Brüssel bleibt den Briten gegenüber hart

Nur durch Neuwahlen könnte es einen Aufschub von der EU geben

Brüssel/StraSSburg In Straßburg, wo wie immer in Sitzungswochen an diesem Brexit-Schicksalstag EU-Parlament und Kommission gastieren, bereitet man sich auf ein Nein des britischen Unterhauses vor. Die Frage sei nur noch, wie hoch die Abfuhr für die britische Premierministerin Theresa May in den eigenen Reihen ausfalle, heißt es. Sollte May neben den Neinstimmen der Opposition mehr als 200 Neinstimmen aus dem eigenen Lager kassieren, werde es sehr schwierig für sie. In dem Fall drohe ein ungeregelter Austritt Großbritanniens aus der EU am 29. März. Dann sei der Premierministerin ein zweiter Versuch praktisch versperrt, den in langwierigen Gesprächen ausgehandelten Vertrag doch noch durch das Unterhaus zu bringen. „Bei 80 Gegenstimmen könnte sie es noch einmal wagen“, hört man in Brüssel.

Für Mittwochmorgen, wenige Stunden nach der Entscheidung im britischen Unterhaus, ist eine Debatte im Europaparlament angesetzt. Thema ist, wie es nun weitergehen soll. Anderthalb Stunden sind vorgesehen. Klar ist bereits jetzt: Eine Resolution soll nicht verabschiedet werden. Dafür reiche die Vorbereitungszeit nicht. Dies könnte Ende Januar nachgeholt werden, wenn das EU-Parlament wieder zusammenkommt.

Vermutlich würde May die zweite Abstimmung über den umstrittenen Vertrag innerhalb von wenigen Wochen anberaumen. Auch die Einberufung eines weiteren Brexit-Sondergipfels ist in Brüssel im Gespräch. Beides müsste allerdings noch im März über die Bühne gehen. Denn in Brüssel gibt es wenig Neigung, den Briten über das avisierte Austrittsdatum 29. März hinaus noch mehr Aufschub zu geben. Elmar Brok (CDU), Brexit-Beauftragter des EU-Parlaments, sagt: „Für eine Verschiebung des Austrittstermins müsste es nachvollziehbare Gründe geben.“ Etwa eine Neuwahl in Großbritannien oder die Vorbereitung eines neuen Referendums werden dafür genannt. Dafür werden aus rechtlichen Gründen mindestens fünf Monate Vorlauf einkalkuliert.

Eine Verschiebung des Brexits hat – wenn überhaupt – zeitlich sehr enge Grenzen. Über den 30. Juni hinaus könne es keine Verschiebung des Austrittstermins geben, heißt es in Brüssel. Der Grund ist die Europawahl vom 23. bis 26. Mai. Vom 1. Juli an sind die neu gewählten EU-Abgeordneten offiziell im Amt. Sollte das Vereinigte Königreich dann noch EU-Mitglied sein, müssten auch britische Abgeordnete wieder ins Straßburger Parlament einziehen. Dies würde bedeuten, dass sie über die Nominierung des neuen Kommissionspräsidenten mit entscheiden würden, bevor sie wenige Wochen später endgültig die EU und das Parlament verlassen. Den Briten diese Beteiligung noch zuzugestehen, dazu ist aber niemand mehr in Brüssel bereit.

Eine Fristverlängerung und einen späteren Brexit-Termin müssten formal die Mitgliedstaaten einstimmig beschließen, doch das Europaparlament hat bereits angemeldet, dass es auch mitreden will. Die Zukunft der Briten bleibt also hochungewiss.

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Erstellt:
15. Januar 2019, 03:14 Uhr

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