Boysen kritisiert Standort Deutschland

Der Chef des Herstellers von Abgastechnik nennt den Tarifabschluss „völlig überzogen“

Boysen hat 2018 rund 100 Millionen Euro investiert. So ist im Nordschwarzwald das bisher größte Werk des Herstellers von Abgastechnik entstanden. Dennoch ist Boysen unzufrieden.

Altensteig Boysen, Hersteller von Abgastechnik, übt scharfe Kritik an den Bedingungen am Standort Deutschland. Der Unmut von Firmenchef Rolf Geisel richtet sich dabei sowohl gegen die Gewerkschaft als auch gegen die Politik. „Aus tiefer Verbundenheit zu unserem Heimatstandort haben wir länger als die meisten Industrieunternehmen an der Produktion in Deutschland festgehalten“, sagte Geisel. Doch dies sei dem Unternehmen „unlängst zum Stolperstein geworden“. So habe der Preisdruck seitens der Autohersteller 2018 „wieder derart zugenommen, dass Angebotsabgaben mit deutschen Lohnkosten bereits vorab zum Scheitern verurteilt waren“, erklärt Geisel. Er spricht von einem „völlig überzogenen Tarifabschluss“ im Jahr 2018.

Die IG Metall weist die Kritik zurück. Arbeitnehmer könnten wählen, ob sie mehr Lohn oder mehr Zeit wollen. Damit habe man die „Anforderungen an eine fairere und gerechtere Arbeitswelt umsetzen können“, sagt Stefan Kirschbaum von der IG Metall Freudenstadt. „Jetzt sollte es darum gehen, die Verantwortung für die Arbeitsplätze zu übernehmen und die Mitarbeiter auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten, anstatt über zukunftweisende Tarifabschlüsse zu wettern“, so Kirschbaum. Boysen beschäftigt weltweit 4200 Mitarbeiter, 2700 davon in Deutschland. Das Unternehmen beteiligt seine Beschäftigten mit 3500 bis 4000 Euro am Ergebnis des vergangenen Jahres; der genaue Betrag steht noch nicht fest. Traditionell äußert sich Boysen nicht über die Höhe des Ergebnisses.

Boysen kündigt an, im Niedriglohnland Serbien 2019 ein neues Werk zu bauen. Dort sollen Komponenten gefertigt werden. Konkretes war nicht zu erfahren. Unklar ist auch, wie groß das Werk werden soll. Die Konsequenz ist, dass frei werdende Stellen hierzulande nicht besetzt werden.

Hart geht Geisel auch mit der Politik, der Deutschen Umwelthilfe und dem Großteil der Medien ins Gericht: „Mit dem Schönreden der Elektromobilität und dem Totsagen des Verbrennungsmotors – oft fernab der Fakten – hat man sich in Deutschland weiterhin erfolgreich gegen die eigene Leitindustrie gestellt“, sagt der Boysen-Chef. „Man muss sich diesen Irrsinn einmal vor Augen halten: Wir werden im eigenen Land förmlich dazu gezwungen, die Produktion ins Ausland zu verlagern. Auf längere Sicht sollen wir noch fleißig daran mitarbeiten, uns irgendwann selbst überflüssig zu machen.“

Dass die Autoindustrie Produktion ins Ausland verlagert, hat nach Ansicht der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) vorrangig mit den Erfolgen hiesiger Autos im Ausland und weniger mit Regulierungen im Markt in Europa zu tun. „Ein Verbrenner-Bashing halte ich in der Tat ebenfalls für falsch. Ich habe in der ganzen Debatte von Anfang an einen zielorientierten, aber technologieoffenen Weg gefordert“, sagt sie. „Ziel muss es sein, eine möglichst emissionsarme, ressourceneffiziente und bezahlbare Mobilität zu gestalten. Das Verteufeln einer Einzeltechnologie hilft uns auf diesem Weg nicht weiter.“

Geisel hat nach eigenen Angaben „2018 alles dafür getan“, um das Unternehmen, das unter anderem Abgaskrümmer, Katalysatoren, Partikelfilter, Schalldämpfer und komplette Abgassysteme anbietet, „für die Zukunft breiter aufzustellen“. Dazu gehöre der Schritt ins Nutzfahrzeuggeschäft. „Zudem haben wir etliche neue Spezialisten für uns gewonnen, die einerseits die digitale Transformation in der Boysen-Gruppe vorantreiben werden, andererseits völlig neue Handlungsfelder im Bereich der Batterie- und Brennstoffzellenantriebe eröffnen sollen“, sagt Geisel. Was konkret geplant ist, war nicht zu erfahren. Es könnte in Richtung Batteriegehäuse gehen.

Die Geschäfte scheinen sich für Boysen gut zu entwickeln. Das Unternehmen hat Mitte 2018 die Produktion in einem neuen Werk in Simmersfeld/Nordschwarzwald aufgenommen. Dort werden Abgassysteme für das Lkw-Modell Actros, für Busse und Baustellenfahrzeuge von Daimler gefertigt; der Auftrag hat eine Laufzeit von zehn Jahren. Es sei die bislang größte Fabrik von Boysen; Geisel wertet sie als Durchbruch in dem noch jungen Bereich Nutzfahrzeuge. Rund 100 Mitarbeiter seien in Simmersfeld derzeit tätig; in der Spitze sollen es 400 werden.

Im Bereich Pkw konnte Boysen von Mercedes Aufträge für seine US-amerikanischen Werke und von BMW für das US-Werk Tuscaloosa ergattern. Im Jahr 2018 hat Boysen 1,9 Milliarden Euro umgesetzt. Für 2019 plant das Unternehmen, einen Umsatz von 2,1 Milliarden Euro zu erzielen.

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Erstellt:
9. Februar 2019, 03:04 Uhr

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