Hans-Jürgen Boysen vor Stuttgarter Kickers gegen OFC

„Beide Clubs lechzen doch nach dem Aufstieg“

Hans-Jürgen Boysen war Trainer der Stuttgarter Kickers und sitzt aktuell im Aufsichtsrat von Kickers Offenbach. Vor dem direkten Duell spricht der Fußballlehrer aus Großaspach über Parallelen zwischen beiden Clubs und die Schwierigkeit, aus der Regionalliga aufzusteigen.

Hans-Jürgen Boysen als OFC-Aufsichtsrat auf der Tribüne im  Stadion am Bieberer Berg (li.) und als Trainer der Stuttgarter Kickers im Jahr 2000

© IMAGO/Hartenfelser/IMAGO/Peter Hartenfelser/Baumann

Hans-Jürgen Boysen als OFC-Aufsichtsrat auf der Tribüne im Stadion am Bieberer Berg (li.) und als Trainer der Stuttgarter Kickers im Jahr 2000

Von Jürgen Frey

Mehr Tradition und Fan-Kultur geht in der Regionalliga Südwest nicht. An diesem Samstag (14 Uhr/Gazi-Stadion) treffen die Stuttgarter Kickers auf Kickers Offenbach. Hans-Jürgen Boysen kennt beide Clubs und gibt seine Einschätzung im Aufstiegsrennen ab.

Herr Boysen, werden wir Sie am Samstag im Gazi-Stadion sehen?

Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch. Ich wohne ja seit 25 Jahren in Großaspach, schaue mir alle OFC-Spiele live an. Wenn ich mal nicht im Stadion sein kann, dann verfolge ich die Spiele via Stream.

Was erwarten Sie für ein Spiel?

Ein Top-Duell, ein absolutes Highlight für die Regionalliga in einer großartigen Atmosphäre.

Wie viele Fans kommen aus Offenbach mit?

Wir hatten in Fulda 2000 Anhänger dabei, in Hoffenheim waren es über 3000, ähnlich viele OFC-Fans erwarte ich auch in Degerloch.

Zuletzt gegen Eintracht Trier strömten 9723 Zuschauer auf den Bieberer Berg.

Ja, das ist überragend. Leider hat es nach zweimaliger Führung nur zu einem 2:2 gereicht, weshalb wir die Tabellenführung wieder an die TSG Hoffenheim II abgeben mussten. Auch der FSV Frankfurt hat uns überflügelt.

Wie schätzen Sie die Lage an der Spitze ein?

Es geht sehr, sehr eng zu. Nur ein Beispiel: Wir waren am ersten Spieltag 2025 in der 95. Minute neun Punkte hinter Hoffenheim. Dann gelang uns im direkten Duell bei der TSG noch der Last-Minute-Ausgleich, zwei Spieltage später waren wir Spitzenreiter. Es sind noch 30 Punkte zu vergeben, von daher haben auch die Stuttgarter Kickers noch alle Chancen – trotz ihrer beiden Auswärtsniederlagen.

„Das war für die Blauen schon traurig“

Bei einer Heimpleite gegen den OFC könnten die Blauen aber die Saison abhaken.

Das mag sein und macht die Aufgabe für uns mit Sicherheit nicht leichter. Letztendlich war es für die Blauen schon sehr traurig, dass sie ihren großen Vorsprung in der vergangenen Saison nicht ins Ziel retten konnten.

Weil man, um aus dieser starken Liga herauszukommen, auch mal die Gunst der Stunde nutzen muss?

Finde ich schon, ja. Wenn man als Neuling zunächst einmal unter dem Radar schwirrt, Euphorie da ist, man in einen Flow kommt, sich ein Punktepolster erarbeitet, dann ist das schon eine Riesenchance. Das zeigen ja auch die Beispiele SV Elversberg oder SSV Ulm 1846, die dann sogar in die zweite Liga durchmarschiert sind.

Eine Liga, von der beide Kickers-Teams träumen.

Klar, die Tradition, die Fan-Kultur, das Stadion geben das ja auch her. Beide Clubs lechzen doch nach dem Aufstieg. Aber wie schwer es ist, erst einmal aus der Regionalliga rauszukommen, zeigt ja das Bespiel OFC, der jetzt schon in der zwölften Saison versucht, wieder in die dritte Liga aufzusteigen.

Was macht es denn so schwer?

Du musst unter Profibedingungen arbeiten, bekommst aber so gut wie keine TV-Gelder. Der Spagat zwischen wirtschaftlichen Möglichkeiten und sportlichem Anspruch ist riesig. Dann hast du noch die zweiten Mannschaften von Hoffenheim, Freiburg, Mainz, Eintracht Frankfurt, letztes Jahr den VfB, als Konkurrenz. Wenn die aufsteigen wollen, dann steigen die auf. Und es gibt eben nur einen Aufstiegsplatz für den Meister und keine Relegation.

„Mehr sportfachliche Expertise in Aufsichtsrat“

Sie haben den OFC als Trainer zweimal in die zweite Liga geführt. War das der Grund, Sie vor eineinhalb Jahren in den Aufsichtsrat zu holen?

Man wollte mehr sportfachliche Expertise in den Aufsichtsrat holen. Ich denke dieses Fachwissen tut ganz grundsätzlich einem Kontrollgremium gut, in dem größtenteils honorige Geschäftsleute sitzen. Schließlich werden dort ja auch strategische Entscheidungen wie die Besetzung von Trainer- und Sportdirektorenposten und auch des Kaders getroffen.

Bei den Stuttgarter Kickers gaben Sie im Jahr 2000 als Trainer nur ein kurzes Gastspiel.

Nach dem sportlichen Abstieg aus der zweiten Liga haben mich Präsident Axel Dünnwald-Metzler und Manager Andi Kleinhansl geholt. Nach dem Lizenzentzug für Tebe Berlin blieben wir dann doch in der zweiten Liga – und nach einem holprigen Start war es dann leider zu schnell vorbei für mich. Der Verein holte Rainer Zobel zurück, verband mit seiner Person Erinnerungen an glorreiche Zeiten. Schade, ich wäre gerne länger geblieben.

Aus der damaligen Kickers-Mannschaft sind viele etwas geworden.

Stimmt, Marcus Sorg war mein Co-Trainer. Die Spieler Alexander Blessin, Cristian Fiel, Markus Weinzierl oder Torsten Ziegner sind sehr gute Trainer geworden (lacht).

Wie geht es aus am Samstag?

Es wird knapp. Ich hoffe auf ein 2:1 für den OFC.

Der dann am Ende aufsteigt?

Der Glaube ist auf jeden Fall vorhanden. Aber es wird eine sehr enge Kiste, und auch den FSV Frankfurt sollte man beachten. Den hat irgendwie keiner so richtig auf dem Zettel gehabt, sie halten sich aber verdient und hartnäckig da oben.

Wenn es die Stuttgarter Kickers nicht packen, können Sie sie dann nächste Saison bei einem Punktspiel in ihrem Wohnort begutachten?

Die SG Sonnenhof Großaspach hat eine tolle, leidenschaftliche Mannschaft und spielt eine überragende Oberligasaison. Im dritten Anlauf wird sie die Rückkehr in die Regionalliga schaffen und dann können sich hier im Fautenhau alle zumindest auf ein Kickers-Team freuen.

Zur Person

Karriere Hans-Jürgen Boysen wurde am 30. Mai 1957 in Mannheim geboren. Als Profi spielte er für den Karlsruher SC und den 1. FC Saarbrücken. Seine Trainerstationen waren u.a. SV Sandhausen (1994 bis 1996 und 2001 bis 2002), Kickers Offenbach (1997 bis 1999, 2004 bis 2006 und 2008 bis 2009), Stuttgarter Kickers (1. Juli 2000 bis 25. September 2000), FC Schweinfurt 05 (2002 bis 2003),

Persönliches Boysen ist verheiratet mit Kathrin, der Nichte von Hotelier und Ex-Spielerberater Uli Ferber. Er wohnt in Großaspach, das Paar hat eine Tochter und einen Sohn. Er ist Inhaber eines Oldtimerverleihs. (jüf)

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Erstellt:
18. März 2025, 11:38 Uhr

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