Stärkste Fraktion in Pforzheim
Bei der ersten Sitzung macht die AfD keinen Stich
Das ist landesweit einmalig: Seit der Kommunalwahl ist die AfD in Pforzheim die stärkste Fraktion. Jetzt will die junge Fraktionschefin dort die Brandmauer zum Einsturz bringen.
Von Eberhard Wein
Vor dem Neuen Rathaus in Pforzheim, demonstrieren die Omas gegen Rechts und ein Häuflein Antifa-Aktivisten, drinnen strahlt Diana Zimmer und gibt Interviews. Die 26-Jährige ist das attraktive Vorzeigegesicht der Pforzheimer AfD. Mit 18 ist sie in die Partei eingetreten, mit 21 wurde sie erstmals in den Gemeinderat gewählt, mit 24 hat sie für den Bundestag kandidiert. Jetzt ist sie die Chefin der größten Fraktion im Pforzheimer Gemeinderat. Nirgendwo in Baden-Württemberg hat die AfD eine solche Position erobert. Es gebe einen enormen Rechtsruck in Pforzheim, beklagt eine Rednerin bei der Kundgebung.
Doch zunächst werden im Neuen Rathaus für die konstituierende Sitzung nur Stühle gerückt. 15 Stadträte scheiden aus, 15 werden neu vereidigt. „Der Gemeinderat ist keine Showbühne für Selbstdarsteller“, erinnert die scheidende CDU-Chefin Marianne Engesser in ihrer Abschiedsrede. „Hier geht es ausschließlich um das Wohl der Stadt.“
17 Listen drängen sich im Gemeinderat
Denn das ist auch so ein Problem, mit dem Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) und seine Verwaltung umzugehen haben. Außer der AfD schaffte nur die CDU (20,8 Prozent) ein zweistelliges Ergebnis. Dafür gibt es insgesamt 17 Listen, darunter acht Einzelstadträte, die sich teilweise zu kuriosen Zweckgemeinschaften gruppiert haben. Schuld sei das Wahlsystem, das kleine Gruppierungen bevorteile, sagt Engesser.
Es sei auch Aufgabe der Gemeinderatsfraktionen, durch inhaltliche Anträge die Stadt weiter zu bringen, sagt Engesser. Bisher, so glauben viele, sei das nicht gerade die Kernkompetenz der AfD gewesen. Die SPD-Fraktionschefin Annkathrin Wulff hat nachgezählt. Bisher sei ihre Fraktion halb so groß wie die AfD gewesen, „trotzdem haben wir doppelt so viele Anträge erarbeitet.“
Rülke erklärt die Brandmauer
Allerdings hat sowieso kaum jemand Ambitionen, Anträge der AfD zu unterstützen. „Wir wählen keine AfD-Politiker in Ämter, wir stimmen keinen AfD-Anträgen zu, wir stellen keine gemeinsamen Anträge“, sagt Hans-Ulrich Rülke, FDP-Stadtrat und Chef der FDP-Landtagsfraktion. Es werde sich gar nicht so viel ändern, prophezeit Rülke daher. Als größter Fraktion stünde der AfD nun das erste Rederecht zu. Ansonsten sei sie mit ihren neun Stadträten von der Mehrheit weit entfernt. Die liegt in Pforzheim bei 21 Stimmen. Das zeigt sich schon bei der ersten Abstimmung.
Die CDU will die Ausschüsse im Gemeinderat von zwölf auf 13 Köpfe vergrößern, um dann wie die AfD jeweils drei Vertreter benennen zu können. Die meisten anderen Fraktionen können diesen Wunsch nachvollziehen. Nur AfD und Grüne sind dagegen. Doch Zimmer ficht das nicht an. Mehr als 17 000 Stimmen, fast so viele wie Rülke und damit Platz drei unter allen Gemeinderatskandidaten, hat die Tochter von Russlanddeutschen bei der Wahl geholt. Man habe auf kommunale Themen gesetzt und eine ausgewogene Fraktion gebildet – gemischtes Alter, gemischte Berufe.
Die neue Spitzenfrau hält sich zurück
Allerdings ist sie die einzige Frau. Jetzt sagt sie: „Wir werden die Brandmauer gegen die AfD zum Einsturz bringen.“ Man wolle mit Sachpolitik punkten. Vom Erstrederecht macht sie bei der konstituierenden Sitzung keinen Gebrauch. Offenbar dauert es mit dem Angriff auf die Brandmauer noch.
Doch vielleicht sehen die vielen kleinen Gruppierungen das ja nicht so eng. Am Mittwoch will sich ein Stadtrat von Aiwangers Freie-Wähler-Partei in Pforzheim zum Ersten Bürgermeister wählen lassen – mit Hilfe der AfD.