Beim E-Auto ist Daimler zum Erfolg verdammt
Der Konzern muss Kosten senken und zugleich die Beschäftigung sichern – ein schwieriger Spagat
Vor zwei Jahren gab es heftige Auseinandersetzungen um die Zukunft des Daimler-Werks Untertürkheim. Die Beschäftigten befürchteten, dass ihre Arbeitsplätze durch den Umschwung vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb unter die Räder kommen, weil E-Antriebe aus viel weniger Teilen bestehen. Erst nach schwierigen Verhandlungen zwischen Management und Betriebsrat konnte der Streit geschlichtet werden. Der Unternehmensleitung sagte zu, dass neben Achsen, Getrieben und Motoren für Verbrennungsmotoren in Untertürkheim auch einige Komponenten für Elektroantriebe gefertigt werden. Nun zeigt sich, dass der Konflikt nicht wirklich beigelegt wurde. Der Betriebsrat will nun durchsetzen, dass auch E-Motoren und weitere Komponenten für Stromer produziert werden.
Diese Auseinandersetzung könnte in den kommenden Jahren zu einem Dauerbrenner werden und noch an Brisanz zunehmen. Denn Daimler setzt gerade erst zu einer Aufholjagd bei Elektroautos an. Im vergangenen September ist der Geländewagen EQC als erster Vertreter einer ganzen Modellfamilie vorgestellt worden. Die Ziele sind ehrgeizig. Bereits bis Mitte des nächsten Jahrzehnts sollen bis zu 25 Prozent aller verkauften Autos einen Elektroantrieb haben. Daimler ist hier zum Erfolg verdammt, denn das Unternehmen gerät gleich von mehreren Seiten unter starken Druck. In China, dem wichtigsten Markt, gelten seit diesem Jahr feste Mindestquoten für den Absatz von Stromern. In Europa muss die Mercedes-Flotte bereits in den kommenden Jahren schärfere Grenzwerte für Kohlendioxid erreichen. Im vergangenen Dezember hat die EU zudem für 2030 noch härtere Vorgaben für den Klimakiller gemacht. Daimler-Chef Dieter Zetsche hat in diesem Monat geklagt, dass derzeit noch niemand wisse, ob und wie diese Ziele bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts erreicht werden können. Denn der Trend zu spritdurstigen Geländewagen und die Abkehr vom Diesel führt dazu, dass der Ausstoß von Kohlendioxid zuletzt sogar zugenommen hat. Verfehlt Daimler jedoch diese Vorgaben, droht nicht nur ein Imageverlust, sondern muss das Unternehmen auch hohe Strafen zahlen.
Elektroautos können wesentlich dazu beitragen, die Grenzwerte zu erreichen. Doch sie müssen auch gekauft werden. Dafür spielen attraktive Preise eine Schlüsselrolle. Daimler muss die Kosten stark drücken, damit die E-Autos nicht teurer sind als die Verbrenner. Dies dürfte eine große Herausforderung werden, weil die Batterien viel Geld kosten. Daimler will zudem immer mehr Zulieferteile lokal in den Ländern kaufen, in denen die Wagen auch produziert und verkauft werden, um unabhängiger von Schwankungen des Wechselkurses und Handelskonflikten zu werden. Für die Jobs im gesättigten Markt Deutschland, wo die Löhne hoch sind, sind das keine guten Aussichten. Das Unternehmen hat jedoch zugesichert, dass es bis Ende 2029 zumindest keine Kündigungen geben darf.
Um möglichst viel Beschäftigung hierzulande zu erhalten, muss den Betriebsräten die Chance gegeben werden, vor einer Auftragsvergabe an Zulieferer zu prüfen, ob sich auch eine Fertigung bei Daimler rentiert. Dafür wurde eigens ein Innovationsausschuss eingerichtet. Doch gleich zum Auftakt gibt es Ärger. Der Konzern droht schon vorab damit, künftig „auf dem Weltmarkt“ einzukaufen. Das kostet Vertrauen – und dies ausgerechnet in einem Jahr, in dem die Abkühlung der Konjunktur, der Wechsel von Dieter Zetsche zu Ola Källenius an der Unternehmensspitze sowie die Aufspaltung des Konzerns in rechtlich eigenständige Spartenunternehmen ohnehin für Unruhe sorgen dürfte.
harry.pretzlaff@stzn.de