US-Präsidentschaftswahl 2024

Bücher, die helfen, Amerika zu verstehen

Attentat auf Trump, Biden-Rückzug: Das Drama um US-Wahlen im Herbst ist hoch spannend. Einige aktuelle Bücher helfen, die aktuelle Lage in den USA besser zu verstehen.

Ein Bild mit starker Symbolkraft für den eskalierten Wahlkampf in den USA: Der angeschossene Donald Trump.

© IMAGO/Artem Priakhin / SOPA Images

Ein Bild mit starker Symbolkraft für den eskalierten Wahlkampf in den USA: Der angeschossene Donald Trump.

Von Lukas Jenkner

Ein altersschwacher Amtsinhaber, der sich aus dem Wahlkampf zurückzieht, ein beim Attentat angeschossener Populist, der zum American Hero seiner Wähler mutiert, und eine Vizepräsidentin, die womöglich wie der Phönix aus der Asche steigt: Der aktuelle Wahlkampf um das Amt des US-Präsidenten übertrifft die vorangegangenen Kampagnen nochmals deutlich in seiner Brisanz.

Die politische Polarisierung der USA, die von außen betrachtet bisweilen die Anmutung einer Bananenrepublik erzeugt, hat sich indes über Jahrzehnte aufgebaut. Abseits aktueller Berichterstattung und Analysen lohnt es sich deshalb für alle, die die aktuellen Konflikte ein bisschen besser verstehen wollen, zu dem einen oder anderen Buch zu greifen.

Ein bedrückendes Porträt des modernen Amerika

Der langjährige USA-Korrespondent und Redakteur der Süddeutschen Zeitung Hubert Wetzel hat passend zum aktuellen Wahlkampf ein sehr persönlich geschriebenes Porträt der modernen USA verfasst. Er widmet sich amerikanischen Mythen, dem Waffenwahn, der ausgeprägten Religiosität breiter Teile der US-Bevölkerung, der (illegalen) Einwanderung sowie der dramatischen Opioid-Epidemie und lässt seine Leserinnen und Leser in dumpfer Verzweiflung zurück angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Verwerfungen. „Amerika – Land der unbegrenzten Widersprüche“ heißt Wetzels Buch, es liest sich leicht und zügig, liefert aber zugleich eine Fülle von Erklärungen dafür, warum die US-Gesellschaft so tief gespalten ist.

Ein demografisches Segment, das infolge von Arbeitslosigkeit, Armut und Drogensucht weitgehend vom Fortschritt abgekoppelt ist, bilden die US-Amerikaner in der Provinz, meist in strukturschwachen Region, die weiße Arbeiterklasse bis hinab zu den sozial ganz Schwachen, den sogenannten „White Trash“. Einen autobiografischen Zugang dazu hat der Autor und republikanische Politiker J. D. Vance. Wer dessen Buch „Hillbilly-Elegie“ über den gescheiterten Aufstiegsversuch seiner Familie liest, das vor einigen Jahren die Bestsellerlisten angeführt hat, erfährt en passant auch viel über den Mann, den Donald Trump im Falle eines Sieges zu seinem Vize machen will.

Extreme Rechte hat die Republikanische Partei gekapert

Deutlich schwerere Kost, aber immer noch gut zu lesen und sehr informativ ist Annika Brockschmidts „Die Brandstifter – Wie Extremisten die Republikanische Partei übernahmen“, das ebenfalls im Frühjahr erschienen ist. Sie beschreibt den Abstieg der Republikaner zum demokratieunfähigen Trump-Wahlverein als einen über Jahrzehnte dauernden Prozess, der letztlich mit den Umbrüchen der Bürgerrechtsbewegung in den 1960er Jahren begann – eine bekanntlich ebenfalls gesellschaftlich und politisch hochvolatile Zeit in der Geschichte der USA, in der ein Präsident, ein Justizminister und ein Bürgerrechtler Attentaten zum Opfer fielen.

In Brockschmidts Analyse treffen wir gleich eine ganze Reihe mehr oder minder sinistrer Gestalten der US-Politik wieder, zum Beispiel Ronald Reagan, Pat Buchanan und Newt Gingrich. Jeder für sich hätte als Betriebsunfall der US-Politik verbucht werden können, zusammen genommen stehen sie indes für eine fatale Entwicklung, deren Bedeutung sich vermutlich erst jetzt so richtig offenbart, da eine Wiederwahl Donald Trumps droht – mit unabsehbaren Konsequenzen.

Die dunklen Seiten der Familie Trump

Über den New Yorker Geschäftsmann und späteren US-Präsidenten Trump sind zwischenzeitlich so viele Bücher erschienen, dass Empfehlungen schwerfallen. Hoch spannend und die dunkle Seite der Familie Trump enthüllend sowie nicht unbedingt ganz oben in den Leselisten steht Mary L. Trumps „Zu viel und nie genug“, das vor vier Jahren erschienen ist. Die einzige Nichte Trumps erzählt aus der frühen Familiengeschichte der Trumps, wie Donalds Vater zu seinem Geld gekommen ist und die toxischen Familienstrukturen den Charakter seines Sohnes geprägt haben.

Wer „Zu viel und nie genug“ liest, muss sich allerdings bewusst sein, dass die in New York lebende Psychologin zu Donald Trumps schärfsten Kritikerinnen zählt, die sich mit der Familie schon lange zerstritten hatte, bevor ihr Onkel Donald Präsident wurde. Und auch wenn ihr Buch zweifellos einseitig und parteiisch ist: Ein US-Gericht hatte seinerzeit entschieden, dass es erscheinen durfte.

Kamala Harris: Der Phönix aus der Asche

Ist die Vizepräsidentin der USA Kamala Harris die sprichwörtliche lachende Dritte im aktuellen US-Wahlkampf? Momentan ist wohl noch schwer absehbar, ob es die 59-Jährige schafft, die Wählerbasis der Demokraten ausreichend zu mobilisieren.

Wer sich von der Politikerin ein Bild machen will, die in den vergangenen Jahren zumal außenpolitisch im Hintergrund blieb und deshalb vielen noch eher unbekannt sein dürfte, kann zurzeit zum 2021 erschienenen Buch „Kamala Harris – Die Biografie“ greifen, in dem Dan Morain den Aufstieg der Tochter eines Jamaikaners und einer Inderin aus dem Kalifornien der 1960er und 1970er Jahre zur US-Senatorin und schließlich zur Vizepräsidentin beschreibt.

Leseliste zur US-Präsidentschaftswahl

Amerika – Land der unbegrenzten Widersprüchevon Hubert Wetzel erschienen im Goldmann Verlag, 22 Euro

Hillbilly-Elegievon J. D. Vance, erschienen im Ullstein Verlag, 11 Euro

Die Brandstiftervon Annika Brockschmidt, erschienen im Rowohlt Verlag, 24 Euro

Zu viel und nie genugvon Mary L. Trump, erschienen im Heyne Verlag, 22 Euro

Kamal Harris – Die Biografievon Dan Morain, erschienen im Heyne Verlag, 10 Euro

Zum Artikel

Erstellt:
25. Juli 2024, 11:50 Uhr
Aktualisiert:
26. Juli 2024, 14:40 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen