AfD-Politiker vor Gericht

Björn Höcke – Demagoge oder dummer Geschichtslehrer?

Thüringens AfD-Chef hat Nazi-Parolen verwendet. Ob der ehemalige Lehrer dabei wusste, was er tat, klärt nun das Landgericht in Halle.

Der heimliche AfD-Chef Björn Höcke

© dpa/Britta Pedersen

Der heimliche AfD-Chef Björn Höcke

Von Christian Gottschalk

In Thüringen ist er der Chef der Landespartei und Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag. In Sachsen Anhalt ist er der Angeklagte. Björn Höcke, geboren am 1. April 1972 in Lünen, Nordrhein-Westfalen, Lehrer, unter anderem für das Fach Geschichte, steht von diesem Donnerstag an vor dem Landgericht in Halle. Ihm wird das Verwenden von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation vorgeworfen.

Genau genommen geht es zunächst einmal um eine Rede, die Höcke am 29. Mai 2021 in Merseburg auf einer Wahlkampf-Veranstaltung seiner Partei gehalten hat. In dieser habe er die verbotene Losung „Alles für Deutschland“ verwendet, so die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage. Diese Worte waren einst das Motto der Sturmabteilung (SA), jener Schläger, die der NSDAP dabei geholfen haben an die Macht zu kommen.

Seit vergangener Woche ist noch ein weiterer Fall hinzu gekommen. Das Landgericht in Halle hat da eine zweite Anklage zugelassen. Auch am 12. Dezember des vergangenen Jahres soll Höcke die Formulierung verwendet haben, bei einer Veranstaltung in Gera. Wenn auch in abgewandelter Form: „Alles für“, soll Höcke da vor der Menge gerufen haben, und die habe mit einem vielstimmigen „Deutschland“ geantwortet.

Weitere Anklage als Wiederholungstäter

Dass mehrere, zumal ähnliche Anklagen vor einem Strafgericht zusammen verhandelt werden, ist nicht ungewöhnlich. Im vorliegenden Fall ist es allerdings besonders interessant. Der thüringische AfD-Chef kann nämlich nur dann für seine Äußerungen bestraft werden, wenn er wusste, was er da gesagt hat. Wenn ihm bekannt war, dass es sich bei „Alles für Deutschland“ nicht um einen Werbespruch von Bierproduzenten oder Telekommunikationsdienstleistern handelt, sondern um ein Motto der SA. Und selbst wenn es dem ehemaligen Geschichtslehrer gelingen sollte das Gericht davon zu überzeugen, dass er beim ersten Mal nichts davon wusste, so gilt das für den zweiten Vorfall nicht mehr. Die Ermittlungen waren bekannt, Höcke hätte Bescheid wissen müssen.

Keine all zu hohe Straferwartung

Dass es von der Tat bis zum Prozess rund zweieinhalb Jahre gedauert hat, ist zum einen nur schwer zu verstehen. Zum anderen ist es einem Zuständigkeitsstreit innerhalb der Justiz geschuldet. Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft offenbar sehr ausgiebig und langwierig ermittelt, ehe es im September 2023 zur Anklage kam. Das Landgericht Halle hatte die auch zugelassen, sich aber für nicht zuständig erklärt. Es wollte vielmehr, dass das Amtsgericht in Merseburg über die Sache befindet. So etwas ist möglich, wenn die Straferwartung nicht all zu hoch ist und wenn keine besondere Bedeutung des Falls anzunehmen ist. Nun war es zwar überaus unwahrscheinlich, dass Höcke für seine erste Äußerung ins Gefängnis muss. Was die „besondere Bedeutung“ der Angelegenheit angeht, ist die Entscheidung des Landgerichts jedoch fragwürdig gewesen.

Der Geschichtslehrer gibt sich unwissend

Das hat auch die Staatsanwaltschaft so gesehen – und sich beim Oberlandesgericht in Naumburg beschwert. Dessen Richter teilten die Bedenken. Zu berücksichtigen sei das überregionale Medieninteresse und Höckes herausgehobene Stellung innerhalb der AfD, so der Senat. Die Sache habe durchaus „besondere Bedeutung“, das Landgericht sei somit der richtige Verhandlungsort. Und da geht es nun los. Donnerstag, neun Uhr, vor mutmaßlich vollem Haus – was die besondere Bedeutung des Falles unterstreicht.

Höcke bestritt über seine Verteidigung die strafrechtliche Relevanz seiner Äußerung. Auch in dem Fernsehduell mit Thüringens CDU-Chef Mario Voigt in der vergangenen Woche gab sich der Geschichtslehrer Höcke ahnungslos. Er habe nicht gewusst, dass es sich um eine SA-Parole handle, sagte er. „Alles für Deutschland“ sei ein „Allerweltsspruch“. In eben diesem TV-Duell erklärte Höcke auch, dass die Telekom diesen Spruch vor einigen Jahren zur Werbung verwendet habe. Die Telekom widersprach und kündigte rechtliche Schritte an, worauf Höcke zurückruderte. Er habe da „etwas verwechselt“, sagte er zur Entschuldigung.

Und sollte Höcke in den beiden zusammengelegten Fällen doch je zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt werden, dann könnte das Gericht ihm auch das Recht aberkennen, zu wählen oder gewählt zu werden. Zumindest theoretisch.

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Erstellt:
16. April 2024, 14:38 Uhr

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