Ende der Lieferengpässe für Fahrrad-Branche nicht absehbar
dpa Reutlingen/Friedrichshafen. Die deutschen Fahrrad-Hersteller machen aus der Not eine Tugend. Weil Bauteile knapp sind, fokussieren sie sich auf die populären E-Bikes, für die sich auch mehr Geld verlangen können. Davon profitiert auch Bosch, der europäische Marktführer für E-Bike-Systeme.
Die boomende Fahrrad-Branche in Deutschland wird auf absehbare Zeit durch Lieferengpässe ausgebremst. Darauf hat der Geschäftsleiter von Bosch eBike Systems, Claus Fleischer, vor der an diesem Mittwoch in Friedrichshafen beginnenden Fahrradmesse Eurobike hingewiesen.
Auf das Geschäft von Bosch haben die Engpässe aber kaum Auswirkungen. Denn wegen der anhaltenden Probleme konzentrieren sich die deutschen Fahrrad-Hersteller zunehmend auf die Produktion höherpreisiger und besonders gefragter E-Bikes, teilte der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) am Dienstag in Bad Soden bei Frankfurt mit.
Eine Normalisierung der Situation auf den Weltmärkten und somit auch auf dem heimischen Markt sei so schnell nicht zu erwarten. Man rechne vielmehr mit weiteren negativen Auswirkungen in der zweiten Jahreshälfte und einer mittelfristig angespannten Lage hinsichtlich Rohstoffen, Komponenten und Teilen, erklärte ZIV-Geschäftsführer Burkhard Stork.
Bosch produziert selbst keine Fahrräder, ist aber mit seinen Komponenten für E-Bikes aber der führende europäische Systemhersteller für Pedelecs. Knapp 100 Fahrradmarken weltweit bedienen sich aus dem Bosch-System. Dazu gehören neben dem elektrischen Motor auch die Steuerungselektronik, Displays und Apps.
Fleischer sagte der Deutschen Presse-Agentur, man habe es derzeit vor allem mit einer Verknappung von mechanischen Komponenten zu tun: Rahmen, Gabel und Bremsen. „Die Fahrradhersteller kämpfen um jedes Rad, das sie bauen können, weil immer wieder Komponenten fehlen.“ Knapp seien allerdings auch die elektronischen Bauteile, auf die Bosch angewiesen ist. Das liege aber nicht nur an Engpässen bei den Lieferanten, sondern auch am gestiegenen Bedarf.
„In jedem Auto werden immer mehr Steuergeräte verbaut, mehr Kameras für die Fahrerassistenzsysteme und zur Vorbereitung auf das autonome Fahren. In jedem Handy stecken mittlerweile drei Kameras. Früher war es eine.“ Die Nachfrage nach sogenannten Mikrocontrollern - das sind Halbleiterchips, die einen Prozessor und auch Peripheriefunktionen enthalten - sei viel höher als noch vor drei, vier Jahren, sagte Fleischer.
„Die Produktion kommt nicht hinterher, weil der Aufbau einer Waferfabrik und der nachgeschalteten Prozesse eine lange Zeit in Anspruch nimmt, bis die Produktion so weit ist“, betonte Fleischer. Bosch habe Kunden in der Fahrradindustrie trotz der Umstände beliefern können.
Die angespannte Lage auf dem Halbleitermarkt hindert Bosch nicht daran, auf der Eurobike eine neue Generation seines E-Bike-Systems vorzustellen, die aus noch mehr elektronischen Komponenten besteht als die bisherige. Dazu passend wird Bosch eine App mit dem Namen „Flow“ auf den Markt bringen, mit der die Funktionalität von E-Bikes erweitert werden kann.
In die vernetzten Fahrräder mit der neuen Bosch-Technik können künftig Software-Updates eingespielt werden, ähnlich wie bei einem Elektroauto von Tesla. Dabei verbindet sich das Fahrrad-System per Bluetooth mit einem Smartphone. Die Updates betreffen nicht nur Programme wie eine Navigation, sondern können tief in das gesamte System eingreifen. So könne man beispielsweise mit einem verbesserten Algorithmus die Reichweite der Akkus erhöhen.
Großes Potenzial bestehe auch beim Thema Sicherheit, sagte Fleischer. „Digitale Lösungen und Services werden hier zum einen für mehr Sicherheit beim Fahren sorgen - wie etwa der virtuelle Schutzengel, der den Radfahrenden auf seiner Tour begleitet und im Ernstfall Hilfe holt.“ Zum anderen würden sie dazu beitragen, das E-Bike besser vor Diebstahl zu schützen - vom digitalen Verriegeln des Rads bis hin zur GPS-Ortung.
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