. Mit im Boot sind auch die Liberalkonservativen von Tschechiens Ministerpräsidenten Petr Fiala.
EVP-Chef Manfred Weber ist die erstarkende rechtskonservative Fraktion allerdings ein Dorn im Auge. So arbeitet der begnadete Strippenzieher seit Monaten hinter den EU-Kulissen daran, Keile in die EKR-Fraktion zu treiben und damit die eigene Machtposition zu stärken. Seine Avancen an Giorgia Meloni sorgen bei den linken Kräften im Europaparlament in regelmäßigen Abständen für allergrößte Empörung. Webers Hoffnung könnte sein, dass das eher fragile EKR-Konstrukt wegen der immer wieder aufscheinenden Unstimmigkeiten mit den Vertretern der rechtspopulistischen PiS-Partei ins Wanken gerät. Manche der polnischen Abgeordneten liebäugeln sowieso eher mit der Fraktion der „Patrioten“ des Ungarn Viktor Orbán und der Französin Marine Le Pen.
Manfred Webers Werben um Bart de Wever
Manfred Weber kann sich bei seinem Werben um Bart de Wever auf die Rückendeckung aus Berlin verlassen. Dort wird Belgien als Partner für den Kampf gegen weitere gemeinsame EU-Schulden gesehen. Die werden von der EU-Kommission etwa für die Finanzierung der dringend notwendigen Erhöhung der Verteidigungsausgaben immer lauter gefordert. Das alles bedeutet allerdings auch, dass die sogenannte Brandmauer auf europäischer Ebene längst bloß noch ein eher theoretisches Konstrukt ist.