Bewährungsstrafe nach gefährlicher Körperverletzung
Trotz zweier Beweisvideos legt der 25-jährige Angeklagte vor dem Backnanger Amtsgericht kein Geständnis ab.
Von Jutta Rieger-Ehrmann
Backnang. Mit einer Freiheitsstrafe von neun Monaten und einer Bewährungszeit von zwei Jahren blieb der Richter mit seinem Urteil in der Verhandlung am Amtsgericht Backnang nur knapp unter der Forderung der Staatsanwältin. Zugutekam dem 25-jährigen Angeklagten, der ohne Rechtsbeistand vor Gericht erschienen war, seine Entschuldigung „in letzter Sekunde“. Es tue ihm leid, dass der Geschädigte verletzt worden sei, räumte er ein. Er sei an diesem Tag wohl ziemlich alkoholisiert gewesen. Ein Geständnis legte er allerdings nicht ab. Vorstrafen hat der 25-Jährige nicht. Seine Ausbildung hat er den eigenen Angaben zufolge nicht ganz abgeschlossen, er arbeitet jedoch in einer Firma in einer Umlandgemeinde.
Vorgeworfen wurde ihm sowie zwei weiteren jungen Männern, die in vorherigen Verhandlungen bereits verurteilt wurden, im Frühjahr des vergangenen Jahres einen 32-Jährigen in der S3, die zwischen Backnang und Stuttgart verkehrt, durch Schläge auf den Kopf und ins Gesicht verletzt zu haben. Vorausgegangen seien dem Vorfall, so der Angeklagte, Beleidigungen des Geschädigten gegen ihn und seine beiden Bekannten. Daher habe es schon zuvor auf dem Bahnsteig ein Gerangel gegeben, in dessen Verlauf der Geschädigte dann auf ein Geländer gefallen sei und sich dabei im Gesicht verletzt habe. Er sei ihnen dann in die S-Bahn gefolgt und habe sie weiterhin beleidigt. Er selbst habe ihn bei der Auseinandersetzung in dem Waggon mit den Schlägen nicht getroffen und daher auch nicht verletzt.
Videoaufnahmen widerlegen Aussagen des Angeklagten
Die beiden Beweisvideos sprachen allerdings eine andere Sprache. Daher ermahnte der Richter den Angeklagten mehrfach, die Wahrheit zu sagen. Die Aufnahmen des ersten Videos zeigten, wie der 32-Jährige in die S-Bahn einstieg und zwar ohne jede Verletzung. Im zweiten Video sah man, wie dieser einige Sitzreihen entfernt im Gang stand und in Richtung der Dreiergruppe blickte. Ein Gestikulieren und Rufen war bei ihm jedoch nicht erkennbar.
Hingegen musste einer der drei jungen Männer zurückgehalten werden, damit er nicht auf den 32-Jährigen losging. Dies erfolgte dann, wie deutlich zu sehen war, durch den Angeklagten, der schnellen Schrittes auf den Geschädigten zuging, mehrfach ausholte und zuschlug. Man konnte außerdem erkennen, wie die beiden anderen folgten, den 25-Jährigen wegzogen und wie schließlich alle drei recht schnell, vor ihrem Zielort, die S-Bahn verließen.
Zurück blieb der Geschädigte, der verletzt zu Boden ging. Somit war die Aussage des Angeklagten, die Verletzung sei schon vor dem Einstieg in die Bahn erfolgt, widerlegt. Der Geschädigte, der im Zeugenstand aussagte, trug eine Platzwunde am Kopf und einen Cut oberhalb und unterhalb des Auges davon. Auch ein Zahn wurde abgebrochen. Noch heute habe er unter einem Taubheitsgefühl auf der linken Seite der Nase zu leiden, erzählte der junge Mann. Leider erinnere er sich nicht mehr an die genauen Umstände in der S-Bahn. Drogen nehme er keine.
Die Lokführerin, die ebenfalls als Zeugin geladen war, berichtete, dass sie die Auseinandersetzung bemerkt habe und sich um den Geschädigten, der im Gesicht blutete, gekümmert habe. Er wirkte so, als sei er „gerade erst wach geworden“. Ins Krankenhaus wollte er nicht.
Der dritte Zeuge, einer der Beteiligten, der mit Verspätung eintraf, wurde bereits verurteilt und hatte somit kein Aussageverweigerungsrecht, wie der Richter betonte. Es habe schon auf dem Bahnsteig ein Gerangel gegeben, da der Geschädigte sie dort aufgefordert habe, leiser zu sein. In der S-Bahn habe dieser dann komisch geschaut und sie hätten zu ihm gesagt, er solle sie in Ruhe lassen. Daraufhin sei es zu der Konfrontation gekommen. Warum sie dann fluchtartig die S-Bahn verlassen hätten, fragte der Richter. Sie wollten eine weitere Eskalation verhindern, lautete die Erklärung des Zeugen.
Damit war die Beweisaufnahme abgeschlossen und die Staatsanwältin hatte das Wort. Da der Angeklagte keine Reue und wenig Einsicht zeige, plädiere sie für eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Zudem forderte entweder sie eine Geldauflage von drei Nettomonatsgehältern oder, falls dies nicht möglich sein sollte, alternativ 120 Arbeitsstunden. Erst danach, in seinem letzten Wort, konnte sich der Angeklagte dazu durchringen, wenigstens eine Entschuldigung auszusprechen, aus der auch eine gewisse Einsicht erkennbar sei, erläuterte der Richter. Dieser Umstand und dass er keine Vorstrafen habe sowie einer Arbeit nachgehe sprechen für ihn, gegen ihn seine fortgesetzten Ausflüchte. Doch selten sei in einem Prozess die Beweislage durch Videos so klar wie in diesem. Selbst wenn ihn der Geschädigte beleidigt haben sollte, wäre dies keinerlei Rechtfertigung dafür, ihn „zu vermöbeln“. Sein Urteil: eine Freiheitsstrafe von neun Monaten mit einer Bewährungszeit von zwei Jahren. Zusätzlich muss der 25-Jährige ein Schmerzensgeld von 3000 Euro an den Geschädigten entrichten, zahlbar in monatlichen Raten von 150 Euro. Ferner trägt der Angeklagte die Kosten des Verfahrens. Gegen das Urteil können Rechtsmittel eingelegt werden.