Linke Aktivistin aus Bayern
Berufsverbot für Lehrerin? Fall ist noch nicht entschieden
Eine angehende Lehrerin wird womöglich nicht zum Referendariat zugelassen. Der Freistaat Bayern zieht angesichts ihres politischen Engagements Grenzen.
Von Nina Scheffel/dpa
Sie ist Klimaaktivistin, nahm laut Medienberichten an den Protesten gegen den Braunkohleabbau und die Automesse „IAA“ in München teil und ist Mitglied der Gruppe „Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München“. Gleichzeitig möchte Lisa Poettinger aus München bald als Lehrerin arbeiten.
Das will das bayrische Kultusministerium nun womöglich verhindern – es werde geprüft, ob der 28-jährigen Lehramtsstudentin die Übernahme ins geplante Referendariat verweigert werden kann. Die Begründung: Poettingers Aktivismus sei nicht mit der Verfassung vereinbar.
Wie kapitalismuskritisch darf eine Lehrkraft sein?
Das Kultusministerium wirft der Aktivistin in einem Schreiben, aus dem die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert, eine „Tätigkeit und Mitgliedschaft in extremistischen Organisationen“ vor. Poettinger war zuvor an Veranstaltungen der Gruppe „Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München“ beteiligt. Die Organisation wurde vom bayerischen Verfassungsschutz als linksextrem eingestuft.
Am Dienstag stellte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) in Bezug auf den Medienbericht klar, dass eine Zulassung zum Referendariat bisher nicht verweigert wurde. Es sei noch keine Entscheidung getroffen, der Fall werde derzeit geprüft. Ähnlich hatte sich zuvor auch ein Sprecher des Kultusministeriums auf Anfrage geäußert.
Poettinger habe demnach keinen finalen Ablehnungsbescheid, sondern lediglich ein Anhörungsschreiben erhalten. Die finale Entscheidung steht demnach aus. Laut Ministerium soll Poettinger darauf bereits geantwortet haben. Am 17. Februar starten die neuen Referendarinnen und Referendare in Bayern ihren Dienst.
Aktivistin will gegen mögliches Verbot vorgehen
Auf der Plattform X hatte Poettinger bereits in Form eines Postings auf das scheinbar drohende Berufsverbot reagiert. Sie sieht es als „Angriff gegen die individuelle Zukunft“. Die Aktivistin kündigt an, dagegen zu klagen. „Ich werde dagegen vorgehen und mich nicht einschüchtern lassen“, schreibt sie dort.
Ich werde dagegen vorgehen und mich nicht einschüchtern lassen. Neben mir stehen viele großartige Menschen, die mit dem Verkauf unserer Lebensgrundlagen ebenso wenig einverstanden sind und sich wehren. Mehr Infos voraussichtlich am 06.Februar bei der Pressekonferenz. — Lisa Poettinger (@lisapoettinger) January 26, 2025
Klimaaktivismus sei nicht der Grund für Prüfung
Staatskanzleichef Florian Herrmann hob hervor, dass - anders als behauptet - Poettingers Tätigkeit als Klimaaktivistin nicht der Grund für das Anhörungsverfahren sei. Es gehe um ihr „Engagement in linksextremistischen Vereinigungen sowie auch um im Zusammenhang stehende strafrechtliche Ermittlungen“.
Laut der „Süddeutschen Zeitung“ bezeichnet sich Poettinger selbst als Marxistin, sie sei allerdings eine überzeugte Verfechterin von Grundgesetz und der Bayerischen Verfassung. Herrmann stellte klar: „Extremisten haben im Staatsdienst nichts verloren, im Schuldienst erst recht nicht. Wir wollen weder Kommunisten noch Nazis in unseren Schulen.“
Die Linke München stellt sich indes bereits klar hinter Poettinger: „Das Berufsverbot gegen sie ist Ausdruck zunehmender staatlicher Repression gegen Linke und ein weiterer Schritt der Gesellschaft nach rechts“, heißt es in einem X-Posting des Münchner Parteiverbands.
Die Linke München steht geschlossen hinter unserer Genossin @lisapoettinger.Das Berufsverbot gegen sie ist Ausdruck zunehmender staatlicher Repression gegen Linke und ein weiterer Schritt der Gesellschaft nach Rechts. (1/2) pic.twitter.com/2CXJ8xsJ1Y — Die Linke München (@dielinke_muc) January 27, 2025
Lisa Poettinger ist in Bayern eine der führenden Stimmen der Klimaprotestbewegung und organisierte zudem Massendemos unter dem Motto „Gemeinsam gegen rechts“.
Bei einer Massendemonstration gegen die AfD im Januar fiel sie mit einem Posting auf X auf: „Aber was wollen CSU-Politiker:innen vor Ort? Als Versammlungsleiterin kann ich sagen, dass ich gar keinen Bock auf Rechte jeglicher Couleur habe!“, heißt es da.
Aiwanger kommt nicht zur Demo #GemeinsamGegenRechts am Sonntag - gibts ne bessere Werbung?Aber was wollen CSU-Politiker:innen vor Ort? Als Versammlungsleiterin kann ich sagen, dass ich gar keinen Bock auf Rechte jeglicher Couleur habe!https://t.co/agb44KPDDn — Lisa Poettinger (@lisapoettinger) January 19, 2024
Inwiefern die politische Gesinnung zu einem Ausschluss aus dem Staatsdienst und damit unter Umständen zu einem Berufsverbot führen kann, ist in Deutschland seit Jahrzehnten Gegenstand kontroverser Diskussionen.
Im Rahmen der Studentenrevolte 1968, als Linke zum „Marsch durch die Institutionen“ aufriefen, kamen derartige Fragen auf. Bund und Länder beschlossen daraufhin im Januar 1972 den sogenannten Radikalenerlass, der Extremisten aus dem Staatsdienst fernhalten sollte.
Ab 1972 wurde, wer im Staatsdienst arbeiten wollte, auf Verfassungstreue durchleuchtet – darunter vor allem Lehrerinnen und Lehrer. Aufgrund massiver Kritik an entsprechenden „Berufsverboten“ zogen Bund und Länder ihren Beschluss jedoch bereits 1979 wieder zurück. In Baden-Württemberg wurde die Regelanfrage bei Bewerbern für den öffentlichen Dienst noch bis 1990 durchgeführt, Bayern schaffte sie als letztes Bundesland im Jahr 1991 ab.