EM-Quartier der Spanier in Donaueschingen

Bullen, Bierhefe und Bollenhut – Wo die spanische Mannschaft trainiert

Auf einem Dorfplatz bei Donaueschingen bereitet sich die spanische Mannschaft auf das Viertelfinale der Fußball-Europameisterschaft gegen Deutschland vor. Alles ist streng geheim, aber manchmal kommt es doch zu Begegnungen.

Auf der Baar zwischen Feldern und Wäldern trainiert die spanische Mannschaft auf einem der besten Dorfplätze Deutschlands.

© Silas Stein/ dpa

Auf der Baar zwischen Feldern und Wäldern trainiert die spanische Mannschaft auf einem der besten Dorfplätze Deutschlands.

Von Eberhard Wein

Sollte Spanien am Freitagabend in Stuttgart im Elfmeterschießen triumphieren, dann wurde der Grundstein dafür vermutlich auf dem Dorfbolzplatz des Donaueschinger Teilorts Aasen gelegt. Eine 18-Jährige, die sich von Freunden habe überreden lassen, an einem Elfmeterturnier teilzunehmen, wollte dort noch schnell ein bisschen üben, so erzählt es Rainer Hall, Geschäftsführer des Donaueschinger Maschinenrings und Vorsitzender des SV Aasen. Doch plötzlich seien drei Jungs angeradelt gekommen, seien abgestiegen und hätten eine Runde mit ihr gekickt. Fußball sei nicht der bevorzugte Sport der jungen Dame, aber die drei habe sie sofort erkannt: „Es waren Pedri, Nico Williams und Lamine Yamal.“

Es sind wenige Zufallsbegegnungen, bei denen die Donaueschinger dieser Tage in Kontakt mit „ihrer“ EM-Mannschaft kommen. Ansonsten residieren Spaniens Supertechniker abgeschirmt auf dem vornehmen Öschberghof, drei Kilometer außerhalb der Stadt zwischen Feldern, Wäldern und 45 Golflöchern. Wenn der Club gerade keine Fußballmannschaft beherbergt, mieten sich dort vermögende Golfspieler aus der Schweiz ein. Jetzt ist das Hotel komplett abgesperrt. Vor dem Haupteingang steht der spanische Teambus fertig zur Abreise nach Stuttgart. Ein spanisches Fernsehteam macht noch schnell einen Aufsager. Der Reporter spricht von „multo optimismo“.

Die Taparia betreibt ein Türke

In der Donaueschinger Innenstadt haben sich die Geschäfte und Boutiquen entlang der Karlstraße für die spanischen Besucher chic gemacht. „Viva Espania“, steht in gelb-roten Buchstaben über dem Eingang des „Concept Store 23“, einem Geschäft für Maßanzüge, Mode und Second Hand. Auch in der Boutique nebenan hängen spanische Flaggen. Fünf Männer in roten Spanien-Trikots laufen vorbei, in fester Erwartung eines Sieges am nächsten Tag. Über Brüssel seien sie angereist. Sie hätten Tickets fürs Stadion, jetzt wollten sie noch im Trainingslager vorbeischauen, sagen sie. An der Donauquelle seien sie schon gewesen.

Tatsächlich ist Donaueschingen bei Spaniern gar nicht so unbeliebt. Als der Chef der Touristinformation vor einigen Monaten im Gemeinderat seine Jahresbilanz vorstellte, konnte er immerhin von 3600 spanischen Übernachtungsgästen im Jahr 2023 berichten. Das ist hinter Deutschen und Schweizern Platz drei in der Gästestatistik der 23 000-Einwohner-Stadt. Es gibt sogar eine Taparia, betrieben von einem Türken. Bei der Touristinformation ist ein Stadtplan auf Spanisch vorrätig. Natürlich ist auch die „Cevecería del Principe de Fürstenberg“, die Fürstenberg-Brauerei eingezeichnet. In der Stadt riecht es eigentlich immer nach Bierhefe.

Den Platz einfach weggebaggert

Der spanische Cheftrainer Luis de la Fuente hat seine Spieler unterdessen noch einmal auf den nahen Aasener Sportplatz gebeten. Früher hatte der Öschberghof noch einen eigenen Trainingsplatz. „Ein Super-Rasen, klasse Drainage, alles vom feinsten“, sagt Dietmar Zschäbitz, seit 33 Jahren als Sportreporter auf den Plätzen – und Äckern – der Region unterwegs. Vor ein paar Jahren habe man ihn dann einfach weggebaggert – für eine Golfplatzerweiterung. Doch dann kam Hall auf eine Idee und bot dem Öschberghof den nahen Sportplatz seines Dorfvereins an.

Seither hat der Bezirksligist – dank der Greenkeeper des Golfclubs – den besten Rasenplatz der Baar und vielleicht sogar in ganz Baden-Württemberg. „Ich glaube, die anderen Vereine spielen ganz gerne bei uns“, sagt Hall. Auch die Spanier haben sich nicht beklagt, anders als die Schweizer in Degerloch. Dabei liegt der Aasener Sportplatz auf 700 Metern Höhe.

Nur ein öffentliches Training

Dafür muss die Sportanlage hin und wieder vom Verein geräumt werden. Der Standort als Trainingslager für berühmte Fußballteams ist ein florierendes Geschäftsfeld des Öschberghofs. Der FC Liverpool und der FC Barcelona waren schon da. Demnächst kommt Bayer Leverkusen.

Jetzt stehen zwei riesige Zelte am abgesperrten Sportplatz. Sie dienen als Ruheraum und Medienzentrum. Davor warten einige spanische Fans. Enrique Lozano (32) ist extra aus Mannheim angereist, um einen Blick auf die Stars zu erhaschen. Doch er wird enttäuscht. Die Spieler werden in abgedunkelten Autos weggefahren. Lediglich die anderen Teamangehörigen radeln über die Feldwege zum Hotel hinauf.

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Nur zu einem einzigen öffentlichen Training hat die Furia Roja eingeladen. Gleich bei der Ankunft vor dreineinhalb Wochen war das. De la Fuente trug sich ins Goldene Buch der Stadt ein, der Oberbürgermeister Erik Pauly (CDU) bekam ein Spanien-Trikot. Als Zeichen der Gastfreundschaft fahren der Stadtbus und alle städtischen Autos mit einem deutschen und einem spanischen Wimpel durch die Stadt. Auch der OB hat seinen Dienstwagen ausgestattet. Natürlich hoffe er, dass Spanien im Turnier weit komme. Allerdings habe er wie viele darauf gesetzt, dass es erst im Endspiel zum Duell mit Deutschland kommt. Am Freitag drücke er jetzt natürlich der deutschen Mannschaft die Daumen. „Das gibt ein 3:1“, sagt Pauly, der gerade in Berlin ist. Das Spanien-Trikot hat er nicht dabei.

Der Mordermittler glaubt nicht an Deutschland

Weniger optimistisch ist Friedrich Hucke. Der 71-Jährige war einst Mordermittler in Frankfurt, dann lebte er 25 Jahre in Spanien. Jetzt betreibt er gegenüber der Schlosskirche eine Galerie, in der er seine eigenen Werke anbietet, die in ihrer Verspieltheit an Salvador Dali erinnern. Dalis berühmte vom Tisch tropfende Uhr ist ein von ihm gern verwendetes Zitat, auch der Bollenhut taucht mitunter auf. Wie er das Viertelfinale am Freitag sieht, lässt sich aus einem Bild ablesen: Eine deutsche Zwergenmannschaft steht einem riesigen spanischen Bullen gegenüber, dahinter ist das Brandenburger Tor zu sehen. „Das wird eine klare Sache für Spanien“, sagt Hucke.

Doch damit steht er – bei aller Liebe zu den spanischen Gästen – fast allein. Er habe bei den örtlichen Fußballgrößen eine Umfrage gemacht, sagt der Sportreporter Zschäbitz. „Ich habe mich auch gewundert. Aber die haben alle auf Deutschland getippt. Einer sogar 4:0.“ Auch der SV Aasen-Chef Hall glaubt fest an einen deutschen Sieg und eine schnelle Heimreise der Spanier. Für die nächste Woche hat er schon den Trainingsauftakt für seine Mannschaften angesetzt. Und wenn Spanien siegt? „Dann müssen wir das halt um eine Woche verschieben.“

Beim einzigen öffentlichen Training herrschte viel Andrang.

© Silas Stein/dpa/Silas Stein

Beim einzigen öffentlichen Training herrschte viel Andrang.

Der Donaueschinger Oberbürgermeister Erik Pauly fährt mit deutschem und spanischen Fähnchen durch die Stadt.

© Stadt Donaueschingen/Grüninger

Der Donaueschinger Oberbürgermeister Erik Pauly fährt mit deutschem und spanischen Fähnchen durch die Stadt.

Spaniens Nationaltrainer Luis de la Fuente (l.) und Alejandro Morales Mansito, Vorstandsmitglied des spanischen Fußballverbands (r.), überreichen Donaueschingens Oberbürgermeister Erik Pauly ein Trikot der spanischen Nationalmannschaft.

© Stadt Donaueschingen /Grüninger

Spaniens Nationaltrainer Luis de la Fuente (l.) und Alejandro Morales Mansito, Vorstandsmitglied des spanischen Fußballverbands (r.), überreichen Donaueschingens Oberbürgermeister Erik Pauly ein Trikot der spanischen Nationalmannschaft.

Der Teambus der Spanier wartet vor dem Öschberghof auf die Abfahrt.

© red/Wein

Der Teambus der Spanier wartet vor dem Öschberghof auf die Abfahrt.

Ein spanischer Reporter macht noch schnell einen Aufsager.

© red/Wein

Ein spanischer Reporter macht noch schnell einen Aufsager.

In Donaueschingen sind die Straßen mit deutschen und spanischen Fahnen geschmückt.

© red/Wein

In Donaueschingen sind die Straßen mit deutschen und spanischen Fahnen geschmückt.

Der Künstler Friedrich Hucke hat die EM künstlerisch ins Bild gesetzt.

© red/Wein

Der Künstler Friedrich Hucke hat die EM künstlerisch ins Bild gesetzt.

„Wir wollten die Spanier willkommen heißen“, sagt Marco Totzek vom Concept Store in der Donaueschinger Innenstadt.

© red/Wein

„Wir wollten die Spanier willkommen heißen“, sagt Marco Totzek vom Concept Store in der Donaueschinger Innenstadt.

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Erstellt:
4. Juli 2024, 18:22 Uhr

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