Rechtsterrorismus
BKA-Analyst: Reuß-Gruppe war vor ihrer Festnahme massiv zerstritten
Kurz vor ihrer Festnahme am 7. Dezember 2022 soll das Verhalten der Mitglieder der mutmaßlichen Terrorgruppe um Prinz Reuß sehr stark von Rivalität und Machtkämpfen geprägt gewesen sein, schildert ein Kriminalist des Bundeskriminalamtes vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht.
Von Franz Feyder
Die mutmaßliche Terrorgruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß war im Spätherbst 2022 – also kurz vor der Festnahme ihrer Mitglieder am 7. Dezember – stark zerstritten. Das schilderte ein Analyst des Bundeskriminalamtes (BKA) im Verfahren gegen die Organisation vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart. Kriminaloberkommissar Tim H. beschäftigte sich seit Oktober 2022 mit der Struktur der Gruppe und wertete dazu sehr sachlich, auch die Angeklagten entlastende Berichte, von Polizei und Nachrichtendiensten mitgeschnittenen Telefonaten sowie Observationen aus. In mehr als 1000 Fußnoten hielt er penibel fest, wo welcher Sachbearbeiter welche Informationen erfasst und zu Papier gebracht hatte.
So berichtet H. den drei Richterinnen und beiden Richtern des 3. Strafsenats von „Streitereien, Rivalitäten und Machtkämpfen“ innerhalb der Gruppe, die „ganz massiv anstiegen ab Sommer 2022“. Sie hätten sich am Pforzheimer Angeklagten Marco van H. entzündet, nachdem dieser erstmals an einer Sitzung des „Übergangsrats“ um Prinz Reuß mitgebracht worden sei. Die Anklageschrift des Generalbundesanwaltes sieht im sogenannten „Übergangsrat“ eine selbst ernannte Übergangsregierung um Reuß. Dem Gremium sollen unter anderem der wegen illegalen Waffenhandels verurteilt und unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassene Oberstleutnant Rüdiger von Pescatore als selbst ernannter „Oberbefehlshaber des neuen deutschen Heeres“ angehört haben.
Zudem der wegen Betruges und Körperverletzungen mehrfach verurteilte van H., der sich selbst als Oberleutnant des Bundeswehr-Eliteverbandes Kommando Spezialkräfte ausgab. Er soll als „Verbindungsoffizier“ zu einer ominösen Allianz fungiert haben. Bestehend aus einem Bündnis zwischen den USA unter Führung des designierten Präsidenten Donald Trump, Russland, unter Diktator Wladimir Putin, China mit Präsident Xi Jingping an der Spitze und „galaktischen Verbündeten“ – also Außerirdischen – bestehen. Zu diesem „Übergangsrat“ gehörte ebenfalls die frühere Richterin und AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkelmann.
Sie berichtete – von weiteren Angeklagten bestätigt -, dass van H. am 13. August zu betrunken gewesen sei, um an der Beratung teilzunehmen. Zudem entfachte sich ein Streit zwischen den Mitgliedern des politischen und des militärischen Arms. Von Pescatore habe Prinz Reuß vorgeworfen, „egoistische Partikularinteressen“ verfolgen zu wollen. Er machte das daran fest, dass Reuß sich zusammen mit seiner Mutter in den 1990er-Jahren vor Gerichten um die Rückgabe früherer Besitztümer des Adelsgeschlechts wie dem Reußische Theater in Gera bemüht. Unterlag aber häufig in der juristischen Auseinandersetzung.
Der Rat wiederum warf zunächst van H., dann auch von Pescatore vor, „Betrüger zu sein“. Zur 6. Ratssitzung am 12. November 2022 – also 25 Tage vor der bundesweiten Razzia gegen die Gruppe – wurden die beiden gar nicht mehr eingeladen.
Basis für das Misstrauen war offenbar, dass van H. den Eindruck erweckte, er spreche direkt mit den Mächtigen der ominösen Allianz, mit Putin und Xi. In einem Telefonat am 21. September 2022 vertraut er dem selbst ernannten Journalisten Alexander Q. an, er „habe die kompletten Verträge vom Putin (gemeint sind die angeblichen Friedensverträge mit Deutschland) auf deutsch“. „Wie sprichst denn Du mit denen?“, will Q. wissen. „Deutsch.“ „Der Xi auch?“ „Der Xi, der kann zwar deutsch, aber ein bisschen na ja ...“ „Mmmmh“, sagt Quade. Van H.: „Aber er versteht schon.“
Sind Angeklagte vom Versuch, eine Terrorgruppe zu bilden, zurückgetreten?
Reuß und andere begannen, sich von beiden zu distanzieren. So habe es Malsack-Winkelmann in ihrer Vernehmung ausgesagt, trug BKA-Analyst H. vor. Gestützt auf „zahlreiche Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung“ kommt er zu dem Schluss, dass „sich der politische und militärische Arm immer weiter voneinander entfernten“.
Auch innerhalb der in Stuttgart Angeklagten begannen mindestens drei der Angeklagten, sich von van H. und von Pescatore zu distanzieren. So informierten die Horber Dachdecker Ralf S. und Markus H. den Prinzen über „Ungereimtheiten“ und fehlendes Vertrauen in die beiden. Wolfram S. aus Ettlingen machte in mehreren Telefonaten mit Vertrauten klar, dass er sich von der Gruppe löste.