Was geschah am . . . 7. Januar 1598?

Boris Godunow setzt sich Russlands Zarenkrone aufs Haupt

Seit 1584 amtierte Boris Godunow als Regent für Zar Fjodor I., Sohn Iwans IV. des Schrecklichen. Als er als Usurpator 1598 die Macht an sich reißt, lehnen sich Russlands Adelige gegen ihn auf. Obwohl sich Godunow sich bemüht, das zerrüttete Land zu stabilisieren, beginnt mit ihm die „Smuta“, die Zeit der Wirren.

Boris Godunow (1552-1605), regierte von 1998 bis zu seinem Tod als russischer Zar.

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Boris Godunow (1552-1605), regierte von 1998 bis zu seinem Tod als russischer Zar.

Von Markus Brauer

Nachdem Zar Fjodor I. gestorben war, übernahm Boris Godunow am 7. Januar 1598 als Usurpator die Macht in Russland und ließ sich nach der Wahl durch den Semski Sobor, die russische Ständeversammlung, am 21. Februar zum Zaren ausrufen und am 1. September 1598 krönen. Er war der erste Herrscher nach dem Ende des Hauses von Rurik, welche die herrschende Dynastie der Kiewer Rus bildete.

Wer ermordete Dmitri Iwanowitsch?

Boris Godunow wurde von Moskauer Bojaren-Geschlechtern (russische Adelige) abgelehnt. Sie machten ihn den Mord an Dmitri Iwanowitsch, dem jüngsten Sohn Iwans IV., verantwortlich.

Dennoch wurde Boris Godunow unter dem Jubel des Volkes in Moskau zum Zaren gekrönt. Die orthodoxe Kirche hatte all ihren Pomp aufgeboten, wusste sie doch, wie sehr dieser Tag von der Bevölkerung herbeigesehnt worden war. Seit dem Tode des letzten Zaren Iwan IV. des Schrecklichen im Jahr 1584 sehnte sich Russland nach einem neuen Despoten, der mit harter Hand regieren und das Reich stärken sollte.

Der rechte Mann für den verwaisten Zarenthron

Russland war an der Schwelle zum 17. Jahrhundert, durch die lange Tatarenherrschaft geschwächt, noch immer ein rückständiges Agrarland und von Westeuropa weitgehend isoliert. Im Norden versuchten Schweden und Polen den russischen Zugang zur Ostsee zu verhindern. Im Süden blockierten Türken die Mündungsgebiete der Flüsse ins Schwarze Meer.

Der 46-jährige Boris Godunow schien der rechte Mann für den verwaisten Zarenthron zu sein. Wenngleich tatarischer Herkunft, hatte sich seine Familie aus dem niederen Adel zum Christentum bekannt. Sie erfuhr eine bedeutende Aufwertung ihres Standes, als Iwan der Schreckliche, Irina, die Schwester Godunows, zur Gemahlin nahm.

Kluger und listiger Herrscher

Als Iwan IV. starb, hinterließ er zwei Söhne: den noch unmündigen Dimitri und den ständig kränkelnden Fjodor, vom Volk mit dem Spitznamen „Schwachkopf“ bedacht. Mehr und mehr übertrug Zar Iwan die Regierungsgeschäfte seinem Schwager Boris.

Der erwies sich als wahres Herrschertalent. Klug und listenreich zugleich wusste er Russlands Macht zu festigen. Er beendete die von Iwan begonnene Unterwerfung Sibiriens, ließ neue Städte wie Tobolsk gründen und starke Schutzwälle gegen die Tatareneinfälle errichten. Dank seiner Umsicht hatten erst kürzlich die Krim-Tataren bei Moskau eine militärische Niederlage erlitten.

Beginn der „Smuta“

Doch Godunows Zarenherrschaft stand unter keinem günstigen Stern. Als der Zarewitsch Dmitri unter ungeklärten Umständen ums Leben kam, verdächtigte man Godunow, die Tat begangen oder zumindest inszeniert zu haben. Ein Argwohn, den er nie mehr los wurde. So nahm die Ära der „Smuta“, der Wirren und der Zwietracht, ihren Lauf.

Godunow war bemüht, Russland wieder zu stärken und zu internationalem Ansehen zu verhelfen. Er erlaubte den Angehörigen der Hanse, in russischen Häfen mit ihren Schiffen vor Anker zu gehen und Handel zu treiben. Er plante sogar die Gründung einer Moskauer Universität.

Doch gerade solche Neuerungen und seine Abneigung gegen Prunksucht und Völlerei erregten den Widerwillen der Bojaren. Anfangs vermochte er sie noch in Schach zu halten, ließ sie aufs Rad flechten oder lebendig verbrennen. Auch die Adelsfamilie der Romanows, die man Schwarzer Magie und Zauberei beschuldigte wurde Opfer seiner Willkür.

Ein Mönch behauptet, der ermordete Zar zu sein

Dann aber wendete sich das Blatt. Am Krakauer Hof des polnischen Königs Sigismund tauchte ein junger entlaufener Mönch aus Russland auf. Er behauptete, jener vermeintlich ermordete Dmitri und rechtmäßiger Erbe des Zarenthrons zu sein.

Dem polnischen Adel, der seine Macht über Weißrussland und einen Großteil der Ukraine bereits weit auf russisches Territorium ausgedehnt hatte, war ein solches Ansinnen höchst willkommen. Im Handumdrehen wurde aus dem falschen Dmitri ein polnischer Höfling und ein Spielball um die Macht in Russland.

Dmitri streifte seinen griechisch-orthodoxen Glauben ab und konvertierte zur römisch-katholischen Kirche. Im Tross des Polenheeres zog er gegen Moskau, um seine angeblich an Godunow verlorene Zarenwürde zu erlangen.

Godunows Tod und das Ende seiner Dynastie

Boris Godunow verfiel derweil in Depressionen und Wahnvorstellungen und starb überraschend am 13. April 1605 – vermutlich infolge eines Schlaganfalls.

Kurz darauf zog der falsche Dmitri an der Spitze polnischer Kavallerie in Moskau ein. Godunows Sohn Fjodor, nach dem Tod des Vaters zum Zaren ausgerufen, wurde von einer fanatischen Menge, die auf Geheiß des Moskauer Patriarchen den Kreml stürmte, massakriert.

Doch auch der falsche Dmitri vermochte nicht sich seiner Herrscherzeit lange zu erfreuen. In einem von dem russischen Adligen Wassili Schuiskij organisierten Aufstand wurde er am 17. Mai 1606 getötet. Spätere Nachforschungen ergaben, dass er ein gewisser Grischa Otrepjew aus dem Kloster Tschudow gewesen war.

Puschkin und Mussorgski

Die Lebensgeschichte Boris Godunows wurde im Jahr 1710 erstmals in der Oper "Boris Goudenow" des deutschen Barockkomponisten Johann Mattheson vertont. Zwei weitere Künstler - die Russen Alexander Puschkin und Modest Mussorgski – verliehen dem Zaren Boris Godunow ein weit berühmteres und lebensnahes Profil. Puschkin in einer dramatischen Versdichtung, sein Komponistenkollege in einem „Musikalischen Volksdrama“. Beide folgen in ihren Werken der Version der Schuld Godunows am Tode des Zarewitsch Dmitri.

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Erstellt:
4. Januar 2025, 12:06 Uhr
Aktualisiert:
5. Januar 2025, 17:44 Uhr

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