Beim SWR tobt der Intendanten-Wahlkampf
Eine Findungskommission schlägt zwei Kandidaten für den Chefposten vor – prompt hagelt es Proteste über das „intransparente Verfahren“
Stuttgart Wie findet man einen neuen Rundfunkintendanten? Im Sommer will Peter Boudgoust seinen Chefsessel beim SWR vorzeitig räumen. Seit Dezember müssen sich die Mitglieder von Rundfunk- und Verwaltungsrat, den beiden Aufsichtsgremien des Senders, Gedanken über seinen Nachfolger machen. Die leichteste Übung war noch, Mitte Januar eine Stellenaussreibung zu veröffentlichen: „Die Stelle der/des Intendantin/Intendanten (M/W/D) des Südwestrundfunks ist neu zu besetzen.“ Bewerbungsschluss war der 1. März.
Doch genau seit diesem 1. März wird die Lage komplizierter, denn seitdem ist eine zwölfköpfige „Arbeitsgruppe Intendantenwahl“ mit dem Sichten der eingegangenen Unterlagen beschäftigt. Ihre Aufgabe, schlicht gesagt: schauen, wer überhaupt infrage kommt, und den Gremien für eine Sitzung am 22. März Bericht erstatten, nebst Vorschlag über das weitere Vorgehen.
Diesen Auftrag hat das Gremium recht weitgehend interpretiert: Unter den, wie man hört, rund 15 eingetroffenen Bewerbungen hat man sechs wirklich Qualifizierte gefunden. Von diesen sechs wiederum schlägt man aber nur zwei zum weiteren Check vor: die Stuttgarterin Stefanie Schneider, derzeit Direktorin des SWR-Landessenders Baden-Württemberg, und den Hamburger Kai Gniffke, Chefredakteur von „Tagesschau“ und „Tagesthemen“.
Auf der Strecke blieben damit schon jetzt, wie unserer Zeitung aus mehreren Quellen bestätigt wird, mindestens drei weitere interessante Bewerber: NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz, SWR-Verwaltungsdirektor Jan Büttner und Clemens Bratzler, Chef der SWR-Abteilung Multimediale Aktualität – alle so illuster, dass ihr Misserfolg in der Vorauswahl ganz sicher nicht sang- und klanglos über die Bühne gehen kann.
Warum die Vor-Festlegung? Die Arbeitsgruppe sei so vorgegangen, erläutert Hans-Alber Stechl von der Arbeitsgruppe Intendantenwahl, „um dem komplizierten Intendanten-Wahlverfahren gerecht zu werden, wie es der SWR-Staatsvertrag vorgibt“. Das Intendanten-Wahlgremium besteht immerhin aus 92 Mitgliedern, politischen Vertretern aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, vor allem aber der gesellschaftlichen Gruppen und Verbände. Pro Versammlungstag sind nur zwei Wahlgänge erlaubt; benötigt wird für den Intendanten nicht nur eine absolute Mehrheit im Gesamtgremium, sondern auch jeweils in den Teilgremien der beiden Länder. Gibt es die auch im zweiten Wahlgang nicht, müssen alle wieder heimfahren und dürfen sich frühestens sechs Wochen später neu versammeln. Anders gesagt: Stehen zu viele Kandidaten zur Auswahl, können leicht Monate vergehen.
Andererseits gelten nun zwei Bewerber als sichere Kandidaten. „Das gehörte ausdrücklich nicht zu unseren Aufgaben“, bestätigt Stechl. „Aber wir machen den beiden Gremien am 22. März ja auch nur einen Vorschlag.“ Alle Mitglieder von Verwaltungs- und Rundfunkrat bekämen natürlich Einsicht in alle Bewerbungsunterlagen. Eine Sicht, die auch der SWR-Sprecher Wolfgang Utz bestätigt: „Die Arbeitsgruppe hat allein vorbereitende Funktion. Alles Weitere entscheiden die Gremien im Ganzen.“
Nichtsdestotrotz sind die zwei Namen Stefanie Schneider und Kai Gniffke nun in der Welt – der Wahlkampf hat begonnen. Ob es trotzdem angemessen ist, schon zum jetzigen Zeitpunkt auf die Ideen eines so angesehenen Journalisten wie Andreas Cichowicz oder des Verwaltungsexperten Jan Büttner ganz zu verzichten, daran entzündet sich prompt Kritik. Ganz zu schweigen vom Potenzial eines Clemens Bratzler, der nicht nur mit seiner Multimedia-Perspektive, sondern auch mit seinen 46 Lebensjahren für einen echten Generationenwechsel am Stuttgarter Neckartor sorgen würde.
Senderintern war gestern bis in die aktuelle Führungsspitze hinein von einem „enttäuschend intransparenten Verfahren“ die Rede. Es sollte nicht wundern, wenn der Kreis der aussichtsreichen Bewerber doch noch größer wird.