Friedrich Merz bei Caren Miosga

Beim Macho-Vorwurf schmunzelt Merz

Im ARD-Talk verrät CDU-Chef Merz, wer ihn fürs Kanzleramt coacht. Er zieht eine rote Linie zu Sahra Wagenknecht und benennt Fehler in der Ukrainepolitik von Kanzler Olaf Scholz. Etwas laut wird es im Studio beim Thema Frauen.

CDU-Chef Friedrich Merz (Archivbild)

© IMAGO/Jürgen Heinrich/IMAGO/Jürgen Heinrich

CDU-Chef Friedrich Merz (Archivbild)

Von Christoph Link

Wenn der CDU-Parteivorsitzende und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz in einer Talkrunde sitzt, werden meist einige seiner Aufsehen erregenden Aussagen diskutiert und von ihm dann korrigiert: „Da bin ich missverstanden worden.“ Auch bei Miosga war das am Sonntagabend mindestens zweimal der Fall. Aber zunächst mal zur politischen Tour d‘ Horizon, die Moderatorin und Gast zwei Tage nach Merz‘ Auftritt beim CSU-Parteitag, unternahmen. Dass es ein Foto gibt, wo CSU-Chef Markus Söder in Augsburg eine tiefe an einen Kotau erinnernde Verbeugung vor Merz macht, das will der Christdemokrat nicht als besonderes Zeichen sehen. So ein Bild von ihm in gebeugter Haltung mit Söder gebe es von ihm sicher auch. Die Linien zur CSU sind jedenfalls geklärt, deren Loyalität gesichert, aber wie genau Merz und Söder nun ihre Einigung eingefädelt hatten – einst wie Angela Merkel und Edmund Stoiber beim Frühstück? – das wollte Friedrich Merz der fragenden Miosga nicht verraten: „Die Inszenierung kriegen Sie von mir nicht.“ Für die CDU spannender und bedrohlicher könnten die weitere Entwicklung nach den Landtagswahlen im Osten sein, wo die jeweilige Landes-CDU in Sachsen und Thüringen zum Regieren auf eine Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) angewiesen sein könnte. Der Partei könnte daraus ein „Spaltpilz“ erwachsen, sagen Experten.

Höcke in Erfurt stoppen

Merz versucht immerhin die Zügel zu straffen. Einen Verhandlungen mit Moskau fordernden Gastbeitrag der CDU-Politiker Michael Kretschmer (Sachsen) und Mario Voigt (Thüringen) in der FAZ habe er vor dem Abdruck gelesen, man habe „über den Text gesprochen“ und er hätte „ihn so nicht geschrieben“ – aber er verstoße auch nicht gegen die CDU-Richtlinien. Die Forderungen nach Diplomatie seien ja inzwischen Allgemeingut, meint Merz, und wenn so etwas in die Präambeln von Koalitionsvereinbarungen in Dresden und Erfurt geschrieben werden, störe das nicht. Eine wichtige Forderung von Sahra Wagenknecht, der Verzicht auf die Stationierung der US-Mittelstreckenraketen, werde gar nicht auf Landesebene entschieden, im übrigen würden die Waffen nur im Westen stationiert. „Wir lassen uns von Frau Wagenknecht nicht am Nasenring durch die Manege führen“, meinte Merz. Sie habe zu akzeptieren, dass die CDU eine klare Position zu den Raketen haben und auch ihre Prinzipien wie Westbindung und Nato-Mitgliedschaft nicht aufgebe. Auf der anderen Seite müsse „alles getan werden“ um zu verhindern, dass ein Mann wie Björn Höcke (AfD) mit einfacher Mehrheit zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt werde.

Wieso macht sich Europa klein?

Aus diesen Worten höre sie eine Kompromissbereitschaft heraus, meinte Caren Miosga, worauf Merz antwortete, Kompromisse gehörten nun mal zur Politik. Die aktuelle Ukrainepolitik der Bundesregierung hält Merz in Teilen für verfehlt: Wäre er Kanzler gewesen, so hätte er das mit 20 Staats- und Regierungschefs geplante Ukraine-Treffen in Ramstein nicht abgesagt, nur weil der US-Präsident wegen eines Hurrikans nicht kommen konnte. „Wieso machen sich die Europäer kleiner als sie sind? Ich hätte versucht, die Konferenz zu retten“, so Merz. Ohnehin werde sich Europa darauf einstellen müssen, ohne die USA auszukommen, es müsse „in diesem Krieg“ eine stärkere europäische Rolle eingenommen werden. Die von der CDU zweimal vergeblich beantragte Forderung nach Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine schwächte Merz allerdings etwas ab: Wäre er Kanzler, würde er Wladimir Putin auffordern, die Bombardements von zivilen Zielen wie Krankenhäusern zu stoppen. Erst wenn das nicht aufhöre, würde er die für die Kiew geltende Reichweitenbegrenzung von Raketen auf russischem Gebiet aufheben und die Taurus liefern.

Popularität ist begrenzt

Bis zu einer Merz‘schen Kanzlerschaft liegt allerdings noch eine Strecke und das Wählervotum. Bei der Frage, wer ein guter Kanzler sei, kommt Merz in einer Umfrage auf nur 26 Prozent Zustimmung (die CDU erreicht in Umfragen 31 Prozent), er liegt aber knapp vor Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Grüne). „Die Zahlen sind bei uns allen nicht gut“, so Merz. Bei ihm selbst sei aber bei der Popularität „Luft nach oben“. Gerade bei Frauen scheint Merz nicht besonders zu punkten – was der mit seinem Hinweis auf seine Ehegattin und seine Töchter dementierte. Es gebe Frauen, die hätten ein Problem mit Friedrich Merz, so die in einem Video eingespielte „Zeit“-Redakteurin Mariam Lau: Die Hälfte ihrer Bekannten, so Lau, halte Merz für einen „klassischen Macho alter Schule.“ Dieser Satz wurde von den Studiogästen mit Applaus quittiert. Ob das nun Schmähkritik sei oder zutreffe, wollte Caren Miosga von Merz wissen, worauf der schmunzelte und sagte: „Ich fühle mich überhaupt nicht angesprochen.“ Merz will mehr Frauen als CDU-Kandidatinnen gewinnen, nur ein Viertel der CDU-Fraktion im Bundestag seien Frauen. Ein paritätisch besetztes Bundeskabinett, nach dem Miosga fragte, sagte er aber nicht zu. Auch auf die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen will die CDU im Wahlkampf stärker ihren Fokus richten, in der Sozial- und Rentenpolitik aber verkündete Merz alte Positionen: Schärfere Regeln beim Bürgergeld, was das Schonvermögen und die Zumutbarkeit von Arbeitsangeboten anbelange. Der Satz von Mitarbeitern in Betrieben gesprochen, man gehe „jetzt mal ins Bürgergeld“, der sei doch schon zum geflügelten Wort geworden, meinte Merz, so etwas sei „unfair“ gegenüber den Arbeitenden. „Das muss beendet werden.“ Ein höherer Mindestlohn – die SPD will 15 Euro – könnte den Abstand von Niedriglohn zum Bürgergeld erhöhen, hielt Miosga dem CDU-Chef vor. Doch Merz will keine staatliche Festsetzung des Mindestlohns, dies soll weiter der paritätisch besetzten Mindestlohnkommission überlassen werde.

Vertrackte Steuerrechnung

Die von der SPD vorgeschlagene Steuerreform zur Entlastung von 95 Prozent der Einkommenssteuerzahlenden und Belastung von ein Prozent der Besserverdienenden hält Merz für einen Angriff auf die „Leistungsträger unserer Gesellschaft, Mittelstand und Handwerk“. „Wenn Sie 95 Prozent Entlastung haben und ein Prozent Belastung, kommen Sie auf 60 Prozent Steuerlast und plus. Na dann, gute Reise!“ Caren Miosga vermittelte den Eindruck, die Rechnung nicht so ganz nachvollziehen zu können („Die SPD will doch 48 Prozent?“), selbst wenn sie auf einen Bierdeckel passt. Vertieft wurde das Thema aber nicht. Als Kanzlerkandidat lässt sich Merz, der noch keine Regierungserfahrung hat, nach eigenem Bekunden beraten von Menschen, die „im Maschinenraum der Macht“ gewesen seien, namentlich Ex-Bundesverteidigungsminister Thomas De Maiziere und Ex-Kanzleramtschef Helge Braun (beide CDU). Vor Missinterpretationen seiner Aussagen können die Merz offenbar nicht schützen. So sorgte ein Statement von Merz für Aufsehen, in dem es um ein Foto von Ricarda Lang (Grüne) und ihrem Bräutigam in einem Taxi ging, das von einem Fahrer mit Palästinensertuch auf dem Kopf gesteuert wurde. Auf die Frage in einem Interview, ob Frau Lang wohl auch alleine in das Taxi hätte steigen sollen, hatte Merz geantwortet, dass der Fahrer ihm als Mann sicher mehr Respekt gegenüber erbringen würde als ihr als Frau. Lang hatte daraufhin verlautbaren lassen, sie könne sehr wohl für sich selber sorgen. Er sei da missverstanden worden, so Merz. Miosga hielt ihm auch eine Redepassage von ihm vor, in der es hieß, Robert Habeck sei Kinderbuchautor und er, Merz, sei Jurist. Sie beide verstünden daher nichts von Technologie. Warum er weggelassen habe, dass Habeck promovierter Literaturwissenschaftler sei, wollte Miosga wissen. Merz erklärte: „Kinderbuchautor – das war nicht abwertend gemeint.“

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Erstellt:
14. Oktober 2024, 06:33 Uhr

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