Bürgermeisterwahl Sulzbach: Die Bürger haben eine richtige Wahl
Die Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters von Sulzbach an der Murr nehmen zwei Stunden lang Stellung zu all den Fragen, denen sich eine moderne Verwaltung stellen muss. Und das Quartett schlägt sich am Montagabend vor 550 Zuschauern in der Festhalle sehr gut.
Von Matthias Nothstein
Sulzbach an der Murr. Fast 32 Jahre lang war Dieter Zahn Bürgermeister von Sulzbach. Nun möchten vier Kandidaten seine Nachfolge antreten: die 30-jährige Veronika Franco Olias, Ortsvorsteherin von Bittenfeld, der 43-jährige Markus Laiblin, Regionalleiter für den Bereich Energieholz bei der Baywa, der 38-jährige Andreas Fillgraff, Mathematiker und Betriebswirt im Bereich Kapitalanlage bei der Sparkassenversicherung, und der 37-jährige Christian Ehnis, promovierter Wirtschaftsberater. Am Montagabend haben sich die vier den Fragen von Redaktionsleiter Kornelius Fritz zu verschiedenen Themenkomplexen gestellt.
Ortsentwicklung Wie wichtig das Thema Ortsentwicklung Veronika Franco Olias ist, wird schon bei ihrer Vorstellung deutlich. In ihrer Heimatgemeinde hat sie es erlebt: Erst schloss der Dorfladen, dann zog der Arzt weg, der Ort drohte auszubluten. Aber der Gemeinderat nahm das Ruder in die Hand, gestaltete den Ortskern neu und das Leben kehrte zurück. Für sie ein Schlüsselerlebnis. Nun möchte sie Bürgermeisterin werden, um selbst an der Schaltzentrale die Weichen stellen zu können. Sie würde zuerst eine Priorisierung der dringlichsten Dinge vornehmen, zu denen die Verbesserung der Aufenthaltsqualität im Ortskern und ein barrierefreies Rathaus gehören. Markus Laiblin schwebt vor, den Bahnhof zu einem Gemeindezentrum umzubauen. Dort würde er gerne eine Ganztagsbetreuung für Kinder anbieten, so könnten sich pendelnde Eltern einen Weg sparen. Platz wäre auch für eine Kinderbibliothek und einen Vereinsraum für alle Verein. Auch Andreas Fillgraff plädierte dafür, die vielen nötigen Investitionen zu priorisieren und nacheinander abzubauen. Er würde einen Schwerpunkt auf den Ausbau der Schule legen, „die platzt spätestens 2026 aus allen Nähten“, prophezeite er. Die Frage, was bringt den größten Nutzen und geht am schnellsten, würde Christian Ehnis bei der Priorisierung weit oben ansiedeln. Als Beispiel nannte er die Verschönerung des Marktplatzes, und sei es nur mit Pflanzkübeln und Blumen. Auch die Kinderbetreuung lag ihm am Herzen, „die ist trotz aller Erfolge immer noch nicht auf dem Niveau, das angebracht wäre“.
Wohnraum/Gewerbe Außer Frage steht für Fillgraff, dass neuer Wohnraum nötig ist. Er widerspricht aber der Vermutung, das Gebiet Ziegeläcker III stehe in der Kritik. Uneinigkeit bestehe nur in der Frage der Zufahrt. Und hier will er schnell Klärung schaffen. Ebenso erklärt Franco Olias: „Ich würde das Gebiet nicht stoppen, es ist schon viel zu weit im Prozess fortgeschritten.“ Sie bezweifelt aber, ob es künftig neue Gebiete auf der grünen Wiese geben wird, „viele Gebiete schließen sich von alleine aus aufgrund der Begebenheiten“, sie liegen in Schutzgebieten oder topografisch ungünstig. Laiblin erinnerte an den deutlichen Anstieg der Baupreise. Die Planungsphase des Gebiets Ziegeläcker III lag noch vor dieser Zeit. Er sagte: „Ich bin großer Fan von Mehrgenerationenhäusern.“ Auch Ehnis zeigte sich kritisch, ob Einfamilienhäuser speziell für junge Familien noch finanzierbar sind. Er plädierte für den Bau von Mehrfamilienhäusern. Beim Thema Gewerbegebiete ist Ehnis sicher, „es gibt nicht mehr viele Gebiete, die man als Gewerbegebiete ausweisen kann“. Franco Olias plädiert auch hier für eine Priorisierung. Welche Flächen stehen zur Verfügung und wo könnten am schnellsten mit geringsten Eingriffen Gebiete ausweisen werden? Laiblin würde weitere Industrie am Ort ansiedeln, „wir haben hier eine optimale Verkehrsanbindung“. Ihm schwebt ein Pelletwerk vor.
Weitere Themen
Verkehr Ohne Auto geht es im ländlichen Bereich nicht, da waren sich alle einig. Fillgraff sagte: „Wir sind zu fünft und haben ein Auto. Wir schaffen damit den Alltag, aber ohne wäre es schwer.“ Auch Laiblin bemerkte, an seinem Wohnort in Berwinkel fährt nur fünfmal am Tag der Bus. Er plädierte ebenso wie Franco Olias für einen Bürgerbus. Und auch Ehnis sagte, ein Auto zu haben werde in den Teilorten wohl auch in Zukunft wichtig sein. Für Ehnis sind auch Fahrradboxen und Leihräder sinnvoll, Fillgraff sprach den Ausbau von sicheren Rad- und Fußwegen an. Die größte Übereinstimmung herrschte jedoch beim Thema Kampf dem Motorradlärm. Alle Kandidaten sind sich bewusst, dass der Lärm die Lebensqualität extrem einschränkt und dass alles unternommen werden muss, dies abzustellen.
Ökologie Große Gemeinsamkeiten gab es auch beim Thema Klimaschutz. Franco Olias möchte einen Klimamanager einstellen, „da gibt es ein tolles Förderprogramm“. Wie alle Mitbewerber plädierte sie für den Ausbau der Fotovoltaikanlagen. Dass sie für moderne Technik aufgeschlossen ist, deutete sie an, als sie die Wärmegewinnung aus Abwasser auflistete. Ehnis würde schnell alle Lampen auf LED umstellen und Beratungsmöglichkeiten anbieten. Laiblin möchte noch mehr Energie aus Holz gewinnen, das Nahwärmenetz ausbauen und Gebäude isolieren. Der Anschluss des Wohngebiets Hummelbühl an das Nahwärmenetz steht bei Fillgraff auf dem Prüfstand. Auffallend war, dass sich keiner der Kandidaten zur Windkraft äußerte. Erst auf Nachfrage von Moderator Kornelius Fritz nahmen sie vorsichtig Stellung zu dem heiklen Thema und betonten, bei jedem Standort müssten die Argumente abgewogen werden. Laiblin und Ehnis sprachen sich immerhin dafür aus, dass, wenn ein Windrad gebaut wird, die Bürger Anteil am Nutzen haben sollten.
Bürgerbeteiligung Welche Anliegen die Bürger haben, das glaubt Franco Olias auf vielerlei Arten zu erfahren, „auf dem Weg zur Arbeit, bei Veranstaltungen, bei Sprechstunden“. Den Austausch mit den Bürgern bezeichnet sie als gewinnbringend. Fillgraff sagt über den barrierefreien Umbau des Rathauses, „das ist eine Investition, die getätigt werden muss“. Es sollte ein Portal eingerichtet werden, über das die Bürger Vorschläge machen können. Dass es an der Digitalisierung hapert, bestreitet Ehnis nicht, „aber das betrifft nicht nur Sulzbach“. Wichtig ist ihm, dass die Verwaltung für die Menschen da sein muss. Die Prozesse müssen zweigleisig sein: „Wenn ich es online erledigen möchte, muss das gehen. Aber wenn ich zum Rathaus gehen möchte, muss auch das machbar sein.“ Diese Zweigleisigkeit – digital und Papier – hatte zuvor auch schon Fillgraff gefordert. Laiblin forderte mehr Transparenz. Als Beispiel nannte er Architektenwettbewerbe. Bürger sollten sich im Voraus Modelle ansehen können und entscheiden, was sie wollen.