Beschimpfungen bei einem Fußballspiel

Wegen des Tatvorwurfs der Volksverhetzung muss sich ein 32-Jähriger verantworten. Er soll einen Balljungen rassistisch beleidigt haben.

Der Fall wird am Backnanger Amtsgericht verhandelt.  Archivfoto: E. Layher

© © Edgar Layher

Der Fall wird am Backnanger Amtsgericht verhandelt. Archivfoto: E. Layher

Von Jutta Rieger-Ehrmann

Backnang. „Nur“ Beleidigungen oder rassistische Äußerungen? Das ist die Frage, die in der Verhandlung am Amtsgericht Backnang wegen des Tatvorwurfs der Volksverhetzung geklärt werden soll. Es sind mehrere Fortsetzungstermine geplant. Dem Angeklagten, einem 32-Jährigen aus dem Raum Würzburg, der „seit 25 Jahren Kickers-Anhänger“ und seit zirka zehn Jahren aktiv als Fan unterwegs ist, wird vorgeworfen, während des Spiels Offenbacher Kickers gegen SG Sonnenhof Großaspach im November 2021 einen dunkelhäutigen Balljungen rassistisch beleidigt zu haben. Dabei sei auch das „N-Wort“ gefallen. Das Ganze soll sich am Ende des Spiels, ab der 80. Minute, zugetragen haben. Der Angeklagte räumt ein, in der aufgeheizten Stimmung – der OFC lag mit 3:2 zurück – auf den Zaun geklettert zu sein und Beschimpfungen in Richtung gegnerische Mannschaft ausgestoßen zu haben. Das sei aber in einer derartig angespannten Situation „normal“. Rassistische Äußerungen gegen den Balljungen weist er weit von sich, obwohl dieser provoziert habe. Ein anderer Balljunge sei in der ersten Halbzeit sogar deswegen ausgetauscht worden, erzählt der Angeklagte.

Er sei dann von anderen vom Zaun heruntergezogen worden, so der 32-Jährige weiter. Seine Kleidung habe er gewechselt, um nach Spielende nicht von den gegnerischen Fans angegangen zu werden. Als Vorsichtsmaßnahme sozusagen. Zwei der Begleiter zum Spiel im November 2021 sagen als Zeugen aus. Beide betonen übereinstimmend, dass sie zwar Beleidigungen, jedoch keine rassistischen Ausdrücke gehört hätten, das wäre ihnen aufgefallen. Es seien noch zahlreiche andere Zuschauer auf dem Zaun gestanden. „Schlimme“ Beschimpfungen von vielen Fans, vor allem gegen den Torwart der SG Sonnenhof, habe es allerdings reichlich gegeben, da die Nerven wegen des Rückstands blank lagen und Großaspach „gefühlt“ auf Zeit spielte.

Der dritte Zeuge, ein Polizeibeamter vom Polizeirevier Backnang, der bei dem Spiel als sogenannter szenekundiger Beamter (SKB) im Einsatz war, gibt zu Protokoll, dass er die rassistischen Äußerungen definitiv gehört habe. Die eindeutige Zuordnung zu der Person des Angeklagten erfolgte durch die beiden SKBs des OFC und per Videoaufnahmen. Provokationen des Balljungen hat er nicht bemerkt. Er bestätigt, was auch der Rechtsbeistand des Angeklagten schon angesprochen hat, dass es eine zunehmende Verrohung im Stadion gebe und man daher viele Beleidigungen einfach „hinnehmen“ müsse.

Aus diesem Grund und wegen der „nachvollziehbaren hitzigen Stimmung“, er selbst sei auch Fußballfan, schlägt der Anwalt vor, sich auf die eingeräumten Beleidigungen zu konzentrieren und den Rassismusvorwurf fallen zu lassen.

Weil der 32-Jährige, von Beruf Straßenbauer, der Unterhalt für zwei Kinder bezahlt und noch in diesem Jahr seine derzeitige Lebensgefährtin heiraten möchte, jedoch kein unbeschriebenes Blatt ist – er hat drei Einträge im Bundeszentralregister wegen fahrlässiger und gefährlicher Körperverletzung –, lehnen Staatsanwalt und Richter diesen Vorschlag ab. Der Vorwurf der Volksverhetzung müsse vollständig aufgeklärt werden. Da der Geschädigte nicht erschienen ist und zwei weitere Zeugen coronabedingt nicht kommen konnten, wäre ein Ende der Verhandlung verfrüht. Der Prozess wird am 25. April fortgesetzt.

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Erstellt:
6. April 2022, 16:00 Uhr

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