Beleidigung und Bedrohung auf dem Backnanger Straßenfest

Vor dem Amtsgericht wird ein Streit unter Nachbarn verhandelt. Zwei Videoaufnahmen des Geschädigten sorgen für Klarheit.

Der Fall ist vor dem Backnanger Amtsgericht verhandelt worden. Archivbild: Edgar Layher

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Der Fall ist vor dem Backnanger Amtsgericht verhandelt worden. Archivbild: Edgar Layher

Von Carolin Aichholz

Backnang. Das Backnanger Straßenfest ist für die meisten Bürger sicher ein einziges großes Fest, eine Nachwehe beschäftigte am gestrigen Montag jedoch auch das Amtsgericht in Backnang. Ein bereits jahrelang schwelender Streit unter Nachbarn gipfelte in einer Schimpftirade. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, in diesem Jahr auf dem Straßenfest einen Mann, der seine Geschäftsräume im selben Haus hat, beleidigt und bedroht zu haben.

Die Anklage stützte sich auf zwei Videos, in denen der Angeklagte den Geschädigten unter anderem als Betrüger, Arschloch, Nazi, Rassist und homosexuell bezeichnet und Drohungen gegen ihn ausspricht. Unter anderem ist zu hören: „Wenn ich dich in meine Hände kriege, bist du kaputt.“ Zudem spuckt er vor dem Zeugen auf den Boden.

Der Angeklagte äußerte sich zu den Vorwürfen und gab an, er sei mit Bekannten unterwegs gewesen und habe nach der Arbeit an diesem Abend sehr viel getrunken. Als er nach Hause gehen wollte, traf er vor seinem Haus auf den Zeugen und Geschädigten. Dieser saß auf der Terrasse, auf der er für die Dauer des Straßenfests Bänke für seine Geschäftskunden aufgestellt hatte. An den weiteren Verlauf der Gespräche habe sich der Angeklagte nicht mehr erinnern können. Erst während des Gesprächs mit seinem Rechtsanwalt kehrte die Erinnerung an einige seiner Aussagen an dem Abend wieder zurück.

Der Geschädigte wurde als Zeuge vernommen. Er gab an, dass der Angeklagte ihn bereits seit mehreren Jahren immer wieder beleidige und bedrohe. Das tue er jedoch nur, wenn keine weiteren Zeugen in der Nähe seien. Am besagten Abend war jedoch seine eigene Verlobte zugegen. Auch die Tochter des Angeklagten war kurz in den Videos zu sehen, wie sie versuchte, ihren Vater zu besänftigen. Ein weiterer Nachbar habe die Szene von seinem Fenster aus beobachtet. Da der Geschädigte fest damit rechnete, dass nun wieder Beleidigungen folgen würden, habe er damit begonnen, die Unterhaltung mit dem Angeklagten zu filmen und zu kommentieren.

Provokation oder nur ein Wutausbruch?

Diese Aussage warf bei der Staatsanwaltschaft Fragen auf, denn beide Videos beginnen eher proaktiv mit Äußerungen des Geschädigten, einmal folgt er dem Angeklagten in den Hausflur, beim anderen Video singt er laut und hält dem Angeklagten demonstrativ die Kamera vor. Auf die Frage, ob er derlei Aktionen als Provokation sehe, antwortete der Geschädigte, er habe lediglich gute Laune gehabt.

Als „reine Racheaktion“ sei nach seiner Anzeige eine Gegenanzeige der Tochter des Angeklagten auf dem Fuß gefolgt. Dabei werde ihm vorgeworfen, einen Hitlergruß gezeigt zu haben. Dazu ermittelt scheinbar noch die Kriminalpolizei. Den Vorwurf, ein Nazi oder Rassist zu sein, wies der Geschädigte entschieden zurück, er sei selbst nicht komplett deutscher Herkunft und habe sehr viele Freunde, die ebenfalls einen Migrationshintergrund hätten. Dass der Angeklagte stark alkoholisiert war, habe er nicht bemerkt, er trete ihm gegenüber immer aufbrausend und aggressiv auf.

Das gute Nachbarschaftsverhältnis kippt

Das Verhältnis der beiden Nachbarn sei nicht immer schlecht gewesen, sie hätten früher sogar gemeinsam den Geburtstag der Tochter des Angeklagten gefeiert. Doch mit der Erweiterung der Geschäftsräume des Zeugen und der Lagerung einiger Möbel im Flur und mit weiteren Punkten, die den Angeklagten gestört haben, sei das gute Verhältnis irgendwann gekippt. Bereits seit einigen Jahren gebe es immer wieder heftige Streits. Seitdem fühlten sich der Geschädigte und sein Geschäftspartner oft bedroht.

Nach der Befragung des Geschädigten plädierte der Staatsanwalt für eine Schuldigsprechung, da die Beleidigung zweifellos so stattgefunden habe. Er sehe jedoch auch einen „großen Belastungseifer“ beim Geschädigten. Dem Angeklagten hält er ebenfalls zugute, dass er eine Provokation durchaus sehe, allerdings sei der Angeklagte bereits vorbestraft wegen unterschiedlicher Vergehen wie Trunkenheit am Steuer, Computerbetrug oder Sachbeschädigung und habe auch bereits einige Haftstrafen verbüßt und Bewährungsstrafen erhalten. Darum plädierte er für eine Strafe von 50 Tagessätzen zu je 20 Euro und Übernahme der Kosten des Verfahrens.

Im Plädoyer des Rechtsanwalts des Angeklagten gab dieser an, ihm scheine es, als wolle dieser nur Beweise sammeln und mit seinen Kommentaren während der Videoaufnahme den Angeklagten weiter provozieren. Das rechtfertige zwar nichts, „derartige Beleidigungstiraden kommen jedoch nicht von ungefähr“.

Das Urteil des Vorsitzenden Richters lautet ganz klar schuldig, er sprach jedoch nur eine Verwarnung aus. Wenn der Angeklagte sich ein Jahr lang ruhig verhält, bleibt ihm die Strafe erspart. „Ich habe hier heute nichts gesehen, weswegen man eine Geldstrafe verhängen muss“, sagte der Richter. Es sei kein Freispruch, der Angeklagte sei klar schuldig und seine Sanktion hänge am seidenen Faden. Auch an den Geschädigten wendete er sich: „So ein Verfahren einzuleiten kann auch nach hinten losgehen.“

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Erstellt:
7. November 2023, 06:00 Uhr

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