Bauboom lässt Holznachfrage steigen

Eiche bleibt knapp, aber bei der Fichte sind keine Engpässe zu erwarten – Branche wächst und schafft neue Jobs

Holzindustrie - Jedes fünfte deutsche Eigenheim wird inzwischen als Fertighaus errichtet. Dabei setzen die Bauherren zunehmend auf den Rohstoff Holz. Auch Eichenholz ist gefragt, hier gibt es Engpässe.

Stuttgart Holzstämme türmen sich zig Meter weit, jeden Tag liefern 30 Lastzüge neue Langhölzer – aus dem Umkreis von maximal 60 Kilometern. Insgesamt fahren bis zu 180 Lkw pro Tag das Werk von Schwörer-Haus in Hohenstein auf der Schwäbischen Alb an. Hier produziert der Fertighaushersteller etwa 1000 Häuser pro Jahr.

Fertighäuser erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Bei den Ein- und Zweifamilienhäusern kommt bei 20,7 Prozent Fertigbau zum Einsatz. In Baden-Württemberg ist sogar jedes dritte Eigenheim ein Fertighaus. Davon profitiert auch die Holzindustrie. Holz erlebe derzeit eine gewisse Renaissance, sagt Johannes Schwörer, Chef des gleichnamigen Fertighausherstellers, der auch Präsident des Hauptverbands der Holzindustrie (HDH) ist. „Holz ist ein sinnvoller Werkstoff, wenn man ihn auch nutzt“, sagt er.

Die Fertighaushersteller – samt Hersteller von Türen, Fenstern und Treppen – sind mit rund 16 Prozent Umsatzanteil hinter der Möbelbranche (50 Prozent) der zweitgrößte Zweig der Holzindustrie. Bei der Eiche stellt die Branche derzeit einen Engpass fest, der den Rohstoff 2018 deutlich verteuert hat. Vor allem Parkettböden aus Eiche, aber auch Tische und Stühle sind gefragt.

Schwörer verarbeitet Fichte für die Häuser. Vom eigenen Sägewerk landen die Hölzer in der riesigen Produktionshalle, wo die Holzrahmenkonstruktionen gefertigt werden. Komplette Hauswände, bestückt mit Dämmwolle und Gipsbauplatten, reihen sich auf der Produktionsstraße aneinander

. Ganz am Ende sind die Wandteile dann komplett, Fenster und Rollläden eingebaut, Anschlüsse für Strom, Heizung und Wasser verlegt, ehe der Außenputz oder die Lattenfassade folgt und die Wände im ­großen Trockner landen. Dann können sie auf die Baustelle transportiert werden, wo das Haus binnen ein bis zwei Tagen aufgebaut ist. Das Familienunternehmen macht mit rund 1850 Mitarbeitern etwa 300 Millionen Euro Umsatz.

Jährlich verarbeitet Schwörer an die 200 000 Festmeter Holz, 40 bis 60 Prozent davon für die eigenen Häuser, das restliche Holz geht an den Fachhandel.

Der Schwörer-Chef, ein umtriebiger Jurist, ist bodenständig, offen für Neues und rechnet. 2018/19 hat das Unternehmen rund elf Millionen Euro am Standort investiert und fährt derzeit die neue Produktionsstraße für Wohnmodule hoch. Diese vollwertigen Minihäuser, so genannte Flying Spaces zwischen 30 und 70 Quadratmetern, werden hier komplett fertig gebaut, mit einem Tieflader angeliefert und per Autokran aufgestellt.

Der Trend gehe zu kleineren Wohneinheiten, sagt Schwörer und will jährlich 100 solcher schlüsselfertiger Minihäuser bauen. Der Quadratmeterpreis liegt je nach Ausstattung bei 2100 bis 2500 Euro. Damit eröffneten sich auch ganz neue Perspektiven der urbanen Nachverdichtung – ob als angedocktes Wohnmodul oder als Aufbau fürs Flachdach, sagt Schwörer. 2011 hat der Mittelständler erstmals damit experimentiert, mittlerweile wurden schon mehr als 200 der Wohnmodule gebaut – in hochwärmegedämmter Holzbauweise.

Nicht nur die robuste Baukonjunktur, auch das Geschäft mit Holzverpackungen (Paletten), das 2018 um 23 Prozent auf eine Milliarde Euro zulegte, sorgte bei der Holzindustrie für Wachstum. Die Branche, die 934 Betriebe mit mehr als 155 600 Mitarbeitern zählt, schaffte 2018 rund 3600 neue Arbeitsplätze und wuchs zum fünften Mal in Folge um rund 2,5 Prozent auf 36,5 Milliarden Euro.

Verbandspräsident Schwörer bricht bei einem Besuch mehrerer holzverarbeitender Unternehmen im Land eine Lanze für den Einsatz von Holz. Während des Wachstums entziehe Holz der Atmosphäre klimaschädliches CO2und speichere den Kohlenstoff über seine gesamte Lebensdauer. Die Speicherleistung beträgt eine Tonne Kohlenstoff pro Kubikmeter. Werde das Holz für den Bau von Häusern oder etwa Möbeln genutzt, bleibe der gebunden – eine Art CO2-Speicher, so Schwörer. Wenn ein Baumstamm durch einen Sturm verrotte oder ein weggeworfenes Holzprodukt verbrannt werde, werde das darin enthaltene CO2früher freigesetzt. „Das wird viel zu wenig erkannt“, findet Schwörer.

Um Anreize für die Verwendung des klimafreundlichen Werkstoffes Holz zu setzen, fordert der Holzindustrie-Verband, die Mehrwertsteuer für Holzbauprodukte – vom Möbel übers Haus bis zum Parkettboden – auf den ermäßigten Satz von sieben Prozent zu senken. Abgesehen von den Engpässen bei Eiche, werde für die Verbraucher Holz nicht knapp, sagt Schwörer. Bei Fichte habe sich die Versorgung wieder entspannt. Zwar habe die Trockenzeit des letzten Sommers den Beständen zugesetzt, doch das Angebot an Nadelholz decke auch eine leicht steigende Nachfrage.

Die Holzindustrie ist vielfältig. Beim Möbelhersteller Staud in Bad Saulgau, dem Marktführer für Schwebetürenschränke in Deutschland, wird gerade eine neue zehn Millionen teure Produktionslinie hochgefahren. Die rund 160 Mitarbeiter produzieren dort pro Jahr an die 100 000 Schränke – wenige Bauteile, die viele Varianten ermöglichen – Kleinmöbel und Betten. Auch der Reisemobilhersteller Hymer in Bad Waldsee setzt beim Innenausbau auf Holz – vom Regal bis zur Küchenplatte. Rund 30 Prozent eines Reisemobils sind Holzbauteile

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Erstellt:
11. April 2019, 03:12 Uhr

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