Deutschlands gestresste Wälder

Borkenkäfer verursachen auch 2024 im Südwesten immense Schäden

Der heiße August hat die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Massenvermehrung von Borkenkäfern gedämpft. Die Schäden sind laut Experten enorm. Und das geht wohl so weiter.

Ein Borkenkäfer läuft auf einer befallenen Fichte.

© dpa/Michael Reichel

Ein Borkenkäfer läuft auf einer befallenen Fichte.

Von Markus Brauer/dpa

Sie sind nur millimetergroß, doch ihr Milliardenheer macht den Wäldern in Deutschland auch in diesem Jahr erneut schwer zu schaffen: Borkenkäfer, oder genauer gesagt Buchdrucker, verwandeln innerhalb kürzester Zeit ganze Waldlandschaften.

Hohe Juli- und August-Temperaturen führen zu Massenvermehrung

Wo einst tiefgrüne Fichten standen, bleiben vielerorts nur noch braun-gräuliche Holzgerippe. Forstleute sind vielerorts nahezu pausenlos im Einsatz, um betroffene Bäume aus den Wäldern zu holen.

Die hohen Temperaturen im August haben die Massenvermehrung von Käfern in den Wäldern von Baden-Württemberg sehr begünstigt. „In vielen der landesweiten Monitoringfallen wurden bis Anfang September pro Woche zwischen 1000 und 3000 Buchdrucker gezählt“, sagt Markus Kautz von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg.

 

 

 

 

 

 

Buchdrucker und Kupferstecher

Neben den Buchdruckern seien lokal wöchentlich mehr als 20 000 Kupferstecher im Schwarzwald gefangen worden. Buchdrucker und Kupferstecher befallen laut Kautz Fichten. Auch für 2025 wird regional eine angespannte Fichten-Borkenkäfersituation erwartet. „Ein rasches Ende der seit 2018 andauernden Massenvermehrung ist also nicht in Sicht“, so Kautz.

Insgesamt gehe eine „spannende“ Käfersaison zu Ende. Unterschiedliche Faktoren hätten teilweise gegeneinander gespielt. „Mit dem Schwarmbeginn ging es Anfang April schon sehr früh los. Über die darauffolgenden kühlen und feuchten Monate hat sich die Entwicklung verzögert. Die Wasserversorgung der Fichten war zugleich sehr gut“, erklärt Kautz.

Erneut ein Jahr mit hohem Schaden im Südwesten

Der Juli und vor allem der August seien heiß gewesen, was dazu geführt habe, dass die Käferaktivität wieder deutlich zunahm. „Unterm Strich war 2024 in Südwestdeutschland erneut ein Jahr mit hohem Schaden durch Buchdrucker und Kupferstecher. Die Tannenborkenkäfer-Schäden gingen jedoch deutlich zurück“, so Kautz.

Während die Befallsmenge an Fichte im Jahr 2024 bisher in Baden-Württemberg leicht abnahm (minus 14 Prozent), halbierte sie sich in Rheinland-Pfalz (minus 51 Prozent) und verdoppelte sich wiederum im Saarland (plus 97 Prozent). Schwerpunktregionen sind aktuell Süd- und Hochschwarzwald, Odenwald/nördliches Neckarland sowie der südwestliche Hunsrück.

 

 

 

 

Die Bäume kämpfen jedoch auch mit den Folgen des Klimawandels. Hitzewellen, lange Trockenperioden und Stürme schwächen sie. Während der Wald laut Experten unter den extremen Wetterkapriolen der vergangenen Jahre litt, profitierten viele Schädlinge wie Insekten und Pilze von den steigenden Temperaturen. Am deutlichsten sieht man das an den Fichten.

Wälder werden zum Notfallpatienten

Den deutschen Wäldern geht es ohnehin nicht all zu gut, wie Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums belegen. Demnach haben Stürme, Dürre und Schädlinge den Wäldern noch heftiger zugesetzt, als bisher bekannt. Rund 285 000 Hektar müssen aufgeforstet werden – das ist mehr als die Fläche des Saarlandes. Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als elf Millionen Hektar Wald.

Vom Borkenkäferbefall ist laut Thünen-Institut für Waldökosysteme in Eberswalde nahezu der gesamte Mittelgebirgsraum betroffen. Zu den typischen Fichtenregionen zählen etwa das Sauerland, der Pfälzer Wald, das Erzgebirge, der Thüringer Wald und der Frankenwald. Und so laufen auch aus genau diesen Regionen derzeit reihenweise Schadensmeldungen ein.

 

 

 

 

Aus Witterungssicht ist so schnell kaum Linderung in Sicht. Dem Leiter des Thünen-Instituts, Andreas Bolte, zufolge bräuchte es mindestens zwei „ganz kühle und feuchte Jahre“. „Das wäre nötig, zum einen, um die Widerstandskraft der Bäume zu stärken, zum anderen aber auch, damit die Population der Borkenkäfer insgesamt zurückgeht“, sagt Bolte. Es sei eher wahrscheinlich, dass der Befall noch Jahre auf hohem Niveau bleibe.

Trockenheit, Stürme und Schädlinge setzten dem Wald zu

Der sichtbare Schaden tritt daher erst verzögert ein. Ein Baum könne schon komplett dem Tode geweiht sein, man sehe es ihm aber nicht an, da der Baum in der Krone noch grüne Nadeln habe, weiß Bolte. „In diesem Moment, wo das festgestellt wird, ist der Käfer aber längst schon wieder aus dem Baum draußen und befällt neue.“

 

 

 

 

Neben Stürme bereitete vor allem die Trockenheit dem Borkenkäfer in den vergangenen Jahren leichtes Spiel: „Mit jedem Niederschlagsdefizit, das von Jahr zu Jahr zunimmt, werden die Wasser-Reserven in den Bäumen aufgebraucht“, erklärt der Stadtforstdirektor von Fürstenwalde an der Spree, Thomas Weber. „Wenn Wasser fehlt, dann haben Nadelbäume auch keine Abwehrreaktion mehr bei einem Borkenkäferbefall.“ Denn normalerweise können die Bäume die Eindringlinge mit ihrem Harz übergießen und so unschädlich machen.

Aus ökologischer Sicht hat der Buchdrucker durchaus auch eine Berechtigung, denn eigentlich sorgt er dafür, dass sich Fichtenwälder regenerieren. Indem die Käfer kranke Bäume befallen, machen sie Platz für neue, gesunde. Zuletzt explodierten aber die Käfer-Populationen.

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Erstellt:
22. September 2024, 11:44 Uhr

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