BGH vor Urteil zu Verbraucherrechten beim Treppenlift-Kauf

dpa Karlsruhe. Für alte Menschen kann ein Treppenlift die einzige Möglichkeit sein, in ihrem Zuhause zu bleiben. Der Druck zu handeln ist dann groß. Verbraucherschützer kritisieren, dass manche Anbieter diese Situation ausnutzen. Aber die Rechtslage ist alles andere als eindeutig.

Ein Hinweisschild mit dem Bundesadler und dem Schriftzug Bundesgerichtshof. Foto: Uli Deck/dpa/Symbolbild

Ein Hinweisschild mit dem Bundesadler und dem Schriftzug Bundesgerichtshof. Foto: Uli Deck/dpa/Symbolbild

Ein Treppenlift kostet viel Geld und kann alten Menschen als einziger Ausweg erscheinen - Verbraucherschützer wollen sie deshalb vor voreiligen Entscheidungen bei der Anschaffung schützen. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat nun einen Rechtsstreit mit einem Anbieter bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) gebracht, am Donnerstag wurde in Karlsruhe verhandelt. Sie will erreichen, dass Betroffenen auch bei ans Treppenhaus angepassten Kurvenliften ein Widerrufsrecht zugesprochen wird. Damit käme man 14 Tage lang aus dem Vertrag wieder heraus. (Az. I ZR 96/20)

Matthias Bauer, bei der Verbraucherzentrale zuständig für Bauen, Wohnen und Energie, sagte, es wäre nur fair, den Verbrauchern diese Bedenkzeit zu geben. Der Anbieter solle solange warten. „Und dann kann er mit der Produktion beginnen und hat gar keinen Schaden.“

Ob es dazu eine gesetzliche Verpflichtung gibt, ist allerdings umstritten. Grundsätzlich greift das Widerrufsrecht, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher etwas im Internet, telefonisch oder auch bei sich daheim von einem Außendienstmitarbeiter kaufen. Eine Ausnahme gilt allerdings für „Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind“.

Die beklagte Firma AP+ Treppenlifte, die zur Kölner Liftstar Gruppe gehört, räumt deshalb bei den meisten Kurventreppenliften nur ein stark eingeschränktes Widerrufsrecht ein. Denn die Schienen müssten individuell an das Treppenhaus angepasst werden.

Die Rechtslage ist im Moment nicht eindeutig. Entscheidend ist, was für eine Art von Vertrag hier geschlossen wird. Falls es sich um einen sogenannten Werklieferungsvertrag handelt, müssten die Liftanbieter kein Widerrufsrecht einräumen. Wäre es hingegen ein Werkvertrag, gelten andere Regeln - dann hätten die Kunden ein Widerrufsrecht. Die Abgrenzung ist schwierig: Es kommt darauf an, ob eher die Lieferung und Übertragung des Eigentums oder die Planung und Montage im Vordergrund stehen. Bei Treppenliften haben die Land- und Oberlandesgerichte bisher mal so, mal so entschieden.

Nun gehe es darum, eine einheitliche Linie zu finden, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Koch. Ihr Urteil wollen die obersten Zivilrichterinnen und -richter am 20. Oktober verkünden. Die Kölner Gerichte hatten die Klage der Verbraucherzentrale abgewiesen.

Bauer hält das Verfahren auch für andere Bereiche für wegweisend. „Komplizierte, zusammengesetzte Produkte“ wie Treppenlifte gebe es immer häufiger, zum Beispiel Heizungs- oder Photovoltaikanlagen.

Bauer hat bereits mehrere Liftanbieter abgemahnt und verklagt und spricht von einem Branchenproblem. Er kenne etliche Fälle von alten Menschen, denen nach Vertragsschluss Zweifel kamen, nachdem sie sich noch einmal mit den Kindern oder dem Arzt beraten hatten. Oder der Lift werde dann doch nicht gebraucht, weil der darauf angewiesene Mensch ins Pflegeheim müsse oder sterbe. Ein Kurvenlift kostet nach seiner Auskunft zwischen 12.000 und 15.000 Euro.

AP+ Treppenlifte hingegen betont, man sei sich „der hohen Verantwortung bewusst, die der Umgang mit älteren und pflegebedürftigen Menschen mit sich bringt“. Seit 2016 seien übersichtlichere und verständlichere Formulare im Einsatz. „Eine mangelhafte Aufklärung über Widerrufsrechte und AGBs hat bei uns nicht stattgefunden“, teilte ein Sprecher mit.

© dpa-infocom, dpa:210708-99-308214/4

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Erstellt:
8. Juli 2021, 14:07 Uhr

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