Schwarzes Loch Sagittarius A*
Big Trouble im Herzen der Milchstraße
Ein starkes Flackern aus der Umgebung des Schwarzen Lochs Sagittarius A* im Zentrum unserer Galaxie überrascht Astronomen. Es hat vermutlich mehrere Ursachen.
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© Imago/VWPics
Im Herzen unserer Galaxie, der Milchstraße, befindet sich ein Schwerkraft-Gigant, ein Masse-Monster: das supermassereiche Schwarze Loch Sagittarius A*.
Von Rainer Kayser (dpa)/Markus Brauer
Im Zentrum der Milchstraße geht es turbulent zu. Wie Beobachtungen eines Forscherteams aus den USA und Australien mit dem Weltraumteleskop James Webb zeigen, flackert die Strahlung aus der Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs Sagittarius A* auf überraschende Art und Weise.
Sagittarius A* kommt niemals zur Ruhe
Die Astronomen erwarteten einzelne Strahlungsausbrüche. Doch ihre Messungen zeigen ständige Änderungen der Helligkeit auf Zeitskalen von Sekunden bis hin zu Monaten. Vermutlich seien mehrere unterschiedliche Prozesse für die Schwankungen verantwortlich, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Astrophysical Journal Letters“.
„Helligkeitsausbrüche erwarten wir bei allen supermassereichen Schwarzen Löchern,“ erläutert Farhad Yusef-Zadeh von der Northwestern University in den USA. „Doch unser Schwarzes Loch ist anders: Es brodelt nur so vor Aktivität und kommt niemals zur Ruhe.“
Die Gruppe um Yusef-Zadeh beobachtete Sagittarius A* in den vergangenen zwei Jahren mehrere Male für jeweils acht bis zehn Stunden im Infrarotbereich. „Bei jeder Beobachtung stellten wir Veränderungen fest“, erklärt der Wissenschaftler. „Es blieb nie, wie es war.“
Ereignishorizont von Sagittarius A*
Schwarze Löcher sind Objekte mit einer so starken Schwerkraft, dass nicht einmal Licht aus ihnen entkommen kann. Sie entstehen, wenn große Sterne mit der vielfachen Masse unserer Sonne am Ende ihrer Existenz als Supernova explodieren und der übrig gebliebene Sternenrest kollabiert.
Neben stellaren Schwarzen Löchern gibt es supermassereiche Exemplare, die in den Zentren der meisten Galaxien vermutet werden. Diese Schwarzen Löcher können die milliardenfache Masse unserer Sonne besitzen. Das massereichste ist Sagittarius A* im Zentrum der Milchstraße, das etwa vier Millionen Mal so viel Masse hat wie die Sonne und 26.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist.
Enorme Gravitation
Sagittarius A* ist jedoch nur über die um seine Ereignishorizont kreisenden Gase und seine Wirkung auf nahe Sterne nachweisbar. Seine enorme Gravitation beschleunigt die Sterne auf Rekordgeschwindigkeit und verzerrt ihr Licht. Auch neue Sterne dürften unter diesen Extrembedingungen eigentlich nicht entstehen, weil die dafür nötigen Gaswolken sofort zerrissen werden.
Als Ereignishorizont (englisch: event horizon) bezeichnen Wissenschaftler die Grenze um ein Schwarzes Loch, hinter die sich nicht blicken lässt, weil aus dem Bereich dahinter nichts, nicht einmal Licht, entkommen kann. Die Daten der Teleskope werden mit speziellen Supercomputern kombiniert, so dass sich ein gigantisches virtuelles Teleskop vom Durchmesser der Erde ergibt.
Ursache für langfristige Variationen unklar
Schwarze Löcher wie Sagittarius A* sind von schnell rotierenden Scheiben aus Gas umgeben. Das Gas in diesen Akkretionsscheiben erhitzt sich durch Reibung und leuchtet dadurch auf.
Genau diese Strahlung haben die Forscher nun mit dem James-Webb-Teleskop gemessen. Dabei stießen sie auf ein ständiges schwaches Flackern im Bereich von wenigen Sekunden, auf tägliche sehr helle Strahlungsausbrüche und auf langfristige Schwankungen über Monate hinweg. Erwartet hatte das Team lediglich die Strahlungsausbrüche und zwischen ihnen ruhige Phasen konstanter Helligkeit.
Turbulenzen innerhalb der Akkretionsscheibe
Die Gruppe vermutet, dass unterschiedliche Prozesse für das überraschende Verhalten verantwortlich sind. Das schwache Flackern gehe wahrscheinlich auf Turbulenzen innerhalb der Akkretionsscheibe zurück, während die hellen Ausbrüche möglicherweise durch schlagartige Veränderungen im Magnetfeld um das Schwarze Loch ausgelöst werden. Für die langfristigen Variationen haben Yusef-Zadeh und sein Team bislang keine Erklärung.
Sagittarius A* ist das der Erde am nächsten gelegene supermassereiche Schwarze Loch. Es bietet Astronomen daher die Chance, durch genaue Beobachtungen die Prozesse in der Umgebung solcher Objekte zu erforschen.
Die Gruppe um Yusef-Zadeh hat bereits weitere Beobachtungszeit am James-Webb-Teleskop beantragt, um die Helligkeit von Sagittarius A* möglichst ununterbrochen über einen Zeitraum von mindestens 24 Stunden zu messen. So wollen die Forscher beispielsweise herausfinden, ob die Schwankungen sich wiederholen oder periodisch auftreten, um den Ursachen für das rätselhafte Flackern weiter auf die Spur zu kommen.
Info: Wichtige Begriffe erklärt
Schwarzes Loch Schwarze Löcher sind eine der Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie, die Physik-Nobelpreisträger Albert Einstein (1879-1955) vor mehr als einem Jahrhundert aufgestellt hat. In ihnen ist die Masse von einigen bis mehreren Milliarden Sonnen auf einen Punkt komprimiert. Durch die immense Gravitation kann aus der direkten Umgebung nicht einmal Licht entkommen, daher der Name. Schwarze Löcher können beispielsweise entstehen, wenn ausgebrannte Riesensterne unter ihrem eigenen Gewicht zusammenstürzen.
Radiowellen Diese Wellen sind genau wie sichtbares Licht elektromagnetische Wellen, sie haben nur eine sehr viel größere Wellenlänge. Ihr Vorteil ist, dass sie von Gas und Staub nicht so stark geschluckt werden. Die Schwarzen Löcher sind in der Regel von großen Mengen Gas und Staub umgeben, so dass sich der Ereignishorizont nur mit Radiowellen erspähen lässt.
Ereignishorizont Als Ereignishorizont (englisch: Event horizon) bezeichnen Wissenschaftler die Grenze um ein Schwarzes Loch, hinter die sich nicht blicken lässt, weil aus dem Bereich dahinter nichts, nicht einmal Licht, entkommen kann. Die Daten der Teleskope werden mit speziellen Supercomputern kombiniert, so dass sich ein gigantisches virtuelles Teleskop vom Durchmesser der Erde ergibt.
Schatten Bei Schwarzen Löchern wie Sagittarius A* oder M87 zeigt sich ein leuchtender Ring um einen dunklen Kern. Diesen dunklen Bereich bezeichnen die Forscher als Schatten des Schwarzen Lochs. Er ist etwa doppelt so groß wie der eigentliche Ereignishorizont, weil das Licht durch die starke Gravitation um das Schwarze Loch herum gelenkt wird und somit sowohl Vorder- als auch Rückseite des Objekts zu sehen sind.
Akkretionsscheibe Bei dem leuchtenden Ring handelt es sich um aufgeheiztes Gas, das um das Schwarze Loch herumwirbelt, die sogenannte Akkretionsscheibe. Die Gravitation zwingt auch die von diesem Gas ausgehende Strahlung auf gekrümmte Bahnen und sorgt so für einen verzerrten Blick auf die Umgebung des Schwarzen Lochs.
Masse Viele Schwarze Löcher verleiben sich neue Materie ein. Diese Materie fällt aber nicht auf direktem Weg ins Schwarze Loch. Stattdessen sammelt sie sich auf einer immer schneller rotierenden Scheibe – ähnlich wie Wasser in einem Strudel aus der Badewanne fließt. In dieser sogenannten Akkretionsscheibe wird die Materie durch gegenseitige Reibung Millionen Grad heiß und leuchtet dadurch hell auf, bevor sie im Schlund des Schwerkraftmonsters für immer verschwindet. Schwarze Löcher besitzen zwar unvorstellbar viel Masse, sind dabei aber sehr klein. Ein Schwarzes Loch mit der Masse unserer Erde wäre beispielsweise nur so groß wie eine Kirsche.