Bauernverband sieht höheren Mindestlohn skeptisch
dpa/lsw Stuttgart. Zwölf Euro Mindestlohn - ein Kernprojekt der SPD innerhalb der Ampelkoalition im Bund. Jetzt wird es die erste Etappe nehmen. Heftige Kritik kommt von den Landwirten.
Kurz vor dem geplanten Kabinettsbeschluss in Berlin für die Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro je Stunde warnt der Landesbauernverband vor den Folgen für Sonderkulturenbetriebe. Präsident Joachim Rukwied sagte in Stuttgart, die Anhebung verschärfe den Wettbewerbsdruck bei den Betrieben, die Obst, Gemüse und Wein anbauten und gefährde sie. „Außerdem verdrängt dieser vor allem den Obst- und Gemüseanbau in europäische Regionen mit niedrigeren Löhnen und Sozialstandards.“
Rukwied verwies auf die Anbauflächen für Erdbeeren im Land. Seit der Einführung des Mindestlohns 2015 sei sie um 22 Prozent zurückgegangen. „Ein derartiges Szenario befürchten wir jetzt auch bei weiteren Kulturen.“ Benötigt werde ein zeitlich gestaffelter Übergang. Die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns sei ein erneuter Eingriff in die durch das Grundgesetz geschützte Tarifautonomie, kritisierte Rukwied, der zugleich auch die Interesse der Landwirte bundesweit vertritt. „Das Aushandeln von Löhnen ist und bleibt die Aufgabe der Tarifparteien, in die der Staat nicht eingreifen darf.“
Im Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil ist vorgesehen, dass der gesetzliche Mindestlohn zum 1. Oktober auf zwölf Euro steigt. 6,2 Millionen Beschäftigte sollen davon profitieren. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die zwölf Euro als Kernversprechen mit ins Zentrum seines SPD-Wahlkampfs gerückt. Laut Entwurf soll danach wieder die entsprechende Kommission zuständig sein.
Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut fordert Nachbesserungen. „Erstens sollte eine Übergangsregelung geschaffen werden, nach der Tarifverträge mit einem geringeren Mindestlohn stufenweise an die zwölf Euro angepasst werden können“, sagte die CDU-Politikerin der „Heilbronner Stimme“ und dem „Südkurier“ (Mittwoch). So würden Tarifverträge geschützt, und die betroffenen Betriebe hätten die Möglichkeit, sich Schritt für Schritt auf die höheren Vergütungen einzustellen. Zweitens müsse eine Evaluierungsklausel eingebaut werden. Denn staatliche Eingriffe in die Lohngestaltung, die normalerweise den Tarifpartnern oblägen, hätten weitreichende Auswirkungen auf die Tarifbindung.
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