Übergewicht anders messen
BMI reicht Experten nicht: Sie fordern neue Kriterien
Zu dick? Bei dieser Frage steht bisher der Body-Mass-Index (BMI) im Mittelpunkt. Doch es gibt Kritik an der Messmethode. Wissenschaftler fordern nun, dass die Leitlinie zur Diagnose von Übergewicht verändert werden.
Von Bettina Hartmann
Das Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch die Körpergröße in Meter zum Quadrat - das ist bisher die Formel, mit der man herausfindet, ob man zu viel wiegt. Wer beim so genannten Body-Mass-Index (BMI) auf einen Wert von über 25 kommt, gilt laut der Weltgesundheitsorganisation WHO als übergewichtig. Menschen mit einem BMI von über 30 werden als adipös, sprich: als fettleibig eingestuft. Doch es gibt schon länger Kritik an dieser Methode. Sich allein auf den BMI zu verlassen, bewerten einige Fachleute als zu oberflächlich, zu ungenau. Sie bemängeln etwa, dass der Wert nichts darüber aussagt, wie das Fett im Körper verteilt ist. Denn bei der Bewertung des individuellen Gesundheitsrisikos spielt eben diese Fettverteilung eine große Rolle: Als besonders gefährlich gilt dabei das Fett im Bauchraum.
Alternativen zum Body-Mass-Index
Eine Gruppe von Medizinern hat daher nun vorgeschlagen, weitere Werte neben dem BMI zu etablieren. Die internationale Kommission empfiehlt hierfür im Fachjournal „The Lancet Diabetes & Endocrinology“ entweder mindestens eine Messung der Körpermaße (der Taillenumfang, das Verhältnis Taille-Hüfte oder das Verhältnis Taille-Höhe) zusätzlich zum BMI oder unabhängig vom BMI mindestens zwei Messungen dieser Maße. Eine weitere Alternative sei die direkte Messung des Körperfetts. Außerdem solle auf objektive Symptome für einen schlechten Gesundheitszustand geachtet werden.
„Sich bei der Diagnose von Adipositas allein auf den BMI zu verlassen, ist problematisch, da manche Menschen dazu neigen, überschüssiges Fett an der Taille oder in und um ihre Organe wie die Leber, das Herz oder die Muskeln zu speichern“, erklärt der Mitautor Robert Eckel von der University of Colorado (USA). Eine derartige Verteilung sei risikoreicher als etwa überschüssiges Fett direkt unter der Haut. Auch hätten Menschen mit viel Muskelmasse und somit mehr Gewicht im Verhältnis zu ihrer Körpergröße einen hohen BMI. Übergewichtig seien sie deshalb aber nicht.
Andere Fachleute betrachten die Forderung teils als hilfreich, gehen aber nicht davon aus, dass eine neue Messweise sowie eine gezieltere Definition für die Mehrheit der Bevölkerung von hohem praktischen Nutzen ist. Sie kritisieren etwa, dass es künftig keine Einheitlichkeit mehr gebe: Unterschiedliche Messungen würden unterschiedliche Personengruppen als adipös identifizieren. Somit hänge eine Diagnose davon ab, welche Messung zum Einsatz kommt.
Immer mehr Kinder sind fettleibig
Klar ist jedoch: Die Relevanz ist groß. Und der Vorstoß sollte den Fokus auf das Thema Übergewicht erhöhen. Weltweit gibt es laut einer Studie aus dem Jahr 2024 geschätzt mehr als eine Milliarde Menschen mit Adipositas. Dabei spiele Fettleibigkeit verstärkt schon bei Kindern und Jugendlichen eine Rolle. 1975 waren demnach vier Prozent der 5- bis 19-Jährigen übergewichtig oder fettleibig, 2016 lag der Anteil bereits bei mehr als 18 Prozent.
Bedenklich ist das unter anderem deshalb, weil dadurch das spätere Risiko für Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Schlaganfall, bestimmte Arten von Krebs sowie Lungen- und Nierenerkrankungen erhöht.
Auch die Deutschen sind in den vergangenen Jahren immer dicker geworden: Während im Jahr 2005 laut Statistischem Bundesamt noch 41,5 Prozent der Frauen und 57,9 Prozent der Männer als übergewichtig galten, waren es zuletzt 42,5 Prozent der Frauen und 62,4 Prozent der Männer. Dabei hat besonders der Anteil der Adipösen zugenommen: Zwischen 2012 und 2022 erhöhte sich nach Angaben von Krankenkassen der Anteil der Betroffenen um rund 30 Prozent - inzwischen gilt jeder neunte Erwachsene als adipös.