Billiganbieter

Brüssel eröffnet Verfahren gegen Onlinehändler Temu

Die EU-Kommission wirft der Billig-Plattform Temu vor, nicht genug gegen den Verkauf gefälschter oder gefährlicher Produkte in Europa zu unternehmen.

Billiganbieter im Internet erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Nun will die EU den größten Auswüchsen einen Riegel vorschieben.

© dpa/Hannes P Albert

Billiganbieter im Internet erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Nun will die EU den größten Auswüchsen einen Riegel vorschieben.

Von Knut Krohn

Die EU-Kommission bereitet dem Billig-Onlinehändler Temu zu Beginn des Weihnachtsgeschäftes eine unangenehme Überraschung. Die Behörde hat am Donnerstag ein förmliches Verfahren gegen das chinesische Unternehmen eröffnet. Sie verdächtige die Plattform, gegen das EU-Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) zu verstoßen, heißt es in einer Mitteilung der zuständigen EU-Kommissarin Margarethe Vestager. Dabei geht es unter anderem um den Verkauf gefälschter oder sogar gefährlicher Produkte auf der Plattform.

Vestager fordert Temu auf sicherzustellen, dass die Produkte auf der Plattform „den EU-Standards entsprechen und den Verbrauchern nicht schaden“. In dem Verfahren untersucht die EU-Kommission auch das Design der Online-Plattform, das Käufer „potenziell süchtig“ machen und zu ungeplanten Ausgaben verleiten soll.

Weiter Untersuchungen zu Regelverstößen

Wie die EU-Kommission am Donnerstag mitteilte, würden nach der formellen Einleitung des Verfahrens weitere Untersuchungen zu möglichen Regelverstößen von Temu in die Wege geleitet. Überprüft werde in diesem Rahmen auch, ob das Unternehmen über die entsprechenden Systeme verfüge, um den „Verkauf nicht konformer Produkte in der Europäischen Union einzuschränken“. Dabei handle es sich unter anderem um „Systeme zur Begrenzung des Wiederauftauchens von zuvor suspendierten Schurkenhändlern, von denen bekannt ist, dass sie in der Vergangenheit nicht konforme Produkte verkauft haben“.

Der Anbieter Temu ist schon geraume Zeit im Brüsseler Visier. Hinter der Plattform steht der chinesische Konzern Pinduoduo (PDD). Auf dem digitalen Marktplatz werden Kleider, Spielzeuge oder Elektronikartikel gehandelt. Die EU-Kommission hat jüngst den Druck auf Temu immer wieder erhöht, sich an die europäischen Verbraucherschutzregeln zu halten. Die Behörde rief das Unternehmen wiederholt dazu auf, Informationen und Dokumente zum Umgang mit gefälschten oder potenziell gefährlichen Produkten auf der Plattform zu übermitteln.

Kritik an Temu auch vom EU-Parlament

In diesen Tagen befasste sich auch das Europaparlament mit dem Thema. Katarina Barley, Vizepräsidentin des EU-Parlaments, forderte bei einer Aussprache, die Marktaufsicht zu stärken, „damit europäische Qualitätsstandards eingehalten werden. Plattformen, die sich nicht an die Regeln halten, müssen dafür bestraft werden“. Auch Verbraucherschützer kritisieren vehement die Billigwarenflut aus Asien und haben in mehreren europäischen Ländern Beschwerde gegen Temu eingereicht. Sie werfen dem Unternehmen vor, Nutzerinnen und Nutzer mit „manipulativen Techniken“ dazu zu bringen, mehr Geld auf der Plattform auszugeben.

Der Konzern selbst versicherte immer wieder, „voll und ganz“ mit der EU-Kommission zusammenzuarbeiten. Ein Temu-Sprecher bekräftigte jüngst, dass „die Sicherheit der Verbraucher oberste Priorität“ habe. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben seit dem Frühjahr bereits „wichtige Schritte“ unternommen. Es erklärte, dass es seine Praktiken „im Rahmen der Verordnung über digitale Dienstleistungen“ weiter „verfeinern“ werde. Offensichtlich war das der EU-Kommission aber nicht genug.

Aktionsplan der Bundesregierung

Rückendeckung für das Vorgehen gegen die Billig-Onlineplattformen kommt auch aus den EU-Mitgliedstaaten. So unterstützt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Forderungen aus Brüssel gegenüber den Temu-Betreibern. Das sei ein „wichtiger Schritt hin zu einem fairen Wettbewerb im Onlinehandel und dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor illegalen Produkten, die aus Drittstaaten auf den deutschen Markt gelangen“, erklärte er. Sein Ministerium werde sich „auch künftig auf deutscher und europäischer Ebene für eine konsequente Durchsetzung des DSA einsetzen“.

Die Bundesregierung hatte sich schon früher für schärfere EU-Kontrollen bei der Einfuhr von Waren über Händler wie Temu oder Shein starkgemacht. Im September hatte Habeck seinen Aktionsplan E-Commerce vorgestellt, der sicherstellen soll, dass alle Unternehmen die beim Onlineverkauf nötigen deutschen und europäischen Sicherheitsstandards erfüllen. In Habecks Maßnahmen sind unter anderem eine „konzertierte Aktion“ der deutschen und europäischen Marktüberwachungsbehörden und des Zolls sowie automatisierte Kontrollen vorgesehen.

Sehr beliebte Plattform im Internet

Temu zählt nach anderthalb Jahren am Markt bereits zu den größten Onlinehändlern in Deutschland. Laut einer Untersuchung der zum Meinungsforschungsinstitut YouGov gehörenden Consumer Panel Services GfK, landete das Shoppingportal gemessen an der Anzahl der Bestellungen im ersten Halbjahr 2024 auf dem sechsten Platz der Top-Onlinehändler.

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Erstellt:
31. Oktober 2024, 14:12 Uhr

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