BGH verhandelt zu Verbraucherrechten beim Treppenlift-Kauf
dpa Karlsruhe. Ein Treppenlift kann für alte Menschen die einzige Möglichkeit sein, in ihrem Zuhause zu bleiben. Der Druck zu handeln ist dann groß. Verbraucherschützer kritisieren, dass manche Anbieter diese Situation ausnutzen. Aber die Rechtslage ist alles andere als eindeutig.
Verbraucherschützer wollen älteren Menschen in einem Grundsatz-Verfahren mehr Rechte bei der Anschaffung eines Treppenlifts erstreiten. Am Donnerstag (10.00 Uhr) verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe zur Frage, ob Kundinnen und Kunden bei solchen Vertragsschlüssen ein Widerrufsrecht haben oder nicht. Angestoßen hat das die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg mit einer Klage gegen einen Anbieter, dessen Mutterhaus in Köln ansässig ist. Ob es schon ein Urteil gibt, ist offen.
Grundsätzlich haben Verbraucher 14 Tage Zeit, es sich noch einmal anders zu überlegen, wenn sie etwas im Internet, telefonisch oder auch bei sich daheim von einem Außendienstmitarbeiter kaufen. Das soll sie vor voreiligen Entscheidungen schützen. Eine Ausnahme gilt laut Gesetz allerdings für „Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind“.
Verschiedene Anbieter vertreten den Standpunkt, dass das zumindest auf Kurventreppenlifte zutreffe. Die beklagte Firma AP+ Treppenlifte, die zur Kölner Liftstar Gruppe gehört, räumt deshalb bei den meisten Modellen nur ein stark eingeschränktes Widerrufsrecht ein - die Schienen würden individuell an das Treppenhaus angepasst.
Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sieht darin ein Branchenproblem. Er kennt inzwischen etliche Fälle von alten Menschen, denen nach Vertragsschluss Zweifel kamen, nachdem sie sich noch einmal mit den Kindern oder dem Arzt beraten hatten. Oder der Lift werde nie genutzt, weil der darauf angewiesene Mensch dann doch ins Heim müsse oder sterbe. Bauer hat schon mehrere Anbieter abgemahnt und verklagt, die in solchen Fällen hohe Summen forderten. Ein Kurvenlift kostet nach seiner Auskunft zwischen 12.000 und 15.000 Euro. Es gehe nicht darum, den Markt kaputtzumachen, sagt er. „Aber es geht um einen fairen Umgang mit den Verbrauchern.“
AP+ Treppenlifte hingegen betont, man sei sich „der hohen Verantwortung bewusst, die der Umgang mit älteren und pflegebedürftigen Menschen mit sich bringt“. Seit 2016 seien übersichtlichere und verständlichere Formulare im Einsatz. „Eine mangelhafte Aufklärung über Widerrufsrechte und AGBs hat bei uns nicht stattgefunden“, teilt ein Sprecher mit.
Rechtlich hängt das Widerrufsrecht auch an der Frage, ob es sich um einen Werkvertrag oder einen Kauf- oder Werklieferungsvertrag handelt. In den Verfahren zu Treppenliften haben die zuständigen Land- und Oberlandesgerichte diese Frage bisher unterschiedlich beantwortet. Im konkreten Fall hatten die Kölner Gerichte die Klage der Verbraucherzentrale abgewiesen. Die obersten Zivilrichterinnen und -richter des BGH haben die Revision dagegen selbst zugelassen, scheinen also Klärungsbedarf zu sehen. (Az. I ZR 96/20)
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